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.Wenn nicht ein Wunder geichieht, ist er verloren! Loch inständig hoffe ich, daß Kraffts gute Natur siegt, da. mit ich nicht erleben muß, das, mein einzig Kind zur Mör derin geworden ist — wie könnte Gerba überhaupt darüber hinwegkommen — keine frohe Stunde mehr könnte sie im Leben haben. Junge, diese letzte Stunde hat mich zum alten Mann gemacht!" Aus seiner Stimme klang der ganze Schmerz feines Innern; wie gebrochen stand er da — und noch wußte, ahnte er überhaupt nicht einmal das schwerste, das ihm bevorstand! Hellmut schwieg; er hatte noch nicht den Mut gefun- ' den, den Baron aus das Schreckliche oorzubereiten. Da fragte ihn der: „Was wollte Gerda überhaupt mit ihren Worten sagen — es ist doch eine furchtbare Anklage gewesen — und wie ist sie dazu gekommen, das Gewehr gegen Krafft zu erhe ben? Hat sie im Scherz gehandelt? Wie oft habe ich sie vor derartigen Späßen gewarnt! — Wo ist sie überhaupt? — Meine Frau ist nicht zu sprechen; sie hat sich einge schlossen — und Gerda ist auch nicht da — Hellmut schlug die Augen zu Boden. „Warum redest du nicht? Cerda fürchtet sich wohl, mir entgegenzutreten?" Er ballte die Faust. „Sie soll mir aber Rede stehen, daß sie in ihrem Uebermut ein Menschenleben vernichtet hat — „Onkel," bat Hellmut, „noch lebt ja Krafft — Onkel." Er ging auf ihn zu und legte beschwörend die Hand aus seine Schulter. „Nein, nimm sie nicht in Schutz! Biel hab ich ihr nachgesehen, viel — und zu manchem geschwiegen, obwohl ich hätte reden sollen — aber dies soll sie büßen — sie soll her zu mir kommen; wo ist sie? So rede doch, Junge —." Die Adern auf der Stirn schwollen an. „Onkel," sagte Hellmut leise, gebrochen, — „Onkel, Cerda hat gesühnt." „Wie — wie meinst du das?" Angstvoll weiteten sich seine Augen. „Onkel — sei gefaßt." Fest drückte Hellmut des Va rons Hand, „ich habe Cerda gefunden — im See — sie liegt drüben in der Wohnung des alten Boß." Wie ein Aufstöhnen kam es aus Freesens Brust; er wankte, wie vom Blitz getroffen, griff nach seinem Halse und wäre gefallen, wenn nicht Hellmut ihn gehalten hätte — so jäh traf ihn die Nachricht. Er faßte mit den Händen in die Luft und lallte: „Was sagst du da? Cerda tot? und bei Boß liegt sie? Ich will sie sehen!" „Onkel, komm doch erst zu dir, so nicht —In höchster Angst, daß der Baron einen Schlaganfall bekom men könne, bemühte sich Hellmut um ihn. Nach einigen Minuten kam jener wieder zu sich. „Ich gehe jetzt zu meinem Kinde —" ein erschüttern der Schmerz sprach aus seiner Stimme, und Hellmut liefen die Tränen aus den Augen „nein, ich gehe allein — du bleibst hier, und wenn ich zurückkomme, wirst du mir erzählen, was du weißt! — Nein, habe keine Sorge um mich —." Und festen Schrittes ging der Baron hinüber nach aer kleinen Wohnung des alten Boß. Dieser hatte ihn schon erwartet und trat ihm entgegen. „Das Unglück, Herr Baron," sagte er mit zitternder stimme, „daran ist nur der verfluchte Nebel schuld, daß die Baronesse Gerda zu dicht an das Wasser gekommen ist — bei solchem Nebel kann man ja die Hand nicht vor den Augen sehen —." Prüfend sah der Baron einen Augenblick in das gute, treue Gesicht des Alten — las er nicht darauf schon die Anklage, daß seine Tochter zur Mörderin geworden und sich deshalb das Leben genommen? Aber nein, aus diesen verwitterten Zügen sprach die innigste Teilnahme, die hn mit gut gemeinten Worten über das Schwere hinweg täuschen wollte — denn gar so dick war der „verflüchtige Nebel" nicht, und da übermannte es den Baron. Boß —," schluchzte er aus, — „Voß —." Der Alte streichelte mit seiner arbeitsharten Hand die seines Herrn und suchte mit wohlgemeinten Worten «u trösten „Sie schläft, Herr Baron, sanft und friedlich! Wer weiß, was ihr erspart geblieben ist — der junge Herr Leutnant und ich haben ihr die Augen zugedrückt — " Er öffnete die Tür zu dem Stübchen, in dem Gerda lag, und ließ den Baron etntrelen. Botz hatte eine Kerze angebrannt, die