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Vunte Stunden Die Stunden gehn durch blühendes Gelände, und »reine Sehnsucht wandert mit — Im Lufthauch kosen weiche Frauenhände, mir ist, als ob der graue Alltag stände weit hinter meinem Schritt. H Blutbuchen seh ich dunkel träumend ragen aus Wiesen, die im Brautschmuck stehn — Die muntern Wasser an ein Mühlrad schlagen, die Welt ist wieder, wie in fernen Tagen, an Wundern reich und schön. Die Sehnsucht wandert durch die bunten Stunden, der hehrsten Eottesschönheit voll — Und wie erblühend sich dre Tage runden, verschließt ein Glück die roten Herzenswundcn, daraus das Leid mir quoll... Willi Lindner Seefahrt im Mebmeee Skizze von Heinz Steinrück-Wien Gerd stand am Strand. Der Mantel wehte im Wind. Scharf war die Brise aus Nord westen. Vor ihm lag die Nordsee, eine unge heuer, graue, leicht gewellte Fläche mit kleinen weißen Kämmen. Der Himmel war gelblich- weiß und trüb. Helgoland lag da irgendwo im Norden, tief unter der Kimm, und Wangeroog, das flache, im Westen, war nicht zu sehen. Ein grauroter Schlepper mit himmelhohem Schlot steuerte gegen Bremerhaven zurück, zwei Fisch kutter kreuzten nahe am Land. Prall standen ihre Segel, die Boote lagen schräg und nahmen Seespritzer über, es knallte in den Schothörnern. Auf der Weser weit unten heulte tief und ge waltig ein Dampfer. Gerd stand, ließ den Mantel wehen und starrte auf das atmende Meer. Auf sein Dran gen mar sein Vater mit ihm von Bremerhaven hierher gefahren, an das offene Meer. Er wollte das Meer sehen. Wieder das Meer sehen, wie einst vor vielen Jahren. Doch das lag weit zurück. Aber nicht das Nordmeer, das kalte. Das warme, blaue Südmeer. Sein Vater war Kommandant eines Hoch seebootes im Commer jenes Jahres gewesen, das den großen Krieg brachte. Im Mai war die Flottille aus dem Mittelmeer nach Pola gekom men. An einem Sonntag war sie eingelaufen, und nachmittags hatte die Kommandantenjolle auf seine Mutter und ihn gewartet und sie an Bord gebracht! Seine Mutter! In weißem Kleid hatte sie neben ihm gesessen und fröhlich gelacht. Das Lachen hatte sie im Kriege und nachher verlernt und dann, vor zwei Jahren, war der Mund verstummt. Gerd starrte auf das graue Meer. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Gerd wandte sich um. Sein Vater stand neben ihm und blickte ihn forschend ins Auge: „Nun?" fragte er — Gerd gab den Blick zurück: „Anders ist dies Meer, Vater, ganz anders. Ich ..." — „Bleibst Du bei Deinem Wunsch?" — Gerd blickte wieder auf das Meer, ein tiefer Atemzug hob ihm die Brust. „Ja, Vater." — Sie ver stummten. Der Mann im Erauhaar, mit müdem, zer furchten Gesicht stand neben seinem einzigen Sohn und blickte wie dieser hinaus auf die weite See. Ein Jahrzehnt fast hatte er sie nicht ge sehen. Damals war Krieg gewesen. Nachtan griffe. „Torpedoboote vor!" Singender Funk ruf wies zum lockenden Spiel, Leben um Leben! Mit höchster Fahrt, ungeheure schwarze Rauch ballen aus glühenden Schloten, eilten die Stahl boote vor, hinaus in Feuerluv, in den grellen Scheinwerserschein des Feindes — und dann glitten die Torpedos in die See, eilig und ge räuschlos, pochten mit starker Faust an feindliche Schiffswand. Viele solcher schwarzen Nächte war er als Herr gefahren