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«5 ?? ^Omon von ^IsbC^ Vonc^Zpi' sLr»^sL/!/5c.': He^ev, ^onrs»-V«^/»§,Fv^>> L0L6 25. Fortsetzung. Schwer ächzend ließ Ilse den Brief aus der Hand glei- j ten, und sekundenlang stand sie wie geistesabwesend da. Endlich raffte sie sich auf, und ein qualvolles Stöhnen ent rang sich von neuem ihrer Brust. Sie preßte die zitternden < Hände vor das zuckende Antlitz und die tränenlosen Augen. , War es so weit mit ihr gekommen, daß er schon zwischen den Zeilen ihre stumme Qual und uneingestandene Schuld las? — O Heinz, wenn ich dir bekennen dürfte, was mich drückt! Um deinetwillen tat ich es nicht, aus Schonung für dich, du solltest nicht leiden unter dem Bewußtsein, mich, deine Ilse, im Feindeslager zu wissen. Und du würdest leiden, das weiß ich, wenn du dir auch zehnmal sagen müßtest, daß Mann und Weib nicht die Wissenschaft ver bindet, und daß es schließlich gar nicht darauf ankommt, auf welchem Standpunkt ich darin stehe. Bin ich erst dein Weib, hänge ich das Studium so wie so an den Nagel, denn es soll nicht trennend zwischen mir und dir stehen — Doch täusche und betrüge ich mich dabei nicht? Werde ich die Kraft und den Willen haben, auf alles, was mir bisher hoch und wert war, zu verzichten? Wollte ich ihm nicht ein treuer Kamerad, Mitarbeiter und Helfer sein, und kann ich das, wenn ich anders denke als er? Ja, ist ein Zusammen leben überhaupt noch möglich, ohne das gefährliche Thema zu berühren, und muß er dann nicht erfahren, daß ich mich längst zu der entgegengesetzten Ansicht bekehrt habe?" Helle Schweißtropfen standen auf Ilses Stirn, und ihre Hände krampften sich zusammen. Plötzlich atmete sie er leichtert auf. Ein Hoffnungsstrahl war ihr gekommen: Wenn es so weit war, daß sie Heinz heiraten konnte, würde der Kampf längst entschieden und abgetan sein. Graf Kon rad hatte ihr heute gesagt, daß das Ende des Kampfes nahe sei, daß seine neueste Schrift den letzten Zweifel heben würde. Dann würde man nicht mehr darüber sprechen, dann war es ein ewiges Geheimnis, daß ihre heiligste, festeste Ueberzeugung sie einst nach der anderen Seite gedrängt hatte — ein ewiges Geheimnis — Wie Zentnerlast fiel es von ihr: sie trat an den Tisch, auf dem bereits das Manuskript Gras Konrads lag; er hatte es ihr sogleich durch seinen treuen Diener herauf gesandt. Sie blätterte mechanisch darin. Eine schöne, klare und feste Männerhandicbrift sah ihr entgegen. Und diese Schrift, die Heinz vernichten, stürzen mußte, sollte, wollte sie lesen? — Ein Schleier legte sich über ihre Augen, und ein Frösteln beschlich sie. „Du wünschest dir etwas — es lebt in dir, cs beschäftigt dein Gemüt und deine Seele." Sie fuhr erschrocken empor, es war ihr gewesen, als wenn jemand ihr diese Worte aus Heinz Brief leise ins Ohr geraunt hätte. Wünschte sie wirklich etwas? Was war es denn? — Woher kam das leere, öde Gefühl des llnbefriedigtseins — 1 (Nachdruck verboten.) was drückte auf ihre Nerven und machte sie aus einem star ken, selbstbewußten und sicheren Weibe zu einem weibisch zagenden, unfertigen Wesen? — „O mein Gott, wer hilft mir zur Klarheit, wer gibt mir mein ureigenstes, verlorenes Ich zurück?" Bis spät in die Nacht saß Ilse und zermarterte sich in Qual und Selbstvorwürfen. Endlich hatte sie sich durch gerungen. Sie nahm Papier und Feder und schrieb an Heinz: „Sorge Dich nicht um mich, Lieber, ich befinde mich in einer Sturm- und Drangperiode — es gärt und wühlt in mir wie in jungem Most. Niemand kann mir dabei helfen, auch Tu mit Deiner ganzen Liebe nicht. Allein muß ich fertig werden, allein mich durchringen. Und.sei gewiß, ich komme zur Klarheit. Ob die alte Ilse wieder ersteht, oder ob eine neue aus der Gärung hervorgeht — gleichviel — der Prozeß muß durchgemacht werden." So wenig beruhigend auch diese Zeilen für Heinz sein mochten, so fand Ilse doch durch sie ihre Ruhe und Sicher heit wieder. Nachdem der Brief am andern Tage abgegan gen war, fühlte sie sich frei und leicht und erfüllte ihre schweren Pflichten mit dem alten Eifer und der alten Schaffensfreudigkeit. 13. Kapitel. Melitta Latuschka hatte Wort gehalten. Ilse war mit Gerda und Lotti wiederholt nach Schillersdorf geladen wor den, und die Gräfin hatte nichts dagegen, daß ihre Kinder den Umgang mit den gleichaltrigen Komtessen pflegten. Sie sandte die Erzieherin zum Schutze mit und wußte nicht, daß diese bei den Besuchen ganz und gar von Melitta in An spruch genommen wurde. Die beiden jungen Mädchen hatten sich sehr schnell zu einander gefunden, und selbst Ilse gab ihre anfängliche Zu rückhaltung auf und plauderte munter und unbefangen mit der Komtesse. Daß fast jedes Mal Graf Konrad und seines Erscheinens auf dem Feste erwähnt wurde, war nicht auf fällig, denn das bildete jetzt das Tagesgespräch der ganzen Nachbarschaft. Melitta erzählte dann, daß niemand mehr an seinem Verstände zweifle, und daß man nicht begreifen könne, wie ein solches Gerücht je hatte aufkommen können. Melittas Zweck, irgend etwas Näheres über Konrad von Ilse zu erfahren, blieb jedoch unerfüllt, denn Ilse war in diesem Punkte merkwürdig verschlossen und still, als ob sie ihn gar nicht kannte, und das war doch bei dem Zusammen wohnen nicht gut möglich. Melitta kam zuweilen selbst nach Tworrau; aber sie mußte jedesmal wieder unbefriedigt fort. Von Graf Konrad hatte sie keine Spur gesehen. Heute — es war schon Mitte September, aber noch ein warmer, Heller Sommertag — war Ilse auf Melittas Auf forderung mit den Kindern nach Schillersdorf gegangen und zwar auf besonderen Wunsch der Kinder zu Fuß. Z«