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i8. Fortsetzung. Still jetzle sie sich an seine Seite. „Wie gehl es dir, mein guter Iunge?"„ Keine Antwort Kurt beachtete die Gräfin nicht. „Kennst du mich nicht mehr?" „Das ist Blut," sagte er leise, indem er den milchigen Pflanzcnsaft mit den Fingern langsam aus dem Stengel hcrauszog, „dickes, herrliches Herzblut." Die Gräfin atmete schwer wie in unmöglicher Ueber- Windung eines tiefempfundenen Wehs auf. Der Arzt näherte sich. „Bester Doktor," sagte sie zu ihm, „Sie haben doch so viel Erfahrungen. Ist denn hier keine Rettung möglich? Keine Mittel will ich scheuen, um ihm das Leben zurück zugeben" „Es gibt Grenzen für die Macht des Geldes, Erlaucht," sagte der junge, deutsche Irrenarzt. „Ja," stimmte die Gräfin leise zu, „das ist wahr." „Und auch Grenzen für unsere Wissenschaft. Glauben Sic mir, wir werden nichts unversucht lassen, dem Unglück lichen zu helfen. Aber —" „Gut. Das genügt mir. Ich weiß ihn hier in besten Händen. Und deshalb kann ich auch beruhigt auf einige Zeit nach Paris reisen, wo ich wichtige Geschäfte zu er ledigen habe Ich möchte ein Konto bei einer Neuyorker Bank einrichten, über das Sie, Herr Doktor, im Interesse des Kranken verfügen können." „Das ist wohl kaum nötig, Erlaucht. Die Turmhaus- gesellschaft hat uns jeden Betrag zu seiner Verpflegung und Heilung bereitgestellt." „Immerhin. Ich bitte Sie, meinen Vorschlag anzu nehmen." „Wann gedenken Erlaucht zurückzukehren?" „Das kann ich jetzt noch nicht sagen Möglich, daß ein halbes Jahr darüber vergeht. Ich werde die Reise gleich zeitig dazu benutzen, meine deutschen Obliegenheiten zu regeln." Kurt hatte weder die Gräfin noch den Arzt beachtet Jetzt erhob er sich und trat, die zerpflückte Blume in der offenen Hand, an den nahe vorbeigehenden Drahtzaun. Einzeln warf er die Teilchen durch die Maschen. Serra trat zu dem Kranken und reichte ihm die Hand „Ich will für kurze Zeit von dir Abschied nehmen, Kurt. Auf Wiedersehen." Kurt drehte sich zur Gräfin, sah sie wie eine Fremde an und schickte sich an. in die ihm entgegengeslreckte Hand ein Blumenteilchen zu legen Doch wie ich eines besseren besinnend, schleuderte er es, fast ärgerlich, ebenfalls üb« Sen Zaun und wandte sich kurz von Serra fort. Das war der Abschied. (Nachdruck verboten.) Aber auch Lore ließ kaum einen Tag vorübergehen, ohne den Kranken zu besuchen. Zuerst kam sie in Werner» Gesellschaft, in letzter Zeit meist allein. Sie sprach fast nichts zu Kurt, setzte sich still neben ihn und nahm seine Hand in die ihre. Dann kam es wohl vor, daß sich ihre Augen mit Trän«, füllten, daß sie das scharfe Profil des Kranken wie rin schönes Bild betrachtete, das die Züge eines lieben Ver storbenen erkennen ließ. Seine Neigung, sich mit Blumen zu beschäftigen, ver anlaßte sie, ihm die kostbarsten Sträuße mitzubringen, denen er aber keine Beachtung schenkte. Nur mit den Pflanzen beschäftigte er sich, die er selbst im Grase pflückte. Lore hatte beschlossen, im Hochsommer einen Badeort aufzusuchen. Ihre Bitte an den Anstaltsdirektor, dem Kranken in Begleitung eines Pflegers die Reise dorthin zu gestatten, wurde zunächst abschlägig beschieden. Endlich jedoch gab der leitende Arzt seine Einwilligung. Es lollte jedoch ein Umstand eintreten, der Lores wohl gemeinte Fürsorge unmöglich machte. Als sie eines Tages wieder erschien, um dem Kranken für kurze Zeit Gesellschaft zu leisten, wurde sie vom Direktor mit nicht geringer Bestürzung empfangen. „Mein Gott," sagte sie in tiefstem Erschrecken, „ist ein Unglück geschehen?" „Man kann es wohl so nennen." „Ist er tot?" „Seit gestern abend ist er verschwunden. Wir haben dir ganze Gegend absuchen lasten, ohne ihn zu finden." „Aber das ist doch unmöglich," rang Lore di« Hände mit dem Ausdruck höchster Verzweiflung. „Sie müssen ihn finden Er kommt sonst um." „Ich habe die Polizeistellen der umliegenden Ortschaf ten benachrichtigt. Sicher wird man ihn irgendwo aus- greifen." „Wie hat das nur geschehen können?" „Gestern abend ging er nach seiner Gewohnheit durch den Garten und pflückte Blumen Das in den Wald füh rende Tor war geöffnet, da die Milchwagen von der Stadt erwartet wurden. Niemandem siel es auf, daß der Herr Doktor den Garten durch dieses Tor verließ. Von dem Führer der bald eintreffenden Wagen erfuhren wir später daß sie in der Nähe eines kleinen Tümpel», mitten >m Walde einen Mann beobachtet hätten, der eifrig Kräuter suchte. Nach der Beschreibung muß es der Doktor gewesen sein Unsere sofort eingesetzten Nachforschungen sind aber bis jetzt ergebnislos verlaufen." „Es darf kein Mittel unversucht bleiben ihn hierher zurückzuführen." „Verlasten Sie sich darauf, gnädiges Fräulein. Wir werden ihn finden."