zu Häupten der Toten stand, sowie ein paar verspätete Astern und Georginen, die er noch ge funden, über sie gestreut, daß alles „ein bißchen freuno- licher aussehen sollte". Stumm winkte der Baron, ihn allein zu lasten. Als er wieder heraustrat von der Leiche seines Kindes, sah er um Jahre gealtert aus. „Wenn es ganz dunkel geworden ist, bringst du sie hin über zu uns — meine Frau weiß noch nichts — ich danke dir, Voß — ich werde es dir nie vergessen —" das war alles, was der Baron mühsam hervorbringen konnte. Hellmut erwartete ihn an der Tür. Das Herz tat ihm weh, als er trotz der Dämmerung sah, wie gebrochen der Baron war. den er als sonst so vergnügten, rüstigen Mann kannte. Er vermochte kein Wort hervorzubringen; in in nigstem Mitgefühl drückte er ihm die Hand 2m Zimmer angekommen, warf sich der Baron schwer auf einen Stuhl und starrte düster vor sich hin. Das Lampenlicht ließ ihn doppelt alt und hinfällig erscheinen. Sein Körper wurde van einem krampfhaften Schütteln ec- saßt; beruhigend umfaßte Hellmut seine Schultern und strich leise das von den Tränen feuchte Gesicht. So saß er einige Minuten; endlich fragte er dann: „Nun, Hellmut, was kannst du mir sagen? Du warst doch dabei, als jener verhängnisvolle Schuß fiel —" Hellmut kämpfte mit sich selbst — was sollte er sagen? Cerda konnte er nicht mehr anklagen — sie war tot — und doch war sie selbst die direkte Ursache jenes Schreck lichen Entschlossen warf er den Kopf zurück und sagte: „Onkel, jener Schuß galt eigentlich mir — Krafft hat sich für mich mit Gefahr seines Lebens geopfert" „Was sagst du da? Dir — höre ich denn recht? Wie sollt' Cerda —?" „Es wird mir sehr schwer, dir zu antworten, denn die Cründe liegen länger zurück " „Ich verstehe dich nicht, Hellmut!" „Onkel, versprich mir, mich ruhig anzuhören, mich nicht zu unterbrechen — also höre. Du weißt, daß ich Cerda lieb -, mich um sie bemühte." „Davon hab' ich aber nicht viel gemerkt!" „Allerdings hab' ich Cerda nicht angejchmachtet und bin ihr nachgelaufen — weil sie Interesse für jemand anders hatte." „Gerda? Du irrst dich wohl! Davon ist mir nichts bekannt; wer sollte es gewesen fein — sprich." „Ich glaube gern, daß du nichts gemerkt hast — aber Liebe und Eifersucht sehen gut kurz, ich hatte be rechtigte Annahme, zu glauben, daß zwischen Cerda und Krafft ein geheimes Einverständnis herrschte, was mir aus vielem hervorging." Der Baron sprang auf. — „Hellmut, wie kommst du zu solcher ungeheuerlichen Behauptung, das ist ja ganz un möglich — meine Gerda und Krafft was du dir da zurechtphantasierst." „Doch, Onkel, es ist so! Laß mich kurz sein Ich weiß nicht, wie ich dir das alles sagen soll — ich möchte dir nicht gern weh tun und suche deshalb nach Worten. — Gerda konnte bezaubernd, unwiderstehlich jein und Krafft ist eben diesem Zauber erlegen — kein Wunder — und Gerda hatte an den schönen, stattlichen Mann ihr Herz verloren, so daß sie mich nicht mehr wollte. — Heute nach mittag nun habe ich den Beweis bekommen, daß ich mit meiner Annahme recht hatte — denn als ich dich nach drei Uhr im Eßzimmer erwarten wollte, sah ich die beiden in der Veranda in vertraulichem Beieinander —." Hellmut sprach stockend, nach Worten suchend — er wollte doch dem Baron nicht weh tun — und mußte es dennoch. „Ich war naturgemäß sehr verwundert," fuhr er fort, „und fprach dies auch aus; denn obwohl Gerda mir mehr als einmal gesagt, daß ich nicht auf sie hoffen sollte, be trachtete ich sie doch als meine Braut und sagte ihr dies auch Da erklärte sie mir mit dürren Worten, daß sie mich lasse, sie niemals meine Frau werden wolle, und daß sie Krafft liebe und ihn auch heiraten wolle. Sie reizte mich durch einige Worte aufs äußerste, jo daß ich mich zu etwas Hinreißen ließ, was ich bitter bereue und wer weiß was hingeben würde, es ungeschehen zu machen — ich sagte ihr, daß sie niemals an eine Verbindung mit Krafft denken dürfe —." „Und warum, Hellmut, verschweige mir nichts!" (Foltietzung lolgt.f