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Hohenstein Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger 15. Fortsetzung. Mit einem schweren Seufzer lieg Hilde diesen Brief sinken. Was alles hatte sie aus diesen Zeilen gelesen! Ihr Herz füllte sich mit Kümmernis und zugleich m-t Sehn sucht nach ihrem Helgendorf. Geraoe setzt zur Frühjahrs zeit mutzte es io schön dort sein, wo Pärt und Wald im Maienjchmuck prangten, wo Beilchen und Maiglöckchen blühten und dufteten und das frische Erdreich io kräftig roch. Es zog sie gewaltsam hin, aber sie drängte ihre Sehnsucht zurück Koch durfte sie nicht Herm, noch stand sie mitten im Kampf und mutzte die Entscheidung abwarten. Eine vage Hoffnung beseelte sie, aber es war eben nur eine Hoffnung. Spangenheims waren diesmal früher als sonst in ihre Doiortsvilla gezogen Tas herrliche Welter hatte sie dazu verlockt. ' Hans Weiner war deshalb längere Zeit nicht mit der Familie in Berührung gekommen. Von Tag zu Tag hoffte er auf eine Einladung, aber vergeblich. Endlich hielt er es vor Sehnsucht nicht mehr länger aus. Der Winter hatte die zarte» Bande, die sich um fein Herz geschlungen hatten, fester geknüpft. Immer liebreizender und begehrenswerter erschien ihm Edith Spangenheim, und welche Kämpfe er auch gegen sich selbst und seine Wün sche ausgesuchten hatte, er war darin unterlegen. Er sah in ihr bas Weib, das ihm bestimmt war. und an diesem Weibe hing ei mit Treue und Hingabe Toch noch immer hatte er das entscheidende Wort nicht sprechen können. Ihre wechselnde Laune machte ihn unsicher Machte sie ihm in einem Augenblick die weitgehendsten Hoffnungen, so wur den sie im nächsten durch ihre abweisende Kühle wieder vernichtet. Er schwankte somit unablässig zwischen Hoffen und Zweifeln, und dadurch kam das Unruhige in sein Wesen, das seiner Schwester aufgefallen war, und das sie doch richtig zu deuten gewußt hatte Für sein Werk, daran er arbeitete, war diese Stim mung ebenfalls nicht von Nutzen, und er fühlte, datz dieser haltlose Zustand ein Ende nehmen mutzte, damit er wieder zu der gewohnten Tat- und Spannkraft kommen konnte. Es war ein herrlicher Frühlingstag, als er sich ohne weiteres aufmachte, um zu Spangenheims zu fahren. Dort wollte er Ediths habhaft zu werden juchen und mit Energie das Entweder — Kider verlangen. Dom Bahnhof aus ging er bis zum Walde an besten Rand die Villa lag. Vorsichtig lugte er durch den Zaun in den Garten ob er nicht ihr Helles Kleid erspähen könne. Sein Kommen galt diesmal ihr allein, und er mutzte sie ohne Zeugen sprechen. Plötzlich vernahm er ein leises Lachen hinter sich Wie elektrisiert wandte er den Kops und gewahrte Edith am Rande des Waldes zwischen den Bäumen stehen. „Edith!" rief er voll freudigster Ueberraschung, und war mit wenigen Schritten an ihrer Seite. Nun standen 1 (Nachdruck verboten.) sie beide allein im einsamen Walde. Kein Laut ließ sich weit und breit vernehmen, eine friedliche Stille herrschte ringsumher. Da ergriff er ihre Hände, kützte sie, preßte sie an sein Hochklopsendes Herz, und nannte ihren Namen, in den zärtlichsten Tönen. Sie wehrte ihm nicht, sie lieh es ge schehen. Vielleicht war sie zu überrascht von seinem stür mischen Wesen, vielleicht auch wollte sie diese Stunde, die ihre junge Brust mit wonnigen Gefühlen erfüllte, aus kosten. . „Edith — heute kein Spiel, sondern die Wahrheit! Ich ertrage die Ungewißheit nicht länger," sagt« er mit gedämpfter und von Leidenschaft bebender Stimme. Sie erblaßte jäh und warf einen, schnellen Blick nach der Villa hinüber. Dann trat sie einige Schritt« tiefer in den Wald hinein. Er folgte ihr beklommenen Herzens. „Edith — ein — Wort nur " Da wandte sie sich blitzschnell. In ihren Augen lag ein zärtlicher Ausdruck. „Tor — lieber einziger Tor!" sagte sie leise, ohne den Blick von ihm zu wenden. „Edith — Geliebte!" Im nächsten Augenblick lag sie an seiner Brust, und seine Lippen preßten sich fest auf die ihren. Ein Rausch hielt sie beide umfangen, ein wonnetrunkener Rausch. Plötzlich ein Ruf von der Villa her. Erschreckt fuhren sie auseinander. Angst und Verwirrung prägte sich in Ediths Zügen aus. „Papa,rief mich — gehen Sie schnell fort — er darf nichts merken." Befremdet sah Hans Werner sie an. „Nichts merken?' Edith, ich will ihn doch gerade bitten " „Um Eotteswillen — nur heute nicht — ich bitte, ich beschwöre Sie —aber so gehen Sie doch! — Mein Himmel, nun ist es zu spät — er hat Sie bereits erkannt. Sagen Cie ihm. wir hätten uns soeben erst getroffen." Ehe Hans Werner noch Zeit fand, nach einer Erklärung für diese sonderbare Angst und Aufregung zu juchen, war der alte Spantzenheim ihnen auf Hörweite entgegengekom- men. Edith rief ihm lachend zu daß sie den „Herrn Ba ron" soeben abgefaßt habe Tas klang io harmlos und glaubwürdig, datz Spangenheim an der Wahrheit auch nicht zu zweifeln schien. Nur ein kurzer, scharfer Blick musterte das Paar, dann streckte er Hans Werner jovial die Hand entgegen. „Freue mich außerordentlich, lieber Baroa. — Sie kommen mir sozusagen wie gerufen, denn soeben wollte ich per Auto in die Stadt, um etwas Wichtiges mit Ihnen zu besprechen."