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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192707148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19270714
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19270714
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-07
- Tag 1927-07-14
-
Monat
1927-07
-
Jahr
1927
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WWW Gp^rzeug. Skizze von O. Oppen. (Nachdruck verboten.) Im neuen Heim des Franenklubs war Empfangs» 'abend. Die elegant eingerichteten Räume erstrahlten in blendendem Lichte zahlloser elektrischer Lampen. Man durchschritt musternd die neuen Räume, ließ sich plaudernd in die bequemen Korb- und Ledersessel gleiten, trank Tee und naschte Süßigkeiten. In dem stillen Lesezimmer, das die grünumhangenen Lampen so traulich und einladend Lelenchteten, hatte sich Marie Lenz niedergelassen. Die verschiedenen dort ausgelcgten Zeitschriften lockten. Sie hatte in ihrem vielbeschäftigten Leben so wenig Zeit, alles Rene und Interessante in sich aufzunehmen, war sie doch,' froh, wenn sie nach Beendigung ihrer Lehrstunden dies Leitung überfliegen konnte und spät abends vielleicht sich -noch in ein gutes Buch vertiefen durfte. Die Tür zum Kon» versationszimmer hatte sie leicht angelehnt und über dem Lesen Raum und Zeit vergessen. Sie schrak empor, als eine weiche Hand sich plötzlich auf ihre Augen legte. Rats,! -wer ich bin, ließ sich eine Helle, klingende Stimme ver-! , Nehmen. I Marie Lenz antwortete nicht gleich. Sie sann nach,! während die Hand sich immer fester auf ihre Augen legte.! Wem gehörte dieser eigene Helle Ton? Er berührte sie- so vertraut und doch wußte sie im Augenblick nicht, zu wem er gehörte. Ein leises, perlendes Lachen unterbrach! jetzt das Schweigen: Kennst du mich noch nicht? Jetzt nahm Marie rasch die Hände von ihren Augen, indem sie freudig ausrief: Wie konnte ich nur einen Moment im Zweifel sein, so lachen kann ja nur Eugenie von Rödern.. Sie wandte dxn Kopf, um die Jugendfreundin zu be grüßen, doch sah sie im ersten Augenblick nichts als einen riesengroßen weichen Filzhut mit mächtigen fcingetönten Federn geschmückt, und dann erst ein paar dunkle Augen, die sie lachend grüßten. Eugenie von Rödern schlug die kleinen, über und über mit blitzenden Steinen geschmückten Hände ineinander: Nein, wie ich mich freue, liebe alte Lenz. Du glaubst gar nicht, wie ich mich nach einem lieben Gesicht aus der Heimat gesehnt habe. Du mußt mir viel erzählen. Komm hier ans Fenster, da sind wir ein wenig verborgen und ungestört. Sie drückte mit liebenswürdiger Energie Marie, die sie mehr als um Kopfeslänge über ragte, in den großen Ledersessel, setzte sich selbst auf die Lehne und sab die einstige Schulgefährtin neugierig mm fragend an: Also? Maris Lenz lachte aus: Also? Noch immer die Alte. Deine Neugierde kann ich wenig bc-- friedigen. Wir sind eben die graue Lsbcnsstraße ge-- wandert, haben uns durch Examennöte und verzwickte Schulratlauucn kümmerlich durchgeschlagen, sind jetzt Oberlehrerin am Lyzeum des bekannten Fräulein K., drillen jeden Tag fünf bis sechs Stunden arme weibliche Rekruten und versuchen uns das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Lukin — wir sind