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114 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Nr. 29 u. 30 Uebergangswirtschaft. Was das Wort Uebergangswirtschaft bedeuten soll, ist vielen, ja den meisten nicht recht klar. Sie wissen wohl, daß es die Geschäftsführung während der Uebergangszeit vom Kriege zum Frieden und später bis mehr oder weniger in die Friedenszeit hinein bezeichnen, aber wie und auf welche Weise dies geschehen kann und soll, darüber sind die Mei nungen vorerst noch geteilt und werden auch geteilt bleiben. Es lassen sich für die Uebergangswirtschaft feste Nor men nicht bestimmen, da man noch nicht weiß, unter wel chen Verhältnissen wir die Uebergangswirtschaft antreten. Es hängt alles davon ab, wie der zukünftige Friede mit den Westmächten ausfällt. Wenn es uns gelingt, in die Frie densverträge die Verpflichtung zur Lieferung ausländischer Rohstoffe zu bringen, dann wird sich der kaufmännische und industrielle Kampf während der Uebergangszeit weniger scharf gestalten. Können wir uns aber die nötigen Roh stoffe nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten beschaf fen, so wird die Uebergangszeit uns noch manche Nuß zu knacken geben. Auch im ersteren Falle müssen wir uns mit Geduld darauf fassen, unendlichen Schwierigkeiten zu begegnen. Kriegsentschädigung in Geld allein wird uns den ge wünschten Nutzen nicht bringen können, da viele Rohstoffe im Anfang, für uns wenigstens, mit Geld nicht zu haben sein werden. Die langjährigen Studien unserer Nationalökpnomen so wie die Aufstellung aller möglichen Statistiken und sonstigen theoretischen Arbeiten werden uns vor ungeahnten Ueber- raschungen während der Uebergangszeit nicht bewahren können. Es wird vor allem an Transportgelegenheit zur Heran führung der überseeischen Produkte fehlen. Die gewaltige Einschränkung, welche die Welttonnage erfahren, wird uns überall hindernd im Wege stehen. Die Regierungen müssen deshalb auch allgemein die Bemessung der Frachtkosten in die Hand nehmen, da sonst die spärlich herangeführten Nahrungsmittel und Roh stoffe durch die maßlosen Transportspesen ins Unendliche verteuert würden. Man kann auch bei dem günstigsten Friedens vertrag unseren Gegnern nicht zumuten, ihre Schiffe für unsere Transporte herzugeben. Wir können nur freie Weltfahrt und freien Welthandel bedingen und günstigenfalls die Klau sel einfügen, daß ein gewisser Prozentsatz der im Ausland lagernden Produkte an uns zu gleichen Preisen wie an die eigenen Staatsangehörigen, oder mit geringem Aufschlag, verkauft werden müssen. Wir werden zur Heranführung der benötigten Nahrungs- und Rohstoffe unsere eigenen Schiffe benutzen müssen. Da wir jedoch infolge der vielen Requisitionen deutscher Schiffe im Auslande in der Tonnage recht knapp geworden sind, müßte bei sehr günstigem Friedensschluß versucht werden, daß uns die beschlagnahmten Schiffe wieder zurückgegeben werden. Es ist bis jetzt noch nicht öffentlich festgestellt, wie groß unsere zum Ueberseetransport verfügbare Ton nage nach Friedensschluß sein wird, auch ob es gelungen ist, während des Krieges den Schiffbau erheblich zu fördern, so daß wir im Falle der Wiederaufnahme des Seeverkehrs mit einer mehr oder weniger genügenden Handelsflotte dienen können. . Dies alles vorausgesetzt, werden aber zuerst die nötig sten Stoffe herangeholt werden müssen, als da sind: Nah rungsmittel, Metalle, Baumwolle, Medizinalwaren u. a, Die hohen Frachten, die besonders im Anfang bezahlt werden, *) Mit Erlaubnis des Verfassers Herrn Wilh. Fr. Beltz, Cöln, entnommen aus „Der Grossist", Vereinsblatt des Grossistenverbandes der Blumenbranche Deutschlands. Der Verfasser hatte die Freund lichkeit, uns die Arbeit zur Verfügung zu stellen. Wir machen gern Gebrauch davon, trotzdem wir der Meinung sind, daß, leider, der Tag, an dem die Uebergangswirtschaft in Kraft treten