Volltext Seite (XML)
zu beschließen, und glauben Sie mir, mein lieber Jules, Ihr Gerede von Bärten und der Schweiz ist Gewäsch; denn man würde uns dort finden und uns hierher zurück- schleppen. — Wir können nur überführt werden, wenn meine Briefe an Henry nicht vernichtet sind, — ich ver mute aber, daß sie's sind." Sie sahen sich an. „Gut," sagte Bilet nach einer Weile, „ich bin zu Ihrer Verfügung." ^"nf dem Dampfer, der am folgenden Nachmittag von Dover nach Ostende abfuhr, befand sich eine sehr glückliche kleine Gesellschaft, die aus drei Personen be stand. — Bubi, der stolze Träger seiner ersten Depeschen, wäre nie von selbst auf die Idee gekommen, Gwenda Maynard und ihre Gesellschafterin einzuladen, ihn zu begleiten, aber als er in das Zimmer seines Chefs ging, um das hochwichtige Päckchen zu holen, hatte Sir John Welson ihm folgenden Vorschlag gemacht: „Sie brauchen sich nicht zurückzubeeilen, Lord Pelborough," sagte er, „wir können Sie zwei oder drei Tage entbehren. Warum nehmen Sie nicht Ihre Schwester mit, die hübsche Dame, mit der ich Sie neulich die Piccadillystraße hinunter gehen sah?" „Das war nicht meine Schwester, Herr Baron," stammelte Bubi, der über und über rot geworden war, „und außerdem, wenn ich dienstlich " „Darüber können Sie ganz ruhig sein," meinte Sir John lächelnd, „folgen Sie nur meinem Nat und nehmen Sie Ihre Schwester oder Tante, oder wer die Dame war, mit. Brüssel wird Ihnen sehr gefallen." Es ist sonst nicht üblich, Laß der Leiter einer staat lichen Behörde solche Ratschläge erteilt, aber Sir John Welson hatte durch Mansar Näheres über den jungen Mann erfahren. Er hatte zwar in den Zeitungen von dem Verflcherungsangestellten, der einen hohen Titel, aber keine Mittel geerbt hatte, gelesen, aber so nebenbei; jetzt je doch begann er sich für Bubi zu interessieren. - Er zerbrach sich den Kops darüber, was man für den mittellosen Marquis tun könnte, und nicht nur er, sondern auch Sir Johns Chef, der Minister des Äußern, der von der Angelegenheit gehört hatte. In vollkommener Unkenntnis sowohl seiner zuneh menden Berühmtheit als auch des Kopfzerbrechens, dessen Ursache er war, ging Bubi, seine Aktenmappe unter dem Arm, in die nächste öffentliche Fcrnsprechstelle und ließ sich mit dem Haus in der Doughtystraße verbinden. Glück licherweise war Gwenda zu Hause und sie hörte Bubis Vorschläge mit Erstaunen an. „Nach Brüssel fahren?" rief sie. „Aber das geht nicht, Bubil Wie soll ich mich auch so schnell fertigmachen? Außerdem. . . „Ich möchte gern, daß Frau Phibbs mitkommt," fuhr Bubi eifrig fort. „Sir John sagte mir, ich könnte Sie mit- nehmen, — daß es eine so gute Gelegenheit wäre . . ." Schließlich gab Gwenda nach und es wurde schleu nigst gepackt und hin und her gelaufen, bis alle Vorbe reitungen getroffen waren, die das Erscheinen der glück lichen kleinen Gesellschaft zu dreien an Bord der „Prin zessin Clementine" zur Folge hatten. Frau Phibbs konnte sich allen Lebenslagen anpassen; man hätte denken können, daß sie seit Jahren gewöhnt wäre, Vorbereitungen für solckie Ausflüge zu treffen. — Aber Gwenda merkte man die Aufregung an. Wie ein Kind freute sie sich auf diese Reise; denn cs war das erste mal in ihrem Leben, daß sie über das Meer fuhr. „Wie herrlich ist es, Bubi!" rief sie, „es kommt mir alles wie im Traum vor!" Bubi strahlte. — Er sah so drollig aus in seinem Zy linder und in seinem Frack — von denen er nicht zu trennen war —, daß er ein Gegenstand der Neugierde für die anderen Passagiere bildete. Gwenda hatte es nicht weiter beanstandet, daß er eine Seereise in einem solchen Anzug machte, weil sie die unklare Vorstellung hatte, daß dieses die übliche Kleidung von Staatsbeamten, wenn sie dienstlich reisten, wäre. Kaum je zuvor hatte wohl ein königlicher Kabinetts kurier eine so glückliche kleine Gesellschaft begleitet. Ihr