zufrieden, nachdem wir uns langsam versucht haben, klarzumachen, daß nicht alle Blütenträume im Leben reifen, daß man sich be scheiden lernen muß. Da hast du meine Beichte. Du scheinst nicht zufrieden zu sein, Mignon, hast du vielleicht' erwartet, daß dis unscheinbare, semmelblonde Marie Lenz mit dem Reufnndländergcbiß und der Kalmückennase aus romantischere Art durchs Leben steuern würde? Die Lust znm Schulmeisterberuf hatte ich doch schon mit der Mutter milch eingefogen, Vater war Lehrer gewesen, Mutter Er-! zieherin, also erblich belastet. Wie d» nur so spotten> kannst, fuhr Eugenie dazwischen, wie beneide ich dich, so- fest auf eigenen Füßen im Leben zu stehen, so sicher und ruhig um sich zu schauen. Sie hielt inne. Tu sagst das, Gcnia, fiel ihr Maric ins Wort, du, die du stets auf der Sonnenseite des Lebens gestanden hast? Du hast doch von Kindheit an kaum an eine ernste Pflicht gedacht, hattest dein Spielzeug, mußtest es haben und cs fand sich auch immer etwas, was dich beschäftigte. Sie schaute lächelnd zu der Jugendfreundin auf. Gcnia hatte Mariens Hand, die sie kosend ergriffen hatte, hart von sich gestoßen. Marie sah in ein tief er- blaßtes Gesicht, das ihr jetzt, da das heitere, lebhafte Mienenspiel gewichen war, alt und müde vorkam. Sie merkte, daß über der zarten Haut unter dem großblumigen Schleier eine feine matirosa Pudcrschicht lag, daß den, dunklen Brauen ein wenig nachgeholfcn schien. Um dcn- feingeschnittcncn Mund gruben sich jetzt zwei tiefe Falten,- die nur Schmerz und tiefer Kummer graben. Spielzeugs flüsterten die bebenden Lippen, ach, du hast dieses Fluch- Wort nicht vergessen, das meinem armen, verfehlten Leben den Stempel aufgcdrückt hat. Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Mir tst's, als ob das furchtbare Wort gleich einem Kainszeichen mit unzerstör barer Schrift hier eingegraben ist, las Wort, das mein armer Vater einmal in einer Laune für mein Verhalten geprägt hat. Warum denn so bitter, entgegnete Marie., War's denn anderes als ein Spiel-sug, womit du dich zeitweise vollständig beschäftigt hat-sst, das deine Ge danken und Empfindungen ganz in Anspruch nahm?' Durfte er dich denn ernst nehmen, la du von niemand ernst genommen sein wolltest? — Sprich nicht so, du weißt ja gar nicht, wie alles gekommen ist. — Wohl weiß ich nicht alles, antwortete Marie Lenz, doch ich kann mich ganz genau besinnen, daß ein 15jähriges Mädchen, klein, zierlich und schlank wie ein Eidcchslcin, in der Tanzstunde die Herzen aller Primaner lichterloh entfachte und ihre Gunst heute dem und morgen dem anderen zuwandte. Daß sie Orchester, Tanzmeister und alle Anwesenden dirigierte und immer von neuem darüber nachwun, woher sie das Spielzeug nehmen konnte, das sie genügend zerstreute. Du Weißt ja nicht, fuhr sie ernster fort, wie vielen du damals Weh getan hast. — Nicht mit Absicht, rief Gcnia lebhaft. — Und als du dann die Laune hattest, den hübschen jungen Volontär, der in deines Vaters Eisenwerken praktisch tätig war, ganz an dich zu fesseln, daß er dir folgte wie ein Schatten, da glaubten eben alle, daß c- auch nichts weiter war als eine Laune, und als du die « renzcn alles Her kömmlichen überschritten hattest, dein..,: erklärten Günst ling Rechte einräumtest und Freiheiten, die in der kleinen Stadt die Entrüstung aller ehrsamen ' ärger und Bürge rinnen Hervorricfen, da beruhigte dein Vater alle die- Wenigen, die es wagten, sich über dein Benehmen zu cut rüsten, mit den Worten: Lassen Sie die Kleine, sie muß ihr Spielzeug haben! Und er halte sich nicht in dir gc- tanscht. Nach wenigen Jahren warst dn des Spielzeugs überdrüssig geworden, hast den armen Jungen, nachdem >er als frischgebackener Ingenieur zu deine«» Vater kam. !