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DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau 108 Nr. 27 u. 28 in die Wiege gelegt, das sie zu erlesenen Gärtnern macht. Aber wie der köstlichste Edelstein erst dann seinen Glanz und sein volles Feuer in die Welt strahlt, wenn er nach allen Regeln der Technik und Wissenschaft geschliffen ist, so wird auch nur dann ein in der Wiege begnadeter Gärtner ein solcher von höchstem Scharfblick und äußer ster Leistungsfähigkeit, dessen natürliche Veranlagung durch wissenschaftliche Erkenntnis geläutert wird. Man findet so oft, daß der nicht theoretisch gebil dete Gärtner mit Kopfschütteln die Arbeit des wissen schaftlichen beurteilt und ihn bespöttelt oder gar lächer lich macht. Und warum das? Weil er sich nicht erklären kann, weshalb dieser vom alten oder gar uralten Handwerksbrauch abweicht. Und doch sind es diese Neuerer, die uns in unserem Beruf vorwärts bringen. Man kann sicherlich einwerfen und seine Behauptung mit zahllosen rühmlichen Namen belegen, daß es viele, ja sehr viele Gärtner von höchster Fortschrittlichkeit ge geben hat, die nie eine Gartenbauschule besucht haben. Das ist durchaus richtig! Dieser Einwurf geht aber von dem sehr großen Irrtum aus, daß eine gründliche fachwis senschaftliche Bildung nur durch Fachschulbesuch er reicht werde. Würde man einmal alle jene Leute, die ohne Fach schulbesuch Höchstes geleistet haben, fragen, wieso sie ohne solchen zu so hohem Range in unserer Wert schätzung gekommen sind, würde man immer von viel Studium in langen Winterabenden hören müssen. Sie haben unermüdlich an sich gearbeitet, um aus Fach werken, Büchern wissenschaftlicher Hilfsgebiete, Fach zeitschriften, sich jene wissenschaftlichen Grundlagen zu erwerben, die wir als notwendig zur Erreichung der höchsten Leistungsfähigkeit hingestellt haben. Man kann sich also recht wohl auch ohne Fachschulbesuch eine solche wis- s e n s c h a f 11 i c h e G r u n d1a g e erwerben! Aber das ist eine dornenvolle, unend lich mühselige Art! Das gesprochene Wort des Lehrers ist lebendig, ist viel einprägsamer, als der gleiche Gedankengang in der leblosen Druckschrift. Das gesprochene Wort ist mitteil samer, anregender, vielseitiger, und leichter, unendlich viel leichter geht das Wissen in dieser Form ein, als wenn das Wissen in der schwerer zugänglichen Form des Buch druckes aufgenommen werden soll. — Es gibt auch keine Rede und Gegenrede, keine Frage und willige Antwort, wie in der Fachschule, wenn Zweifel entstehen. Und dann: Wie schwer wird es d e m gemacht, sich eine wissen schaftliche Bildung anzueignen, der tagsüber in der Pra xis des Berufs sich müde gearbeitet hat. Es gehört weit mehr als Durchschnittstatkraft dazu, die wenigen Stun den nach Feierabend und die Sonntage dazu zu verwen den, noch aus Büchern zu lernen, wenn rings die Freunde und Berufsgenossen ausfliegen, ihre Freistunden zu ge nießen und sich zu erholen. Und endlich: Ohne sachkundigen Führer ist es ein Irrweg, den ein solcher strebsamer Gärtner zu begehen unternimmt, aus dem oft nur ein Zufall ihn nach vielen Wirrnissen in d e n Hafen, den er ersehnt, den einer guten fachwissenschaft lichen Bildung, gelangen läßt. Und dann ist er oft schon ein Mann der reiferen Jahre, so daß ihm das mühevoll er worbene Wissen-nur wenig Zinsen mehr trägt. Wer rät ihm beim Studium der Zeitschriften, die Spreu von dem Weizen zu sondern, da er noch nicht gelernt hat, Spreu und Weizen zu erkennen? Wer hilft ihm, die ge eigneten wissenschaftlichen Werke zu finden aus der Unzahl, die es gibt? Alles das und viel mehr noch bietet eine gute Fach schule! Und durch sie nicht nur einen Lehrer und Be rater, sondern je einen für jedes Sonderfach; sorgfältig ausgewählte Fachwerke und Zeitschriften