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Wenn in den Stcinstraßen der Großstadt die heißen r„„. Mutende Lohe die Me^ aN-inm EinNu^auk die Ernte gelte -K- m s K- ' mnhme", als „Kornmutter" in die Erscheinung tritt, gönnte man einen Busch Roggen als eine Art Opfer. Bekannter blieb ein anderer Dämonenkreis, der nach dem Volksglauben ebenfalls, und zwar in Gesialt von allerlei Tieren, im Lorn Hausen sollte. Neben dem Hasen und dem Kater wird der Wolf am häufigsten genannt und in vielen Gegenden Deutschlands führt das Volt die vom Wind hervorgerufeucn wellenförmigen Bewegungen des Getreides aus einen solchen Tierdämon zurück. Man pflegt dann zu sagen: „Der Wolf geht über das Korn", „Der Wolf ist im Korn". Wahrscheinlich rühren diese Tiernamen von alten Opferbräuchcn her, bei denen den Erntcgotthcitcn heilige Tiere dargebracht wv-.den. umfangen und das Leben schier zur Unerträglichkeit machen, dann beginnt draußen auf dem Lande der Klang des Sensendengelns und alles ist bemüht, in die Scheuer zu schaffen, was die Natur als Lohn bäuerlichen Fleißes gespendet hat. Es ist Erntezeit! Die wichtigste Zeit des Jahres für den Landmann und der Höhepunkt seiner Jahresarbeit. Und ist auch infolge der fortschreitenden Technik und der Zuhilfenahme der verschiedenartigsten ^hre Formen sind auch in den verichiedenen deut schen Gauen verschieden. So wird z. B., um die im Korn hausenden feindlichen Wesen fcrnzuhalten oder zu ver treiben, in einigen mecklenburgischen Ortschaften die Ernte vom Schulzen ciugeläutet, eine Gepflogenheit, die man auch in der Neumark vorsiudet. Bei Hildesheim erschallt von Erntebcginn an vier Wochen lang abends um 6 Uhr ein Ehoral vom Kirchturm. Der Schweizer beginnt die Ernte mit einem „Walt Gott, daß es wohl ausgehe!" und schließt mit den Worten „Walt Gott bis übers Jahr*. In Mähren ruft der Vorübergehende den Schnittern zu: „Verleih Gout lGott) Gelück" und die Antwort ist: „Ver leih's Gout und dir mit!" Sehr beliebt ist an vielen Orten noch eine besondere Erntetracht. Zu dieser gehört bei den Mägden eine weiße Lcinenschürze und farbige Bänder an der Bluse, während die Knechte ihren Hut mit bunten Bändern und Blumen sträußen schmücken. In der Lüneburger Heide binden sich Mäher und Mäherinnen gern auf den Hnt die glück bringenden doppelten Ähren ttwisselt Ohr'n) und in West falen sieht inan zur Erntezeit vielfach die Knechte in weißen Beinkleidern und roter Weste und die Mägde in kurzem roten Rock, schwarzem Mieder und weißer Haube arbeiten. Natürlich fehlt es bei schwerer Erntearbeit, in der sich der berühmte Achtstundentag oft zum Sechzehnstundeniag erweitert, nicht an reichlichem guten Essen und Trinken. Am Lechrain trinken die Knechte und die Dirnen am Jakobstag auf Kosten des Bauern die „Jakobsstärke", da mit sie beim Schnitt nicht „in den Halmen stchenblcibcn". Auch besonderes Gebäck gibt es, so z. B. im Hannoverschen die „Luffen" oder Roggenstuten. In Mecklenburg wird den Leuten häufig während der Ernte eine Art Kranzbier gegeben, als Dank der Herrschaft für einen ihr am ersten Erntetag überreichten buntgebänderten Ährenkranz. Auch in der Provinz Hannover und in den anderen Orten finden wir diese Sitte, die wohl der Rest eines alten, der Gottheit zur Erlangung guten Erntewetters dargebrachten Opfers ist. Fast überall in Norddeutschlaud hat sich der uralte Brauch erhalten, den Gutsherrn und seine Ange