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„I^sin^fr^M^chütz^nüg^M^^Hns^losz 1« die Worte, „ich bedarf keines anderen Schutzes." lieber seine Züge flog ein Lächeln, aber Ilse konnte es nicht bemerken. „Wie stolz und mutig Sie das sagen, mein Fräulein", erwiderte er langsam. „Danach wage ich es kaum noch, Ihnen meins Begleitung für den ferneren Weg anzubieten. Befehlen Sie, ob ich vorangehen soll." Sie musterte den vor ihr Stehenden von oben bis unten und ihr Befremden und Staunen wuchs. Die Vorstellung, die sie sich bisher von einem oberschlcsischen Bauern gemacht hatte, stimmte durchaus nicht mit dem vornehm zurück haltenden Wesen dieses Maknes überein. Wenn sie nur einmal in sein Gesicht sehen könnte! — Der Mann mußte ihr Zögern für eine Abweisung an nehmen, denn er lüftete wieder leicht seinen Hut und wandte sich zum Gehen. „Warten Sie doch, ich nehme Ihre Begleitung ja dank bar an!"" rief sic ihm nach. i Augenblicklich blieb er stehen und wartete, bis sie an feiner Seite war. Dann bemerkte er ihre Handtasche und griff danach: „Geben Sie." ! Sie überließ ihm die Tasche und schweigend gingen sie nebeneinander her am Saum des Waldes ent.ung. Er mußte ein sehr wortkarger Geselle sein, denn mit seinen wenigen Worten vorhin schien seine ganze Unter- Haltungsgabe erschöpft zu sein. Trotzdem überkam Ilse in seiner Nähe ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit; ein neuer, froher Mut be seelte sie. Wie ein gutes Omen erschien es ihr, daß ihr auf der neuen Lebensbahn sogleich Hilfe und Schutz geboten wurde. Wenn sie auch vorhin gesagt hatte, daß sie keines fremden Schutzes bedürfe, empfand sie doch das wohltuende Gefühl des Beschütztseins. Nicht ein Gedanke des Miß trauens gegen den fremden Mann an ihrer Seite wurde in ihr wach. Und sie waren doch allein auf weiter Flur, am Saum des Waldes, der so gespenstisch in dem Dämmer licht dalag. Nur das hartnäckige Schweigen fing an, sie zu bedrücken. Sie mußte etwas sprechen. „Wollen Eie auch nach Schloß Tworrau?" fragte sie. Er fuhr aus seinen Gedanken auf. „Verzeihung was fragten Sie soeben?" Ilse wiederholte die Frage. „Ja, freilich", antwortete er jetzt schnell, „doch das heißt", fetzte er, wie sich besinnend, hinzu, „ich wollte erst später hinüber und bringe Sie jetzt nur bis an das Tor. Wir find übrigens sogleich am Ziel. Sehen Sie dort die Türme? Das ist das Schloß." Sie waren bei diesen Worten auf die freie Landstraße getreten. Der Wald hatte hier ein Ende. Der Helle Schein des Abendrots traf Ilses Gesicht. Der Mann blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und sah sie an, aber als sie den Blick hob, wandte er sich ab. „Sie können jetzt nicht mehr fehl gehen", sagte er nach einer Weile tiefen Schweigens. „Läuten Sie nur dis Glocke an der Eittsrtür. Der Haushofmeister wird Ihnen öffnen, und dann fragen Sie nach der Mamsell. Sie ist eine alte, treue Seele, der Sie sich ruhig anoertrauen können. Die Gräfin wird Sie heute kaum empfangen, denn im Schlosse ist Gesellschaft. Um so besser für Sie, Sie können sich erst in die neuen Verhältnisse finden und morgen mit neuer Kraft und frischem Mut Ihr Werk beginnen. § Nur mutig vorwärts und nicht gezagt! Der Zuruf mag wohl überflüssig sein ich erhielt ja schon eine Probe Ihres starken Mutes und Vertrauens, aber wenn Sie trotzdem einmal eines Rates eines Trostes bedürfen doch da find wir ja schon am Gitter", unter brach er sich selbst. „Gott befohlen denn!" Er gab ihr die Tasche, verbeugte sich, und ehe Ilse es sich versah, war er umgekehrt und im Dunkel verschwunden. Nicht einmal ein Wort des Dankes hatte sie ihm sagen können. Sie blieb stehen und sah ihm gedankenvoll nach. Seltsamer Mensch! Das Aeußere eines Bauern und das Benehmen und Wesen eines gebildeten Mannes. Be scheiden und zurückhaltend und doch gleichsam beherrschend und gebietend in jedem Wort, das er gesprochen hatte. Wer mochte dieser Doppelmensch sein? Wenn Sie eines Rates — eines Trostes bedürfen. — Hatte er gemeint, daß sie dann zu ihm kommen sollte? Welche Macht besaß er, daß ^W^ann'HMe^WHen'?