über die schlafende See. Bis das Ende kam. Gestrichen die ^otweiß- rote Flagge, verschenkt die Flotte an den Süd slawenstaat, statt sie zu versenken, zu vernichten, und Flucht, ja, Flucht war es gewesen, aus dem Kriegshafen nach Hause. Frau und Kind waren schon lange im Norden, in Sicherheit. Aber die kleine Villa in der verträumten Hafenbucht, die ward geplündert. Vier Tage fuhr er im Last zug nach Hause, zweimal von bewaffneten Ban den ausgeraubt. Er preßte die Lippen zusam men, er sah das Bild auf dem Bahnhof zu Lai bach: der lustige kleine Wiener Schiffsjunge, der sich vorwitzig aus dem Wagen gebeugt hatte und leblos zurücksnnk, die Kugel in der Stirn. Und dann: fast mittellos in der Großstadt, das Schicksal von Zehntausenden, deren Beruf zwecklos, überflüssig geworden war. Zu klein das Ruhegehalt, im entwerteten Geld, um da von zu leben. Gänge von einem zum andern, auf immer dünner werdenden Sohlen, heißer Wille zur Arbeit, ohne sie zu erhalten, der Be ruf, jener Beruf, zehn, zwanzig Berufe und zu keinem sich berufen fühlen nnd keiner, der dauernd Brot geben konnte, ihm, der Fran, dem Kind. Als Platzvertreter für Patentknöpse, als Uebersetzer aus fremden Sprachen, als Fremden führer hatte er sich durchgeschlagen. Er war zähe, zäher als seine Frau. Gerd hatte die Schule beendet, und kein Platz war in dem Kleinstaat für die Söhne des Vol kes, in dem Staat mit erzwungener Unabhängig keit. Den Sohn hatte dieselbe Sehnsucht gepackt wie einst, vor dreißig Jahren, den Vater. Wo aber war das Meer, das er befahren konnte? Nur eines gab es noch, seitdem der Staat zerfal len war: das deutsche Nordmeer. Nicht wie einst der Vater als sorgenloser Seekadett, als Schiffs junge mußte Gerd das neue Leben beginnen, im gleichen Alter, das der Vater hatte, als er seine erste Neise über See antrat. Der grauhaarige Mann fröstelte und schloß die Augen. Einst —! Die Fahrt im Weltmeer: wunsch los dahinzugleiten aus dem ewigen Meer, dc^s in tiefdunkler Bläue das lachende Sonnenauge tau sendfältig widerspiegelte, im Passat, wenn die weißen Wolkenballen hoch oben schwammen in abenteuerlichen Gestalten und das Schiff sich sanft hob und wiegend senkte. Auf dem Vor steven liegen und hinunterblicken in die See, wie wundervoll war dies für blanke Knabenaugen! Die am Bug leise aufrauschenden Wellen schim merten dunkelblau, glasiggrün und weiß, Spring strahlen zischten auf und benetzten den übermüti gen Jungen, Möven umflogen kreischend das Schiff . . . „Horch, Vater, wie die Secvögcl häßlich schreien!" Der Blick des grauhaarigen Mannes kehrte aus Weltenweite zurück aus die weißen Vögel, die die Weser entlang flogen. Die Brise frischte. Wellenkämme leckten den Dünensand. „Willst du noch immer, mein Junge?" fragte der Mann gepreßten Herzens den Knaben. Der aber stand und starrte atemlos den Fluß hinab, auf dem in langsamer Fahrt ein gewaltiger Dampfer heranjchwamm, von dessen Gassel die deutsche Flagge wehte. „Ich will, Vater!" rief er, „ich will! Auch wenn das Meer kalt ist, wie du sagst, und nicht so schön wie jenes, auf dem du lebtest, es ist das einzige für uns. Mag es kalt sein, wir werden kräftiger werden auf ihm: And wir müssen stark sein für Deutschlands Zu kunft." Der Mann griff mit zitternder Rechte