«m um dich zu werben, fortgeschickt, du warst eben des Spielzeugs überdrüssig. — Meinst du das wirklich? — Wie sollte ich mir's anders erklären? Du bist heute Frau ipon Rödern, und er, er hat's schließlich auch wett gebracht, -Direktor an einem der größten industriellen Unternehmen, man liest seinen Ramen oft. Marie Lenz lehnte sich in den Sessel zurück: Jst's nicht sso? Warum also diese Erregung, Genia? Wohl, ant wortete die andere leidenschaftlich, euch, die ihr draußen Hetzt, schien alles so, so mußte sich's programmäßig ent wickeln. Ihr habt verachtend die Achseln gezuckt, ohne zu ahnen, wie bitter hart dieses Kind um sein Spielzeug gekämpft hat, das man ihm gewaltsam aus den Händen gerissen hat. Mein Vater glaubte nicht an den Ernst meiner Neigung, er wollte das verwöhnte Kind, das er selbst so weich gebettet und vor jedem rauhen Winde nach mißen hin geschützt Hatte, nicht den Kampf des Lebens auf sich nehmen lassen, er wies damals deinen Vetter ab und versuchte mit tausend Gründen, die er ins Treffen führte, mich von der Richtigkeit seines Entschlusses zu überzeugen. Und als damals dein Vetter heiß und leidenschaftlich für unsere Liebe sprach, da gebrauchte der Vater von neuem das unselige Wort: Ihr seid Kinder, die ein Spielzeug festhalten und es nicht aus den Händen lassen wollen, eine kurze, kummervolle Zeit, ein paar heiße Tränen, und dann ist das Vergessen da! Er nahm mich, wie man uns Mäd- che» vor einem Vierteljahrhundert noch genommen hat, leicht, ohne auf unsere Individualität und Charakteran lage zu achten. Willenlos mußten wir uns fügen. Doch ich blieb mir treu, wenn mich auch der Gehorsam zwang, , zu verzichten. Du lächelst, du glaubst mir rächt? Weil du mich hier angetan in Flitter und Gold vor oir stehst, ein Wettkind, das durch das Leben geht, tändeln'' und spielend, «rnd nur nach Genuß und Freude hascht? So bin ich nach außen hin geblieben, doch innerlich ist tu mir langsam etwas gestorben, was einst so reich aufgebläht war. Ich wäre ein Mensch geworden, ich hätte mir selb t genützt und anderen und hätte Glück gefunden. Jetzt bin ich nichts als ein Weibchen, das fein Spielzeug hat und f-inc Tage nus füllt mit Nichtigkeiten! Du irrst dich, antwortete Marie ernst, auch über Enttäuschungen kann der Weg zu einer höheren Entwicklung gehen. Meinst du? erwiderte die andere bitter lächelnd. Dn glaubst nicht, wie ost ich mich hemüht habe, meinem Leben eine ernstere Färbung zu geben, aber man nimmt mich auch jetzt nicht ernst, und -das ist der Fluch, der auf meinem Leben lastet. Doch genug davon, fuhr sie in verändertem Tone fort, als sie Marie Lenz ungläubig lächeln fah. eine Beichte bat immer etwas Unartgenehmes, und ich weiß wirklich nicht, wieso ich heute so sentimental geworden