gesamtes Vermögen betrug fünfundzwanzig Pfund; Bubi erschien es eine enorme Summe. Seine Augen waren auf das Meer gerichtet und sein I Herz war von stillem Glück erfüllt. „Was sind das für Depeschen, die Sie " be- I gann Gwenda, aber sie hielt plötzlich inne. „Ach, entschul- I digen Sic! Ich darf ja nicht danach fragen." Bubi strahlte weiter. Er hegte leine Zweifel über « den Inhalt dieses wichtigen Päckchens. ! „Ich weiß es zwar nicht ganz bestimmt, Gwenda," I sagte er leise, damit der Südwind, den sie im Rücken I hatten, nicht etwa das Geheimnis den ahnungslosen Ver- ! brechern hinübertrage. „Ich glaube, es hat etwas mit der ! Geldfälschung zu tun." Sie nickte, denn sie hatte die Zeitungsberichte von den I Verhaftungen gelesen. Eine Stunde später kamen sie in Ostende an. Bubis ! diplomatisches Visum ersparte ihnen alle Zollformalitäten. I „Der Zug nach Brüssel," sagte ein unterwürfiger Be- I amter, „steht dort drüben, links. Er fährt in einer halben , Stunde ab." f „Ich danke Ihnen," entgegnete Bubi, den der Anblick > von so viel goldenen Tressen etwas überwältigte. Nachdem er Gwenda und Frau Phibbs in einem « Eisenbabnwagen untergebracht und das Handgepäck ver- ! staut hatte, ging er nach dem Büfett, um eine Tasse Tee l zu holen. — Als er gerade versuchte, sich einen Weg durch j die Menge, die vor dem Büfett stand, zu bahnen, merkte er, » wie jemand ihn leicht an der Schulter berührte. Er drehte » sich um und sah sich einem elegant gekleideten jungen I Mann gegenüber, der ihn verbindlich grüßte. „Ich bitte um Verzeihung, Mylord," sagte der ; Fremde, der tadellos englisch sprach. „Sie sind Lord Pel- » borough, nicht wahr?" „Ja," sagte Bubi verwundert. „Der Finanzminister hat mich beauftragt, Sie bei ; Ihrer Ankunft zu empfangen. Ich bin Baron von Ried." » „Es freut mich sehr, Sie kennenzulcrnen," erwiderte I Bubi verlegen. „Wenn Sie mir vielleicht sagen könnten, f wo ich schnell etwas Tee bekommen könnte . . . Der junge Mann lächelte. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen," sagte er. > „Wir haben ein Frühstück für Sie im „Hotel Splendide" I bestellt." „In Ostende?" fragte Bubi erstaunt. « „Ja, der Herr Minister befindet sich augenblicklich in I Ostende und er bat mich, Sie abzufangen. — Es liegt ihm f viel daran, ohne Zeitverlust in den Besitz der Ihnen an- ; vertrauten Depeschen zu kommen." Bubi kratzte sich das Kinn. „Es sind Bekannte von I mir hier; wenn es Ihnen recht ist, werde ich sie erst be- > nachrichtigen." „Ach, das erübrigt sich, denn wir haben sie schon von ! der Sachlage in Kenntnis gesetzt. Sie sind bereits nach > dem „Hotel Splendide" vorausgesahren." Bubi sah den Fremden zweifelnd an. „Ich glaube, Sie irren sich," sagte er und ging mit ! dem andern an den Eisenbahnwagen zurück, wo er I Gwenda gelassen hatte. Zu seinem Erstaunen war sie fort j und nicht nur sic, sondern auch Frau Phibbs und das > Gepäck. „Setzen Sie, daß ich recht hatte?" sagte der Daron mit k verbindlichem Lächeln. „Ja," erwiderte Bubi und atmete erleichtert auf. Seine Aktenmappe mit dem kostbaren Inhalt an sich ! drückend, stieg er in die Auwdroschke und fuhr schnell mit I seinem Begleiter zuerst durch die schlecht gepflasterten f holprigen Straßen, die in der Nähe des Bahnhofs lagen, » und weiter über den glatten Asphalt der gepflegteren des i Stadtinneren von Ostende. „Ist das nicht das „Hotel Splendide"?" fragte Bubi, f Er glaubte, den Namen auf einem großen weißen Gebäude » gelesen zu haben. „Ach nein, das ist das „Hotel Splendide" von Ost- I ende, wir haben unser Quartier in dem „Hotel Splendide" j in Mariakerke genommen," erklärte der andere. „Unser » Hotel sicht nicht so großartig ans." Der Chauffeur war in die Straße eingcbogen, die an I der Rennbahn vorbei nach Nieuport führt. Bald darauf j hielt er vor einem einsamen Gebäude. (Forisctzung folgt.)