kann, noch recht weit entfernt ist. müssen nach den Artikeln abgestuft und jedem Schiffe die ihm zugeteilte Ladung überwiesen werden. Deutsche Schiffe dürfen nur für Deutschland fahren. Von den Schiffen der während des Krieges neutral gebliebenen Staaten müssen wir uns ebenfalls einen Teil zu sichern suchen und dafür andere Vorteile bieten. Erst nachdem die allernotwendigsten überseeischen Produkte in genügender Menge herangebracht, was, neben bei bemerkt, recht lange dauern kann, können wir daran denken, weniger notwendige oder wirkliche Luxuswaren einzuführen. Bei der Einfuhr vpn Rohstoffen ist auch vor allen Din gen zu berücksichtigen, daß unsere Ausfuhrindustrie mit allem Fehlenden versehen wird, damit diese wichtige Le bensader wieder frei pulsieren kann. . Ueber die Art, wie die Rohstoffe eingeführt werden bzw. dem Verbraucher zugeführt werden sollen, gehen die Meinungen ebenfalls weit auseinander. Die freie Entfaltung der Einfuhr, die vielfach empfohlen wird, ist jedenfalls we gen der unangenehmen Begleitumstände nicht möglich. Es bleibt daher wohl oder übel nichts anderes übrig, als daß der Staat als Rugulator für den Anfang auftritt, bis Einfuhr und Verteilung geregelt und dieselbe ohne Gefahr wieder in freie Hände gelegt werden können. Daß dies erst nach und nach geschehen kann, hängt auch von dem Artikel selbst ab, von dessen Einfuhrmengen, notwendigem Verbrauch und Bedarf. Es kann ja bei einzelnen Warengattungen mög licherweise die freie Einfuhr und Verteilung sofort oder bin nen kurzer Zeit gestattet werden, im allgemeinen wird dies aber nicht der Fall sein können. Wie werden aber die unter Kontrolle des Staates ein geführten Rohstoffe zur Verteilung gebracht werden kön nen? Dies ist eine der schwierigsten Fragen und hängt ebenfalls wieder von den eingangs erwähnten Bedingungen ab. Der Staat, dessen Zivil- und Militärverwaltung, benöti gen voraussichtlich große Mengen gewisser Rohstoffe für eignen Bedarf und besonders zur Ergänzung der stark ge lichteten Vorratsläger. Es muß aber gleichzeitig auch der laufende Bedarf der Bevölkerung und der Industrie in Rücksicht gezogen wer den. Ja, bei einzelnen Warengattungen und Nahrungsmit teln wird dies vorzugsweise geschehen müssen. Der Staat aber kann nicht mit jedem einzelnen Verbraucher handeln, es müssen Zentralstellen geschaffen werden, die für mög lichst schnelle Unterbringung der eingeführten Produkte Sorge zu tragen haben. Aber auch diese können mit den einzelnen Verbrauchern sich nicht befassen. Man hat des halb schon in gewissen Branchen Gesellschaften m. b. H. gegründet, an welche die staatlichen Einfuhrstellen be stimmte Waren ablassen sollen und diese für die Weiter leitung an die angeschlossenen Verbraucher zu sorgen hät ten. Da es aber nicht jedermanns Sache ist, sich an einer G. m. b. H. zu beteiligen, so wird diese Art der Verteilung an mancher Unvollkommenheit leiden. Da empfiehlt es sich, wie auch schon mehrfach vorge- schlagen, die Verteilung den Fachverbänden zu überlassen. Jeder Kaufmann und jeder Industrielle kann sich ohne Ri siko dem seine Branche vertretenden Fachverband an schließen und versichert sich dadurch der benötigten Roh stoffe, soweit solche zur Einfuhr gelangen. Der Bedarf bzw. das gewünschte Quantum wird von dem Verbraucher bei dem Verbände angemeldet, von diesem geprüft, und darnach richtet sich dann die Abgabe an jedes einzelne Mitglied; natürlich im Verhältnis zur verfügbaren Menge. Verbände, deren Branchen sich eng berühren und die gleichen Waren benötigen, müßten sich zum Zwecke der Zuweisung und Verteilung zusammenschließen. Es läßt sich z. B. für unsere Branche nicht umgehen, daß sich sowohl Grossisten wie Fabrikanten zusammenfinden, da manche Artikel in verschiedene verwandte Branchen übergreifen. Nehmen wir z. B. Raffiabast, der sowohl von Grossisten und Fabrikanten der Bindereibranche, wie von