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LohLNstLM EmstLhalsr Tageblatt unS Anzeiger VOs^ 22 Fortsetzung. Da — Schritte — raschelte es nicht hinter ihr? Kam nicht das Gericht schon, sie zu holen. — sie auf die An klagebank zu schleppen und sie wegen Mordes zum Zucht haus zu verurteilen, vielleicht gar zum Tode? — All barmherziger, hilf' Nie und nimmer das! Dann lieber gleich sterben — Sterben, — o mein Gott, wenn man noch so >ung ist und das Leben jo liebt! — Es schüttelte sie vor Angst und Grauen — noch niemals hatte sie über haupt an den Tod gedacht — denken wollen — aber es blieb ihr keine Wahl — am besten wäre es, hinein in den See. der ist tief und gibt nichts wieder heraus, was sich ihm anoertraut — Verzweiflungsvoll irrte ihr Blick um her. kalter Schweiß stand aus ihrer Stirn, während ihre Zähne wie im Fieber auseinander schlugen. „Hans Det lev — wie halt' ich dich lieb — und du bist mein Bruder — aber wer von den Eltern ist es, dem du das Dasein ver dankst? — Verlangend hab' ich dich angeschaut, und ver- lanaend hab' ich meinen Bruder geküßt — Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte tief auf „Gerda — Gerda!" War das nicht Hellmut, der sie rief, durch den das Unselige an das Licht gekommen war? Wollte man sie schon holen? — Sie sprang auf, und hilf los blickte sie um sich — nein, es gab keinen Ausweg — keinen — sie mußte da hinein. — Immer näher kam die Stimme — gleich mußte er da sein — ein Schauer durch lief ihre zarte Gestalt; es blieb ihr keine andere Wahl Sie schloß die Augen, biß die Zähne zusammen und schritt ins Wasser Eiskalt umspülte es die zarten Füßchen in den seidenen Strümpfen — sie wollte zurück, doch der sump fige Boden hielt sie fest; sie sank immer tiefer; — sie wollte schreien, doch kam kein Laut über die bleichen Lip pen — wie im Krampf waren sie zusammengepreßt — noch einige Sekunden, und es war alles vorüber; nur ein paar immer großer werdende Kreise im Wäger zeigten die Stelle an, wo Gerda versunken war sonst war alles still und bewegungslos wie zuvor Eine Minute später stand Hellmut am Ufer und fpähte an dem Ufer entlang; nichts von Gerda mar zu sehen Da trat er auf etwas — er bückte sich und hob den Gegen stand aus; es war ein Schildpattkamm, den sie im Haar zu tragen pflegte, — also hier mußte sie geweilt haben — wo aber mar sie jetzt? Da sah er aus dem Wasser eine Schleife treiben — dieselbe war es, die er vorhin noch an ihrer Brust gesehen — und da schnürte ihm eine Angst plötzlich die Kehle zu, und die Gewißheit ließ ihn erbeben daß Gerda hier ihr Ende gesucht und gefunden hätte. Und er trug die Schuld daran; mit feinen Worten hatte er sie in den Tod getrieben! Konnte er seines Le bens wieder froh werden ^ O, über das unselige Geheim nis. das er nicht besser gehütet halte, so daß es wohl den (Nachdruck verboten.) Tod zweier Menschen verschuldete! Und wie mochte da» Ende sein? Hellmut gab die weiteren Nachforschungen aus und kehrte eilig in das Haus zurück, den alten Voß zu suchen. Dieser kam ihm schon entgegen und teilte ihm flüsternd mit, daß der Arzt eben gekommen sei und der Herr Baron sich mit ihm beim Kranken befinde. Hellmut teilte dem Alten seine Befürchtungen betreffs Gerda mit, und beide machten sich auf den Weg nach dem See, diesem, wenn möglich, sein Opfer zu entreißen. X. Eine Stunde später lag Gerda aufgebahrt in der Stube des alten Voß. Er hatte alles Ueberflüssige herausge räumt, ein frisches, weißes Tuch über sein Bett gebreitet und daraus „das liebe Varoneßchen" gelegt, wobei eine Träne nach der andern über seine runzeligen Wangen rollte. Das Wasser lief aus Gerdas dunklen Haaren, aus ihren Kleidern, die eng den jungen Körper umschlossen, aus dem jede Spur von Leben geschwunden war. Hellmut stand vor ihr, von Schmerz geschüttelt. Da lag sie vor ihm, kalt und tot, die das Glück seines Lebens hatte werden sollen! Er konnte es noch nicht fassen; immer wieder griff er nach der Stirn — es war grauenvolle Wirklichkeit. Der alte Voß stieß ihn leise an. „Wollen der Herr Leutnant es nicht dem Herrn Baron jagen, daß das gnädige Fräulein verunglückt ist? Es ist auch kein Wunder, daß man bei solchem Nebel geradewegs in den verfluchten See rennen muß." Hellmut jah den Alten gerührt an. Wie taktvoll er über das Geschehene hinwegging, es als „Unglück" hin- stellte; wortlos drückten ihm die Hand und schickte sich an, den Eltern Gerdas Mitteilung zu machen. So schwer es ihm auch wurde, er konnte sich dieser traurigen Pflicht nicht entziehen Man hatte die Leiche schon deshalb nicht in das Herrenhaus gefchasft, um die unglücklichen Eltern nicht zu sehr zu erschrecken, schonend mußten diese auf das trau rige Ende ihres Lieblings vorbereitet werden; gleichzeitig sollte auch unnötiges Aufsehen vermieden werden. Hellmut fand den Baron im Eßzimmer am Fenstei stehen, das Gesicht gegen die Scheiben gepreßt Zögernd blieb er an der Tür und räusperte sich, da der ander« sich nicht umwandte. „Onkel —" sagte er leise. „Was gibt's'>" gab der kurz und gedrückt zurück. Der junge Offizier hatte nicht den Mut, etwas zu jagen, deshalb fragte er —?" „Wie geht's Krafft? — lebt er —?" „Noch lebt er — der Arzt filzt drinnen bei ihm — ich kann weiter nichts dabei tun," entgegnete der Baron. „So steht es also sehr schlecht um ihn?"