nach des Jungen Hand. „Schwer ist es mir, dich, mein Letztes, gehen zu lassen. Doch du willst es, und ich verstehe dich. Komm." Sie verließen Hand in Hand den Strand. Der Junge blickte manch mal über die Schulter und sah dem Dampfer nach, dessen Umrisse mählich im Grau des Abend dunkels verschwamme». Dann blitzte ein Leucht feuer auf und warf Blinke über Land und See. Wie ein feuriger Riesenfinger glitt der Licht strahl über die ausschäumenden Wogen. „Rotersand ist angezündet!" rief der Junge. Sein Vater nickte schweigend und blickte auf den breiten Strom, der aus Deutschlands Herzen kam, den einzigen, der noch deutsch war von der Quelle bis zum Meer, wandte sich und sah auf den Dampfer, dessen Lichter aufglünzten wie von einer schwimmenden Stadt. Es wird doch wie der Sonne sein über Deutschland, dachte er und drückte fest seines Sohnes Hand. Mslsdis» Ler MiMsdt Von Konrad Haumann Alte Kleinstädte sind lieb und verschlafen, wie rosige Mägdelein „dreiviertel Stund' vor Tag". Sie sind voll Dämmerseligkeit und verträumter Traulichkeit. Stecken voller verstaubter Mond nachtmärchen, die auf den steilhohen Spitzgiebel böden spuken und voller Geschichten aus lüngst- vergangenen Tagen. Sangen dir die Kleinstadtgassen schon ihre Lieder? Denn durch die krummen Holpergassen springt trällernd das Volkslied wie eine rot wangige Bauerndirn mit fliegenden Nöcken. Und den fremdem Wandersmann, der durch solch altes Städtchen schreitet, überkommt ein Erinnern. Alle Weisen wundersam erklingen ihm, bunte Gestalten aus längst vergangenen Tagen tauchen traumhaft vor ihm auf. Träume aus Jugend lagen umschweben ihn voll lichter Seligkeit. Ver sonnen lauscht er dem fröhlichen Ringelreihen sang, mit dem ihn kleine Mädchen umtanzcn. Bis der Wind den Sang zerpflückt und verweht. Vergnügt folgt er dem schwarzbraunen BUrger- mädchen, das vor ihm durch die Gassen trippelt, ein Lächeln im Antlitz. Von allen Mädchen so blink und so blank, ist's nicht die Lore vorm Tore? Tief auf rauschen die alten Linden über dem alten sprudelnden Brunnen. Rauschen, wie weh- mutvoll von vergangener Zeiten Freud' und Leide. Aber am Gasthof zum Lindenbaum stiebt schneeiger Lindenblütenblust bange Süße ins Herz: Angetan hats mir dein Wein Dei. er Aeuglein Heller Schein. Lindenwirtin du junge, Lindenwirtin du junge. Und im schönsten Wiesengrunde das 5/rus mit dem braunroten Eiebeloach sinnt über fcknen Liedern von Blumen und Lenzanmut. Aller orten in den verschwiegenen Gassen singt's und! klingt's. Weisen von Minne und himmelblauer! Treue, von Trog nnd Sehnsucht, von Lenz und Maien und Sonnenschein. Und wenn Matthias Elaudius still und fein durch die abendlichen Gassen gewandelt ist und die funkelnden Sterne nnd den runden, goldenen Mond angezttndet hat, klingt des Posthorns wehmütige Melodei traumhaft durch die silberne Maiennacht. Von trappsenden Schritten erwacht am Mor gen die Kleinstadt. Hell und fromm zieht Choralgesang durch die Morgenfrühe nnd dann stapfen eilig scherfleinheischende Kurrendebuben zum nächsten Honoratwrenhaus. Von fernher aus der Zeit der Mönche erhallt geistlicher Ge sänge monotoner Rhvthmus, mit bunten Kirchen fahnen und süßem Weihrauchduft mystisch ver woben. Fürstenfanfaren schmettern hell und scharf, schwatzen