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Dicht neben sie ins Buschwerk hat es ein Sänger gebaut. Vier kleine, nackte Junge sperren die Schnäbel auf und piepsen vor Hunger und Angst. Und oben auf dem Lebensbaum an der Sandüemmauer sitzt die Mutter, die bangt um die Kinder. Ebba fühlt, wie das Leben nach ihr greift und Pflichten sich vor sie hinstellen. Und in ihr erwacht das Wollen. Auf dem Nachhauseweg ist sie dm Eltern um emen Schritt voraus. Sie ringt mit sich selbst. Und zu Hause Hörl sie plötzlich ihre Stimme sprechen fremd und wir auS einer großen Entfernung: ,Hch kann nicht bei euch bleiben. Draußen ist das Leben!" Sie sieht die bestürzten Gesich ter der Eltern, und hört die trostlose StimmederMut- ter: . So hast du unserenEberhardi am Ende gar nicht wirklich lieb ge habt?" Die junge Frau ist erschüttert. Sie streichelt der Mutter das ergrauende Haar und sagt wie in einem Gelöbnis: „Ich habe Eberhardt geliebt wie ich überhaupt nur lieben kann. Ich liebe ihn noch und werde ihn für Zeit und Ewigkeit lieben/ „Dann wäre es doch das Natürlichste, du bliebest bei uns, und bei seiner Erinnerungsstätte/' gab die ältere Frau hilflos zurück. „Was ilt mir denn dies« Erinnerungsstätte? Ich trage seine Erinnerungsstätte in mir, und ich halte sic heilig. Er Hal gekämpft — ich will es auch! Als mich da draußen der FrühlmgSsturm faßte, spürte ich Kampf und Sturm in meinem Blute. Und als ich die junge Vogelbrut auf dem Grabe sah, wußte ich, daß tatloseS Trauern langsames Sterben und eine Versündigung am Leben ist/' Ebba wußte auch das. Nun nur noch em kleiner Kamps, und die beiden Alten würden bejahend nicken und würden ihr den Weg nicht sperren in das heilige Leben mit seiner Ueberfülle an Kampf, Anspannung und wundervollen Pflichten. Und Ebba wußte weiter: Der Tag würde ein Ostern gebären mit einem seligen Auf- crsithen aus Kummer und Tatenlosigkeit, hinauf/' ie Osterglocken begannen gerade zum erstenmal zur Küche zu läuten, als Frau EbbaGrotiuS an demErmnerungSkranze für ihren gefallenen Gatten daS letzte Sträußchen festmachte, und als sie zum zweitenmal läuteten, trat sie mit ihren Schwiegereltern aus dem HauS. DaS Grotiuesche Erbbegräbnis war das vor nehmste des ganzen Friedhofes. Links die Eltern gräber des Gehermrates, rechts die beiden reser vierten Plätze für ihn und seine Frau, in der Mitte das für den Einzigen. In den Sandstein em- gelasscn war die bronzene Erinnerungstafel für den ge fallenen Heiden sohn. Ein scharf- geschnittenesPro- fil unter der Flie- gerkappe; unten Namen und Da tum; als einzige Inschrift nur daS Wort: Hinauf! Drunter, gleich sam als Schluß strich, rin paar Propeller. Ebba nahm den Kranz und hängte ihn an den Vor sprung der Plat tenumrahmung. Und während die Eltern noch im wortlosen Schmerz vor dem Bild« ihres Sohnes standen, gingen ihre eigenen Blick« hinauf zu dem Aprilhimmel, an dem sich di« grauen Wolken jagten, zusammcnballten und wieder wie im Haß auscinanderflüchteten, in einem Spiel verborgener Kräfte, die nach einem Ziel suchten. Immer weiter wichen sie zurück, immer größer wurde das milchweiße Rund in ihrer Mitte, immer lichter und glänzender. Ebba sah in die Helle mit ungcblendetcn Augen, ein Seufzer hob ihre Brust. Kampf und Streu überall, und daS Regrn unbändiger Kräfte. Nur sie allein lebt dahin in dem Kult einer ewiggleicheu Trauer. Da fühlte sie ihre Hand zärtlich von der ihres Schwiegervaters ergriffen: „Mein armes Kind, wir feiern hier Ostern. Der Tod ist der Stärkere, aber versuche es nun doch einmal, dich mit dein Leden abzufinden/' Nein, denkt Ebba, daS Stärkste bleibt das Leben! Und um nicht antworten zu müssen,bückt sie sich.em oem Kranz« entfallenes Blümchen auszubeben. Dabei sicht sie zur Seite und sieht ein Vogelnest. Ore seHy^errs^err Fesse/rr Eine Ostergeschichte vonClaraBlüthgen.