bin. Daran bist dn schuld, Marie, dein liebes altes 6tcsicht und unser zufälliges Be gegnen, das alte Erinnerungen wach werden ließ. Sie sah auf die Uhr. Wahrhaftig, schon sieben, um acht Uhr beginnt die Oper, ich darf nicht zu spät kommen. Leb wohl, Liebste, es war doch schön, daß wir einmal zusammen gewesen sind, daß ich mir mein Herz ein wenig erleichtern konnte. Es war schön, aber eö war, wie dis meisten schönen Dinge, recht unpraktisch und nutzlos. Heda, s-s winkte dem herbeieileuden Stubenmädchen. Ein Glas Madeira und ein Paar belegte Brötchen, aber schnell, ich habe fürchterlichen Hunger. Aach wenigen Minuten hielt sie der Fr: u:din den mit Delikatessen bedeckten Teller ent- aegm. Iß, Marie, so eine Beichte macht Appetit. Wohin führt dich dein Weg? Mein Auto steht vor der Tür, ich hringe dich gern nach Haus, und daun, nicht wahr, du vergißt alles, was ich dir eben gebeichtet habe. Es gehört wirklich gar nicht mehr zu mir, und sie lachte, lachte, bis ihr Vie Tränen aus den Augen kamen, die sie ganz vor- sichtig mit ihrem Spitzentuch von den langen Wimpern wischte. § UktMSN. « Von Della Z a m p a ch. P (Nachdruck verboten.) Ich batte sie am Samstag kcnnengclernt und sie ge hörte zu jenen Fraurn, die man auf den ersten Blick liebt. Wir hatten uns gefunden und ich ging so beglückt von ihr wie nie von einer Frau. Da ich wenig Zeit Habs, hatten wir uns erst für den Mittwoch verabredet. Ich ging jeden Tag umher wie im Traum, jede freie Minute, die mir meine Arbrit ließ, mit dem Dnft diefcr Wundervollen ersten Stunde, nur an sie denkend und den Augenblick, wo ich sie Wiedersehen sollte. Ich wartete und wartete auf den Mittwoch. Die Tage schlichen: Sonntag, Montag, Dienstag . . . wenn es nur schon Mittwoch wäre, aber da kam der Mittwoch nnd ich hatte Ärger, Vichts als Ärger, ich war schlechter Laune, ich war müde, abgespannt, ich brachte es einfach nicht fertig, sie in dieser Stimmung zu sehen, weil mir bange war, daß dieser zweite Abend nicht so schön werden würde wie der erste; ich fürchtete, ich würde heute nicht finden, was ich Sams tag verlassen hatte. — Aber ich fand auch Donnerstag »richt dis innere Rnhe und auch Freitag nicht. Als ich am Samstag zu ihr gehen wollte, stand sic im Hausflur vor meiner Wotznung, hatte Tränen in vcn Augen und bebte. „Ich habe die ganze Woche so auf dich gewartet!" Uud ich uahm sie in meine Arme und sagte ihr, warum ich nicht gekommen war. A.e aber konnte mich nicht verstehen. Deshalb habe ich sie nie wiedergesehen, denn unser Leben zusammen wäre eine endlose Qual ge« Worden. Ich ging über den Ring, auf dem Wege zu ihrer Woh nung, und dachte nach, was ich ihr mitbringen könnte. Ich wußte, sie hatte nie Geld, denn arbeiten wie anders kann sie nicht. Von früh bis spür im Bureau sitze», das kann sie nichc, sie kann nur arbeiten, wenn ihr das Leben etwas zuträgt, daun schreibt sie wundervolle Dinge, die einer anderen nie einsallen würden, aber gute Sachen werden nicht bezahlt. Auch mir geht es nicht so gut, daß ich für sie sorgen könnte, nnd dann würde sie das nicht annehmen. Ich kam bei einer Blmnenhandlung vorbei. Hier standen die wundervollsten rosa Orchideen im Fen ster, Orchideen, wie sie zu ihr paßten. Die möchte ich ihr