Hofgeschichten aus Serenismus' gnädiger Zeit im Städtchen. Um die efeuum, sponnene Stadtmauer klagen blutrote Weisen von Krieg und Tod. Dumpfer Trommelklang wirbelt tapfere Kriegshistorien auf. Verderben speiende Geschütze brüllen und toben. Trompeten blasen zum Sturm. Feuerglocken wimmern ängstlich auf. Da — ruft ein Fink zärtlich wer bend seine Finkenfrau auf der Stadtmauer und sanfter Kleinstadtfriede weilt wieder wie vor dem im kleinen Städtchen... Bald kichernd, bald schalkhaft lachend, bald wehmütig versonnen klingen die Kleinstadt melodien in den hochbegiebelten Gassen. Klin gen voll Sehnsucht und Süße, wehklagend und mahnend, plaudern aus Städtchens verklunge nen Tagen. Und, wenn ich Eichendorff wär oder gar Franz Schubert, die bunten Weisen sollten bald zwischen schwarzen Notenzeilen oder in zierlich- Verse geschmiedet sein. Rundfunk-EÄe Sonnabend, 3V. April Leipzig Welle 365,8 — Dresden Welle 294 Vorm. 10.00: Börse. — 10.05: Verkehr, Wet terbericht. — 10.20: Tagesprogramm. — 10.25: Tagesnachrichtcn. — 11.45: Wetterbericht. — 12.00: Miltagsmusik. — 12.50: Reklame. — 12.55: Zeitangabe. — 13.15: Tagesnachrichten, Börse. — 13.30: Reklame. — 14.45, 15.25, 16.00 nnd 16.08: Börse. — 17.15> Reklame. Verkehr (außer Dienstag, Mittwoch Sonnabend). — 18.00: Börse (außer Sonnabend). 15.00 Deutsche Welle, Berlin. Französisch" sür Anfänger. — 15.35: Esperanto. 19.30 Nachmittagskonzert der Dresdner Funk- hauska pelle. 18.00 Funkbnst'Ustunde. 18.15 Walter Großmann vom Gewerkschafts bund der Angestellten: Aus der Praxis des Arbeiterrechts. 18.30 Funkschach. Bundesspielleiter G. Gerlach: Der Bericht vom internationalen Eroß- turnier in Berlin. 19.00 Die Gasfernversorgung. Ing. K. Dinger: Die schwebenden Riesenprojekte. 19.30 Eespensterglaube in der Dichtung. Dr. Fritz Schönweriver: Gespenster und Ro mantik. 20.00 Wettcrvorausansage und Zeitangabe. 20.15 Halloh! Funkrevuc! 22.00 Pressebericht und Sportfunk. 22.15 Tanzmusik. Königswusterhausen Welle 1250 3.00: Französisch. — 3.30: Esperanto. — 4.00: Dr. Mell: Chinesische Jugend und chinesische Schulen. — 4.30: Prof. Dr. Lampe: Das Neueste aus der Zeitschriftenliteratur. — 5.00: Staats sekretär Prof. Dr. A. Müller: Die Verwaltungs reform als Nationalisierungsproblein. — 5.30: Walter Maschke: Der jugendliche Arbeiter. — 6.00: Prof. Dr. Bieberbach: Zum 150. Geburts tage von Gauß. — 6.30: Wissenschaftlicher Vortrag sür Tierärzte. — 6.55: Dr. Heinitz, Ham burg: Wettstreit berühmter und unbcrühmter Sänger und Violinisten. — Ab 8.30: Uebertra- gung aus Berlin: Lustiger Wochcnschlnß unter Mitwirkung emes italienisch-spanischen Origi- nal-Mandolinen-Orchesters. — 10.00: Bekannt gabe der neuesten Tagesnachrichten. — 10.30: Tanzmusik. fMMn-Lkrrügs SU» nsusn «srisrtsn edsviot» »o«I« Ssbsrckinsn in mocksrnon «W i ein- und r«side«idlssn roemsn We ^82.-78.- 67.- 46.- 32-H m.I«n»«r No», Sessel,«« ock. Knle«sedoe«»e In M W nsusn rorn,«n,»ll»t«v»Id»t1ss- M mustert, edsviot» u. Vdlpeorck» M ^83.-78.-65.-43.-36.-^ M In Paletot- sU WA und UI»tsrlormsn nsus»ter Lei, " M »u» sutsn »trsparlsrtSdissn Stötten, vorriislied Vorsrdsitst X«. W.-u es.- sr. «. Ls TR, LummiUsntel HWü lrsxlsn und Ulslertorm, vr»t«l. 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