Volltext Seite (XML)
„Da din ich wieder, Mama, ganz heil, ohne Schaden genommen zu haben: deine Angst war unbegründet," lachte sie, — „sehen Sie, Herr Inspektor, ich bin doch schneller als Sie — meinetwegen hätten Sie sich gar nicht zu be mühen brauchen!" VH. Es war Ende September, ein wundervoller Spätsom mer, jeder Tag sonnig und heiter mit wolkenlos klarem, blauem Himmel. Seit drei Tagen war Hellmut von Brühl East aus Bressenhof. Seine Anwesenheit hatte den ruhi gen, gleichmäßigen Gang des Haushaltes unterbrochen. Jede Stunde gab es etwas anderes: er war wie Eerda lebhaft und übersprudelnd. Jetzt freute sie sich wirklich, daß er da war: denn es war ihr schon wieder langweilig geworden. Krafft suchte sie nicht, wie sie wohl bemerkt, und wenn sie ihn auf ein paar Minuten festhalten konnte, prach er nur immer von dem Kommen des Vetters, und ie hörte Mißtrauen und Eifersucht aus seinen Worten und )ie Frage — was nun? Als die beiden Herren mitein ander bekannt gemacht wurden, beobachtete ihn Eerda. Mit scharfem Blick prüfte er den East, der in dem modernen Zivil, daß er trug, unschwer den Offizier erkennen ließ. Hellmut von Brühl war weniger hübsch, hatte aber eine elegante, sehnige Reiterfigur und war sehr amüsant und witzig in der Unterhaltung. So viel war lange nicht gelacht worden, als an dem ersten Abend seiner Anwesenheit. Cerda hatte ihn mit von der Bahn abgeholt. „Tag, Cousinchen, wie geht's? Cut? Sieht man, hast dich höllisch 'rausgemacht!" begrüßte er sie. Den Baron hatte er für sich durch einen herzlichen Dank für die Ein ladung, sowie durch ein paar bewundernde Worte über die Pferde einzunehmen gewußt. „Doch nicht so'n über lackierter Fatzke, wie ich glaubte," dachte der Baron, indem er den Cast verstohlen musterte. Der junge Offizier hatte ein frisches, offenes Gesicht mit dunklen, vergnügten Augen und etwas spärlichem, dunklem Schnurrbärtchen. Seine Art, sich zu geben, war sehr einnehmend, ungezwungen und natürlich. Am Abend, nachdem sich Krafft taktvoll entfernt, um nicht zu stören, sagte Hellmut, ihm sinnend nachblickend — „ich weiß nicht, dein Inspektor erinnert mich so lebhaft an jemand —." Erschreckt blickte die Baronin auf und sah forschend in Hellmuts Gesicht. „Vielleicht an einen Regimentskameraden! Krafft hat ja 'was Offiziermäßiges an sich," meinte der Baron, gleich mütig den Rauch seiner Zigarre von sich blasend. „Nein, nein,,, schüttelte Hellmut den Kopf, nein — komme ich nur gar nicht darauf? Ich muß doch dieses Gesicht schon mal gesehen haben „Vielleicht 'mal im Manöver — denn Krafft hat doch auch gedient — „Aber, Hellmut, zerbrich dir doch nicht den Kopf um unsern Inspektor," lächelte die Baronin mühsam. „Ich muß es doch 'rauskriegen, hab' doch sonst so'n gutes Gedächtnis," grübelte er — „halt, ich hab's jetzt — an Prinz Magnus von Z. —." Tödlich erschrocken schloß die Baronin einen Augenblick die Augen, und jede Farbe war aus ihrem Antlitz gewichen, das sich mit einer grün lichen Bläffe bedeckte — da war es ja wieder, das Gespenst, und drohte ihre Ruhe zu nehmen! — „In Mamas Salon hängt ein großes Oelüild von ihm," fuhr Hellmut fort, „das er ihr zur Erinnerung verehrt hatte, weil er so viele köst liche Stunden in ihrem gastfreien Hause hatte verleben dürfen, wie er ihr damals geschrieben. Mama hat mir oft und viel vom ihm erzählt: er war bei uns wie zu Haus: Papa verstand sich sehr gut mit ihm — ein schöner, be strickender Mann, dieser Prinz Magnus, dem die Franen- herzen nur so zuflogen — übrigens auch ein gefährlicher Don Juan — — doch, was erzähle ich da, du mußt ihn ja viel bester kennen, Verehrteste Tante," wandte er sich direkt an die Baronin, „du warst doch Hofdame am 3 'schen Hofe zu seiner Zeit, während Papa Adjutant des Herzogs war —", er verstummte aber plötzlich, als er den gequälten Ausdruck in dem gänzlich veränderten Gesicht der Baronin gewahrte: so fassungslos hatte er wohl noch nie mand gesehen. „Was ist das?" flog es durch seinen Sinn — „sollte Mama hatte mir doch erzählt, daß ah, dahinter