mitbringen, wie herrlich würden sie aussehen zwischen ihren schlanken weißen Händen! Ich wollte schon ein- treten, da überlegte ich, daß ein gutes Nachtmahl doch viel wichtiger wäre. Ich überquerte die Ringstraße nnd trat in ein großes Delikatessengeschäft rin und kauft« Abend brot. Eine ganze Menge, soviel wie die Orchideen ge rostet hätten, dann ging ich, zufrieden mit meinem prak tischen Sim», zu ihr. Ich packte alles fein säuberlich aus uud stellte -s vor sie hin. „Ich bin über den Kürntnerring gegangen,* sagte ich, „da habe ich die wundervollsten rosenroten Orchideen gesehen, die hätte ich dir so gern miigebracht." — „Rosenrote,* sagte sie, „wie wundervoll» warum hast du sie nicht mitgeüracyt, ach, sie waren wohl Hu teuer, «icht?* — „Ich hätte dauu nicht noch das'Abend brot mitbringen können,* meinte ich kleinlant, „da habe ich mich für das Materielle entschieden." — „Wie schade,*! sagte sic, „wenn du die rosenroten Orchideen gebracht hättest, dann hätten wir eben nur eine Schale Lee dazu getrunken und die Orchideen den ganzen Abend über an» gesehen, das wäre herrlich gewesen." — Am nächsten Abend war ich bei einer Danie der heutigen reichen Gesellschaft eingeladen. „Alprüs souper"^ wie man heute in Wien sagt, „das klingt besser als „nacu dem Essen". Ich fuhr über den Ring und überlegte, waH ich der schönen Frau mitbringen könnte, denn reich war sie, also Blumen. Ich trat in das Geschäft, wo ich tags zuvor die Orchideen gesehen hatte, und überlegte. Orchi deen wußte sie gewiß nicht zu schätzen, also Rosen, wunder» volle, langstielige Rosen. „Ich werde ein wenig Grün dazwischenbinden," sagte die Verkäuferin, „das macht sic« besser." — „Sie meint, es sieht nach mehr aus," dachte ichj »mo nickte. Dann legte sie einen Bogen weißes Papier, herum und reichte mir die Rosen. Ich kam zu der jungen Frau und gab ihr mein« Rosen. „Ro, was haben's denn da mitgebracht, Sie Dichter," sagte die Dame. „Mariand Joseph, Rosen, so viele, jetzt mitten im Winter, no, so was, die müssen ja a schönes Geld kosten, aber so was!" — „Sind sie nich; schön?" sagte ich nnd wickelte sie zärtlich ans der Umhülls, „Ja, ja, wunderschön," sagte sie und steckte sie ohne Wassc», in eine entsetzliche sezessionistische Vase, „aber warum haben's denn net lieber was Reelleres miigebracht, VonbouS oder a Salami oder einen Käs — die Rosen, morgen sau'K! hin nnd kosten so viel Geld. Also, ihr Dichter, ihr versteht'^ gar nichts, Sie san ein Verschwender." Der Fluch dsr Eine Geschichte aus Masuren von F r i tz S k o w r o n n e k( «Nachvruck verboten.) Solch eine Geschichte, die nur wenig ausgcpntzt zu werden braucht, muß bedachtsam erzählt werden . . . Adam und Johann Stopka waren Vettern, aber sich so ähnlich w-s Zwillinge, die nicht einmal von ihren Ettern rinterschiedcn werden können. Es waren ein paar driftige Schlingel, die, als sic zum Vcwu''!scui ihrer wunderbaren Ähnlichkeit kamen, sich öfter den Spaß machten, die Eltern zu wechseln. Dies Vergnügen horte erst auf, als Adam für eine Gans, die Johann mit einem Steinwucs verletzt hatte, von Johanns Vater eine heftige Tracht Prügcl erhielt. Ver geblich hatie er geschrien, er wäre nicht der Johann, son dern der Adam, was ihm noch eine erhebliche Verschärfung