in den Büche reien, musterhafte wissenschaftliche Institute und oft auch ausgedehnte Muster- und Versuchsgärtnereien zu Lehrzwecken. Viele der Lehrkräfte sind Fachleute von anerkanntem Rufe, ja von fachlicher Berühmtheit. Die wissenschaftliche Arbeit wird nicht erst in An griff genommen, nachdem der Körper durch mühselige Tagespraxis ermüdet ist; vielmehr geht der ausgeruhte Körper, der ausgeschlafene Kopf an die geistige Arbeit; Genossen, mit denen zusammen der Jungmann arbeitet, eifern sich wechselseitig bei ihrer wissenschaftlichen Ar- bei an; einer weiß dieses, ein anderer jenes, so daß sie einander belehren. Sind sie auch jung, so haben sie aus ihrer Lehrzeit und Tätigkeit als junge Gehilfen doch auch schon ihre gärtnerischen Erfahrungen, und an Hand der I Wissenschaft wird erörtert, was in der Praxis richtig und was falsch gemacht worden ist. So werden die junge Wis senschaft und die junge Praxis miteinander verbunden und durchgearbeitet; aus beiden wird ein Guß, und das ist das Richtige! Was die Theorie will, das ist: zu erklären, was und weshalb dieses und jenes die Praxis richtig oder falsch macht, weshalb diese oder jene Ar! der Behandlung günstig oder übel wirkt, zu zeigen, wie die Pflanze sich bei den verschiedenen Maßnahmen ver hält und welche richtig, welche fehlerhaft wirkt. Die Theorie lehrt nicht nur, wie es gemacht werden soll, son dern sie gibt dem Gärtner erst die Möglichkeit, die Zweckmäßigkeit aller seiner Maßregeln nachzuprüfen. Und weil Zweckmäßigkeit Geldgewinn ist, gibt es kein besseres Mittel, als eine gute fach- wissenschaftliche Ausbildung, um eine Gärtnerei auf den höchst en Stand der Ein träglichkeit zu heben! Es gibt nichts Dümmeres, als die oft gehörte Re densart: „Mein Vater ist ohne Hochschulbildung ein tüchtiger Gärtner gewesen; ich selbst bin nur ein ein facher praktischer Gärtner gewesen; trotzdem geht mein Geschäft gut. Weshalb soll mein Junge es besser haben? Ich will keinen Lackaffen und Glacehandschuhgärtner als Sohn!“ Sicher ist, daß mancher von den jungen Leuten, die, die Fachlehranstalt verlassen haben, ein Zieraffe gewor den ist. Das liegt aber nur an einem solchen Bengel sel ber, weil der Kern in ihm nicht gehaltvoll genug ist. Wäre er nicht auf die Fachlehranstalt gekommen, dann wären Dummheit, Hochmut, Dünkel, die bekanntlich alle au! einem Holz wachsen, an anderer Stelle zum Vorschein gekommen; denn solche Eigenschaften liegen viel zu tiel und sicher gebettet im Charakter des Menschen, um nicht eines Tages, wenn sonst in irgend einer Weise die Eitel keit wachgerufen wird, alles überwindend und über wuchernd an das Tageslicht zu kommen. Sind denn überhaupt die sonntäglichen und Feier- stunden-Glacehandschuhe etwas, das gegen den heiligen. Geist unserer Gärtnerei derart sündigt, daß man sie ver dammen muß? Ist es nicht vielmehr ein erfreulicher Gegensatz zu manchem alten „Praktiker“, der am Sonn tag mit ausgefransten Hosen, ungeputzten Schuhen und verknittertem Papierkragen in der nächsten Wirtschaft stundenlang Karten drischt? — Das ist ja gerade wieder einer der großen Vorzüge des Fachschulbesuches, daß die jungen Leute auch Gewandtheit und Manieren im Um gang mit ihresgleichen und Höheren lernen. Oder is die „Benehmität", die Sicherheit des Auftretens im Ver kehr mit den Kunden, nicht auch für den späteren Han delsgärtner ein Kapital von höchstem Werte? Es ist im \ Leben zwar sicherlich nicht ganz gerecht eingerichtet, ist nun aber einmal so, daß, wer seine Ware mit persön lichem Schliff und mit einem sauberen Kragen an bietet, stets zu günstigeren Preisen und Bedingungen, und häufiger Geschäfte abschließt als der, dem man Ver- legenheit und Ungewandtheit auf 10 m Entfernung an- sieht. Das aber ist ein weiterer großer Vorzug des Fach-