werde ich kommen — " „Und mit einem Prinzen hat Inspektor Krafft Aehn- lichkeit?" fragte Cerda, die nicht aus ihre Mutter aeacktet yatte, «andern mit Spannung ihrem Vetter zuhörte — „mit einem wirklichen Prinzen? Das ist ja furchtbar interessant! Daraufhin muß ich ihn mir mal genau anschauen!" „Tue das nicht, Cousinchen," neckte er, „sonst könnte er dir schließlich noch gefährlich werden " „Ah, bah," sagte sie — „mir wird niemand gefährlich: das weißt du doch —." „Ja, allerdings, wenn auch dein Herz ganz geblieben ist, so Haft du doch eine Menge gebrochen —." „Warum hast du die Stücke nicht mitgebracht?" fragte sie spöttisch. „Die Herren werden sich wohl schon selbst geholfen haben! — Erzähle lieber noch mehr von dem in teressanten Prinzen! Also ein Don Juan, — er mutz ia ein ganz gefährlicher Mensch gewesen sein! Wie alt ist er jetzt eigentlich?" „Gerda, frage doch nicht nach Dingen, die gar kein Interesse für dich haben können," sagte die Baronin mit heiserer Stimme. „Doch, sie haben Interesse, großes Interesse," beharrte das junge Mädchen. „Nun denn, es schickt sich nicht für dich —." Gerda zog ein Mäulchen. „Damit werde ich immer abgespeist, wenn ich etwas nicht wissen soll. Was soll sich alles nicht für mich schicken! Ich bin doch schließlich kein Backfisch mehr — Hellmut brachte aber das Gespräch auf etwas anderes, da er sah, wie die Baronin litt „Was machen wir morgen zum Sonntag?" fragte Eerda, „ein Sonntag auf dem Lande ist langweiliger als die Wochentage." „Wo du bist, Cousinchen, ist das nie der Fall," ent gegnete Hellmut galant, „mir ist es gleich: ich habe keine besonderen Wünsche, ich fühle mich sehr wohl hier — Viel leicht unternimmst du, lieber Onkel, einen kleinen Ritt mit mir: dein Stall hat lebhaftes Begehren in mir geweckt: so etwas sieht man selten —," wandte er sich an oen Baron. „Cern, mein Junge," schmunzelte der. „Ich reite mit, Papa," sagte Cerda, „um elf Uhr spä testens müssen wir zurück sein: da kommt Katharine zum Tennisspielen: ich habe zu ihr geschickt." „Sind wir längst wieder da. Kleine! — Aber um acht antrrten: denn morgens ist es am schönsten!" „Papa, hab' ich dich schon jemals im Stich gelassen?" fragte sie vorwurfsvoll, — „wie oft bin ich doch in den ver gangenen Monaten schon um fünf mit dir ausgeritten, das hast du wohl vergessen?" „Nein, nein, Cerda, beruhige dich!" Der Sonntag brach an, ein herrlicher Tag. Cerda war pünktlich zur Stelle und sah entzückend aus in dem dunkel blauen Reitkleid, das ihren wundervollen Wuchs voll „ur Geltung brachte. Sie plauderte mit Hellmut, und -die Scherzworte flogen zwischen den beiden hin und her. Sie hatte an ihre Reitgerte eine Rose gebunden, die er ihr zu entwenden suchte. „Halt, mein Freund," lachte sie, „so haben wir nicht gewettet: so freigebig bin ich nicht! — Die mußt du dir erst verdienen!" „Nun denn — stelle mir eine Aufgabe, ich will sie lösen, so schwer sie auch sei!" „Wohlan, ich werde dich beim Wort nehmen! ah, Sie da, Herr Inspektor, guten Morgen!" rief sie Krafft zu, der gerade aus dem Stall getreten war und mit fin sterem Blick zu ihr herüber sah, die so übermütig und siegesbewußt an der Veranda lehnte, welche mit wildem Wein, der in den verschiedensten Farben schimmerte, üppig bewachsen war und einen reizvollen Hintergrund für Eerda bildete. Krafft grüßte mit stummer Verneigung und ging dann weiter. Da rief sie ihm etwas zu, was er nicht ver stand, worauf er zu den beiden trat. „Baronesse befehlen —?" „O, ich fragte nur, wo Papa bleibt." „Der Herr Baron hatte etwas vergessen und ist noch mal ins Haus gegangen, wird aber sogleich kommen!" „Danke! — Sagen Sie, Herr Inspektor, Sie haben doch Ihr Versprechen nicht vergessen, nachher mit uns Tennis zu spielen? Fräulein von Vuchwaldt kommt auch! Ich sage dir, Hellmut, das schönste Mädchen der Umgegend ,du wirst staunen! — nicht wahr, ich habe recht, Herr Inspektor?" und lächelnd sah sie Krafft an Er fühlte, daß ihn Cerda quälen wollte: aber sie sollte nicht trium phieren. (Fortsetzung folgt.)