der Strafe eintrug, weil cs als ein Versuch, die Ellern zu betrügen, angesehen wurde. Als die beiden eingefcgnet waren, begannen sic die übliche Laufbahn als masurische Bauernjungen. Sie hüte ten die Schafe nnd Schweine der Eltern. Von Jahr zu Jahr wurden sie immer mehr zn schwereren ländlichen Arbeiten hcraugczogcn. Dann kam der Tag oder vielmehr der Abend, als sie mit nennzehn Jahren zum erstenmal beim Erntessst tanzen durften. Da begann zum erstcumal. . eine Rivalität zwischen ihnen aufzukeimen. Ihnen gesteh gleichermaßen die Lotts Grinda, ein blondlockiges Mädel .von siebzehn Jahren. In der iilsidung unterschieden sich die jnngen Baucrnburschen so gut wie gar nicht. DeshalL braucht man sich nicht zu wuudcru, daß Lotte fragte: „Abet Adam — oder Johaun — habe ich nicht eben mit di», getanzt?" Eigentlich hätte sie nicht sv zu fragen brauchen,, denn Lotte war die Tochter einer wenig begüterten Eigen- kcitncrswUwe und die Stopkas die reichsten Bauernsöhne i des Dorfes. Und beide gefielen ihr gleich gnt, weil sie sie! nicht zu uutsrschsiden vermochte. Einige Tage später war „Kanton", d. h. Aushcbuug, znm Militär. Adam nnd Johann wurden beide, da sie sichf auch in der Größe bis aufs Haar glichen uud hochgcwach-! scus Jünglinge waren, zum Ersten Gardcrcgiment zu Fußj ausgehobcn. Zum 1. November mußten sie sich stellen. Im: nächsten Herbst, nach dem Manöver, kamen beide auf, Urlaub, beide in schmucker Extrauniform. Schon am nächsten Abend trafen sich die Vettern vor.! Lottes Kammerfenster. Adam war einen Augenblick! früher dagcwesen nnd hatte schon angcpocht, als Johann neben ihn trat. , „Was willst dn denn hier?" B- „Und was willst du denn hier?" „Dasselbe wie du." Die Folge war, daß Lotte, die aufgestandcn war, zwei Jünglinge vor ihrem Fenster sichen sah, nnd da sie in» Fensterln überhaupt noch nicht bewandert war, es vorzog, nicht zu ösfucn. Mit heftigem Groll gegeneinander trennten- sich vie Vettern, Venen ihre soziale Stellung ver-, bot, sich anders als ans diesem Wege dem begehrten Mädel zn nähern. Im Herbst nächsten Jahres wnrdc Adam vom Militär entlassen, weil sein Vater plötzlich verstorben war. Die Mnttcr hatte ihn als einzigen Sohn angcfordcrt. Sie war auch schon etwas gebrechlich nud wünschte, bald aufs Alten teil zu gehen. Er mußte also heiraten. Von allen Seiten Wurden ihm wohlhabende Bauerntöchtcr zugefreit, auch solche, die besser Klavier spielen als Kühe melken und Schweine füttern konnten. Vergebens! Er setzte dis Mnttcr anss Altenteil nnd nahm sich eine ältliche Person ins Haus, die ihm die Wirtschaft führte. Noch immer verbot ihm sein Bauernstolz, um die arme Eigeukütncrs-! tochtcr zu freien. Und Lotte war stolz und klug genug, ihm nicht das Kammerfensicr zu ösfucn, obwohl sie genau! wußte, wer bei ihr anpochtc, so daß er bald seine vergeb-! lichcn Versuche einstellte. j Im nächste» Herbst wurde Johann vom Militär ent« lassen. Aus vcm Erntefest erschien er in Uniform nnd tanzte nur mit Lotte. Er war rächt so stolz wie sein Vetter Adam. Er begleitete am nächsten Vormittag Lotte ans der Kirche nach Hause und Plauderte niit ihr uuv ihrer Mutter über eine Stunde lang von seiner Zukunft. Seine Eltern-
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