önn'en? --- Wle viele nicht zti beantwortende Fragen auf einmal! Mit einem energischen Ruck wandte sie sich um. Vor ihr lag das Schloß. Sie konnte bei der bereits eingetretenen Dunkelheit nur die Umrisse des mächtigen Gebäudes, aus dem die Reihe der hell erleuchteten Fenster wie Irrlichter durch die Finsternis sahen, erkennen. An dem Gittertor, das den Schloßhof von der Straße trennte, brannten La ternen und erhellten die nächste Umgebung gut. Zu beiden Seiten des Tores waren mächtige Kanonen ausgepflanzt, die jetzt nur zur Zierde, ehemals jedoch Verteidigungs mittel waren. Auch mußte früher ein Graben das ganze Schloß umgeben haben, denn das Erdreich fiel steil ad längs des Gitters und unten befanden sich, soweit Ilse erkennen konnte, Eartenanlagen. Der Schloßhof war groß und breit. Das wer zunächst alles, was ihre Blicke erspähen konnten. Als sie jetzt an der Glocke zog und der Ton durch die tiefe Stille hallte, klopfte ihr Herz sekundenlang in stürmischen Schlägen. Was lag hinter diesem Gitter für sie verborgen? Welches Schicksal harrte ihrer? Würde ihr Stolz die Demütigungen ihrer Stellung ertragen und mußte sie, nach dem, was sie bisher vernommen hatte, nicht fürch ten, daß ihrer viele warteten? „Nur mutig vorwärts und nicht gezagt!" Hatte das nicht soeben ihr seltsamer Begleiter gesagt und war es ihr dabei nicht so warm und fiegesfreudig geworden? Wie er durch wenige Worts zu ermutigen verstand! Wieder wollte fick die Gestalt des Fremden vor ihre Seele stellen, aber sie drängte sie hastig zurück. Auf dem Hoie wurden schlürfende Schritte laut und eine große, dunkle Gestalt näherte sich dem Tore. „Wer ist da?" fragte eine rauhe Baßstimme. „Die neue Eouvernannte," gab Ilse zur Antwort. Der Riegel wurde zurückgeschobcn und das Tor ge öffnet. Ilse trat ein. Der Schein der Laterne fiel gerade auf ihr Gesicht. „Donnerwetter," entfuhr es dem Haushofmeister, „hät ten auch was anderes werden sollen! Na — der alte Krziko« witz tut mal für ein gutes Wort „Führen Sie mich, bitte, zu der Mamsell," unterbrach sie ihn kurz, warf den Kopf stolz in den Nacken und ging an ihm vorüber. Der Haushofmeister sah sie eine Weile verdutzt und sprachlos an. Das klang ja wie ein Befehl. Was bildet« sich dies hochmütige Ding eigentlich ein, ihm, dem Haus hofmeister, so zu kommen? Na, der Hochmut wird ihr bald ausgetrieben werden. Hübsch war sie ja. Donnerwetter noch mal — was für den jungen gnädigen Herrn, wenn der auf Urlaub kam — aber befehlen läßt sich der Krzikowitz darum von so einer nicht. Er setzte die strengste Miene o. s und sagte barsch: „Kommen Sie mit!" Er dachte nicht daran, ihr die Handtasche abzunehmen. Was war sie denn auch weiter als im Schlosse bedienstet wie er? Ilse folgte mit gemischten Gefühlen. Dieser erste Empfang war nicht gerade vertrauenerweckend. Der Haushofmeister trat an dis Tür des rechten Seiten gebäudes und rief in das Souterrain, laut und ungeniert: „Mamsell! Mamsell!" Nach einigen Minuten zeigte sich ein Kopf in der Tür spalte: „Nun, Hausmeister, was gibt's? Warum schreien Sie so? Sie wissen doch, daß ich heute alle Hände voll zu tun habe!" „Ganz recht, Mamsell, aber die neue Eouvernannte ist hier und ich weiß doch nicht, wo ich mit ihr hin soll!" Als ob es sich um ein Stück Möbel bandelte, von dem man nicht weiß, wohin stellen, so sprach er von ihr. Der Mann wurde ihr immer unsympathischer. Der üble Eindruck wurde jetzt aber durch einen freund licheren verwischt. Die Mamsell trat jetzt vollends aus der Tür und ein freundlich gutmütiges, wenn auch etwas derbes, rotes Gesicht nickte Ilse grüßend zu: „Wenn Sie das neue Fräulein sind, bitte ich Sie, mir zu folgen. Ich Habs bereits Anweisungen erhalten und werde Sie in Ihr Zimmer führen." Diese Höflichkeit im Gegensatz zu der Art des Haus meisters tat Ilse unbeschreiblich wohl und sie fand einige freundliche Begrüßnngsworte für die Mamsell. (Fortsetzung folgt.).