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khombt mir daS sterben for, das mir m't die Augen , naß werden, geschrieben um 5 Uer in der Frue. Und um 9 Uer Reiß ich mit der hilf aller heilig zu Gott." Seltsamer Zufall mag eö gewesen sein, der die nachfolgenden Männer von vielen Graden noch in der letzten Minute ihrem ureigenstes Element näherbrachte. So verschied der Physiker Newton z. B. als er seine Uhr aufzog. Bayle, der bekannte Kritiker, lag im Sterben, ' als ein Mann aus der Druckerei einen Korrektur bogen abholcn sollte Der Kritiker deutete in die Richtung, wo der Bogen lag — und starb. Allein die lange Reihe dieser außergewöhnlichen Persönlichkeiten wäre nur halb, wollte ich nicht auch noch anderen Erwähnung tun. Ich denke an jene Männer, die sich mit Witz und Humor und auch oft unfreiwilliger Komik verabschiedeten. Sehr stilrein, wie ich fast sagen möchte, mit einem Schuß Spleen vielleicht, ging Lord Chesterfield von hinnen. Der Lord war ein Mann von besonders feinen Umgangsformen und verschied, während er dem Diener Befehl gab, dem einlretendcn Freund einen Stuhl zu bringen. Aber was unfreiwilligen Humor aus dem Sterbe lager betrifft, so schoß der famose Professor Dr. Ploetz den Vogel ab. Der hatte nämlich Freunde und Schüler um sich versammelt und glaubte selbst in der lebten Sekunde noch recht belehrend wirken zu müßen. Er flüsterte: „O, Freunde, ich sterbe, fe meurS. Man kann indessen auch sagen: fe me meurs. — Beides ist richtig." Und damit ging er hinüber. Kaltblütig, von grinsender Ironie zeigte sich der berühmte Lexikograph W. Pape. Der lachte die rat- losen Jünger des Asklepios diabolisch-jovial an und sagte: „Ich weiß: hundert Erscheinungen im Verlaufe meiner Krankheit sprechen für meine Gesundung und doch, meine Herren, werde ich an diesen hundert guten Symptomen sterben!" Seinen unbezwinglichen Witz bewahrte sich auch E. T. A. Hoffmann. (Der „Gespensterhoffmann", wie jüngst ein Kinotheater ankündiqte). Dem Mei- ster phantastischer Spukgeschichten batte man vor wenigen Stunden durch Brennen am Rückenmark neue Lebensregung zu verschaffen versucht, als ihn Freund Hitzig besuchte. „Nun, riechen Sie den Braten?", sagte da E. T. A. und lächelte. Am darauffolgenden Mor- gen starb er. Heine, der geniale Spötter, darf hier gleichfalls nicht fehlen. Er erlebte sein letztes Liebesabenteuer s auf dem Krankenlager. Die Auserkorene war ein hübsches, kluges Mädchen, das er m seinen Ge dichten „Mouche" nannte Mck bitterer, lelbst- zerfleiscdender Ironie betrachtet er darin die bizarre Stellung des kranken Liebhabers auf Abstand. Und doch zählen gerade diese Episteln zu dem Innerlichsten, was der gequälte Mann aus der Rue d'Amsterdam in dieser Zeit geschrieben hat. Der geniale Poet verschied in einer Atmosphäre von Selbstverhöhnung und Pessimismus. Auf die Frage eines Freundes, ob er sich denn mit Gott verlohnt habe, sagte er lächelnd: „Gott wird mir verleihen, c'est wn melier!" Humor in höchster Potenz-Ga'genhumor zeigte der bekannte Seefahrer,Walter Raleigh. Zum Schafott geführt, betrachtete er das blitzende Beil mit nach denklichen Augen und sprach zum Henker: „Das ist eine scharfe Medizin, die für alle Uebel gut ist!" Vor Jahren war es allgemein bekannt, daß Pari ser Polizeibeamte sich aus der Haut des Hingerichteten Mörders Pranzini Visitenkartentäsckchen macken ließen. Kurze Zeit daraus wurde ein in Air zum Tode Verurteilter um seine letzte Bitte gefragt. Der sagte: „Falls nach meinem Tode Visitenkartentäschchcn aus meiner Haut gemacht werden sollten, bitte ich um Goldschnitt." Den ungeheuersten Witz angesichts des Todes aber leistete sich der Tambour eines preußischen Regiments. Er hatte nach der Zersprengung der preußischen Armee bei Jena ein Gewehr requiriert, mit dem er den Krieg gegen die Franzosen aus eigene Rechnung und Gefahr fortseste. Es währte natürlich nicht lange, da stand der Tambour vor einem Detachement Franzosen, das ihn vom Leben zum Tode befördern sollte. Der küble Junge bat sich eine Gnade aus, zog die Hose ab, und bat, doch qefl. in den . . . zu schießen, damit das Fell kein Loch bekäme. Ins Schwarze aber traf, wenn der bekannte Spaßvogel R. recht berichtet, der Tote von Marig- nac, Nikita, der König von Montenegro. Cs ist bekannt, daß S. M. in Vorkriegszeiten an chronischer Eeldkalamität litten. Um nun von Zeit zu Zeit diesem Uebel abzubelfen, sandte S M. einen Getreuen auf österreichischen Boden, nach Ra gusa, und überwies an diesen unentwegt Postanwei sungen, die natürlich nie vom montenegrinischen Post amt reguliert wurden. Und nun, als Herr Nikita sich zur großen Reise in höhere Gefilde anschickle und gewiß seine bankerotte Politik mit traurigen Augen betrachtete, da soll der König noch einmal geseufzt und sodann gesagt haben: „Alles war eitel, nur die k. k. Postanweisung nicht!"