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- " . vvn K. 8 L uV nr : - u 1^ Fortsetzung. Nach einer Weile fragte Herr von Rathen: „Sie wollen fort? Hat Sie jemand beleidigt?" Und als ich, ohne zu antworten, den Kopf senkte, fuhr er fort: „Nicht so, — ich weiß ja: natürlich hat man Sie be leidigt. Man beleidigt Sie täglich, stündlich an allen Ecken und Enden. Sie mühten ja nicht die sein, die Sie sind, wenn Sie das nicht unerträglich empfänden. Nein, machen Sie keine Einwendungen. Ich kenne Mama, kenne meine Schwestern. Ich könnte Ihnen jagen: es ist nicht so gemeint, es ist nun einmal ihre Art so, — ihre Art, gegen die ich gekämpft habe seit Jahren, der ich eben gerade mein Kind entziehen wollte durch Sie, durch Ihren Einfluß. Wie hat sich die Kleine entwickelt an Ihrer Seite! — Reizt Sie die Aufgabe nicht? Kann sie Sie das andere nicht ver gessen lassen? Sie müssen bleiben — um Gerdas willen." Ich schüttelte nur stumm den Kopf. Er überlegte eine Weile, dann fragte er: „Wann wollen Sie denn fort?" „So bald als möglich!" sagte ich stockend und leise. Er zuckte zusammen: „Ah! Ist es so schlimm? — das dachte ich nicht. Doch nun Sie wissen, ich kenne Ihre Gründe, ich verstehe und ehre sie, ja mehr noch, — nun Sie wissen, wie voll und ganz ich auf Ihrer Seite stehe, wie ich Mamas Benehmen mißbillige, wie ich selbst darunter leide, — genügt Ihnen das nicht?" Ach Gott, was sollte ich antworten, wie ihm klar machen, daß es nicht dies war, was mich aus seinem Hause trieb! „Wollen Sie nicht mein Bundesgenosse sein? Wollen Sie nicht groß sein, größer als Ihre kleine Umgebung, um des Kindes willen? Damit das Kind nicht Schaden leidet?" Fest preßte ich meine Lippen zusammen, das „Ja", das mir auf der Zunge stand, durfte ihnen nicht entschlüpfen. Mochte er mich für kleinlich, für erbärmlich klein und eitel halten, ich mußte es auf mich nehmen. Als ich immer noch nichts erwiderte, fuhr er bittend fort: „So bleiben Sie wenigstens noch eine Zeit. Dodo verläßt heute das Haus, Mama und Lulu wollen auf Reisen gehen. Ich werde dafür sorgen, daß cs bald ge schieht. In den nächsten Tagen schon, wenn Sie es wün schen. Niemand kann Ihnen dann zu nahe treten. Dann bleiben Sie noch. Wir sind dann so schön friedlich zu sammen, wir drei allein, Gerda — Cie — ich —" „Nein, nein! Das geschieht nicht, lassen Sie mich!" schrie ich angstvoll auf War ich vorher wankend ge worden, seine letzten Worte, die mich halten sollten, trie- jbcn mich vollends hinaus. (Nachdruck verboten.) Herr von Rathen sah mich verständnislos an: „Da es nicht die Taktlosigkeiten Mamas sind, — was in aller Welt sonst? Was treibt Sie so plötzlich hier fort?" Mit harten Schritten ging er einige Male im Zimmer auf und ab. Dann trat er dicht vor mich hin: „Hat man Ihnen andere Anerbietungen gemacht? Lockt Sie anderes?" Seine Stimme war drohend, finster blickte er auf mich nieder. „Andere Anerbietungen?" Ich verstand nicht. „Nein!" „Nun also, ganz offen — was treibt Sie von mir fort? Ich verlange die Wahrheit. Hören Sie, die Wahr heit! Oder soll sie mir vorenthalten werden wie schon einmal?" Schmerzlicher Vorwurf klang durch seine letzten Worte. Ich barg das Gesicht in den Händen. Die Qual war zu groß. „Nein, ach nein!" bat ich. „Fragen Sie doch nicht, ich kann Ihnen nicht antworten — Ihnen nichts sagte ich mit Aufbietung meiner letzten Willenskraft, indem ich rasch aufstand. Ich mußte ein Ende machen, mußte gehen. Doch er ließ mich nicht. Er faßte nach meinen beiden schlaff herabhängenden Händen. „Sehen Sie mich an!" Weich und mild war sein Ton. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Scheu sah ich zu ihm auf. „Lotti, Kleines — steht es so?" Was war das? Ich hatte doch kein Wort gesagt, hatte ihn kaum angesehen. Hatte er in dem einen Blick all die Qual, all die Sehnsucht meiner Seele gelesen? — Der ganze Mann war wie verwandelt, so jung, so froh mit einem Male. Jubelnd hell klang seine Stimme. Und dann — wie war es nur gekommen? — Ich lag in seinen Armen, an seiner breiten Brust, und zärtliche Worte zogen über mich hin. Sie ließen mich für eine Weile alles vergessen: Welt und Menschen. Ort und Zeit. „Ist es denn wahr, Kind, du liebst mich?" fragte er wieder und wieder. „Ich wagte es ja nie zu hoffen. Mein Alter — und deine blühende Jugend! Wie stimmt das zusammen?" Lachend und weinend zugleich wand ich mich endlich aus seinen Armen. Der Rausch mußte verfliegen, die Ver nunft, die Ueberlegung zurückkommen. „Laß mich," flehte ich, „ich habe nicht Namen noch Heimat, noch —" Er unterbrach mich stürmisch: „Bin ich denn nicht nun deine Heimat, mein Name der deine — ach deine ganze holde Frühlingsfrische ist ja tausendmal mehr als alles, was ich dir bieten könnte. Du bist eben du: Lotte Walden — die Rein^ die Schöne, du ahnst ja gar nicht, was für ein armer Mann ich bin, und wie reich du mich machst —"