hörigen, sofern sie während der Erntearbeit das Feld be treten, zu „schnüren" oder zu „binden", oder wie der Schweizer sagt, „in die Halmen zu nehmen". Dem Be treffenden wird ein Kornseil um den Arm gelegt und er durch einen Spruch zum Triukgeldgeben aufgefordert. Frohsinn und Neckerei gehen auch den Schnittern trotz der anstrengenden Arbeit nicht verloren. Wer gar zu lang sam mäht, wird von den anderen überholt uno muß als „Letzter" die Genossen abends im Wirtshaus freihaltcn, und wenn ein Schnitter allzuviel Halme stehcnläßt, so ruft man ihm neckend zu: „Paß up, se raupet dik" (sic rufen dich). In Mecklenburg heißt ein schlechter Mäher ein „oler Poggcnstäker" (Froschstecher) oder „Steinsöker". Leider werden die alten charakteristischen Erntelieder, die trotz ihrer etwas gewaltsamen Verse doch auch ein Fülle von Humor und Gcfühlstiefe besitzen, nur noch in wenigen Gegenden gesungen und sind vielfach schon durch moderne Schlager ersetzt. Eine besondere Nolle spielt bet den Erntebräuchen die letzte Noggengarbe und der. sich an sie knüpfende alte Volksglaube. Im Kornfelds, so meinten unsere Vor zehnten Jahrhundert entrüsteten sich viele Pfarrer darüber, daß man den Heidcngott in dieser Weise ehrte. Auch der Gemahlin Wodans „der Frau Gode" (ein anderer Name für den bekannteren „Frau Holle"), die hier als „Roggen- Maschinen die Poesie der Erntezeit von einst in vieler Beziehung herabgemindert worden, im tiefsten Grunde ist selbst in den neuen Arbeitsformen viel von uralten, her kömmlichen Inhalten geblieben. Ob der Mäher wie früher mit Sichel und Sense die göttliche Gottesgabe vom Halme schneidet oder die Mähmaschine, Zeit und Arbeitskraft sparend, vas Getreide in breiten Schwaden niederlegt, immer ist der Landmann abhängig von gutem Erntewetter. So ist es denn auch wohl verständlich, daß in den ländlichen Gegenden in den Kirchen viel Gebete fahren, Hause ein Wesen, das bald segnend, bald schädi gend seinen Einfluß aus die Ernte geltend mache, je nach dem die Landleute sich zu ihm stellten. Beim Mähen mußte es von einem Noggenstück zum anderen fliehen und in der letzten Korngarbe war der Korngeist gefangen. Die Bezeichnungen dieser Garbe sind, je nach der Gegend, außerordentlich verschieden. Im Hannoverschen wird sie auf dem Felde aufgestellt und mit dem Rufe „ve Aule, de Aule" jubelnd begrüßt. Zumeist aber, besonders in Pom mern und in der Mark, nannte man sie „den Alten". Ein Name, der wohl eine Entstellung und Verzerrung des Göt tervaters Wodan sein mag. Jedenfalls Katte man ihr in Mecklenburg auch allerlei Ehrenbezeigungen erwiesen, bei denen man Sprüche an Wodan richtete; und noch im steb- gen Himmel steigen, die um Gewähr dieser Grundbedin gung zum Gelingen der Ernte flehen. Aber daneben hat sich aus aller Zeit noch eine Fülle von allerlei Handlungen des Volksaberglaubens erhalten, die zu versäumen man sich ernsthaft scheut. War doch überdies die Religion unserer Vorfahren ganz auf den Glauben eingestellt, baß das Wachsen und Werden auf der Erde von guten und bösen Geistern beeinflußt sei, die sich günstig zu stimmen ein jeder eifrig bemüht sein mußte. Und so fest war dieses Bemühen in die Seele des Volkes eingewurzelt, daß auch der Übergang zum christlichen Glauben die alten Kulturbränche nicht völlig aufzuheben vermochte, daß sich sogar viele Neste, vielleicht in etwas nmgemodelter Form, bis in unsere Tage lebendig er halten haben.