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Ziel -es Strebens. Ein Mensch zu lein, ward wenigen gegeben. Die meisten sind zum Sterben nur geboren: Sie sind sich selbst, sie sind der Welt verloren, Ihr ganzes Sein ein nichtiges Verschweben. Dir aber flammt die Brust von höherm Stieben, Ein würdig Los hast du dir selbst erkoren Kühn dringst du zu des Lebens fernsten Toren, Willst von der Nacht das dunkle Siegel heben. Geh', forsche, kämpfe, flieg in steten Siegen Dem Ziele nach, eroore dir das- Wahre; Nichts sei. was dir geheim und ferne bliebe! Doch kann ein Wissen auch dem Herzen g'nügen? Ein Opfer sei's auf würdigem Altäre Der, die da alles nimmt und gibt — der Liebe. Eries. Freö H 60. Eine Eaunergeschichtc von Ludwig Hofmeier. (Nachdruck verboten.) Am Rande der großen Stadt. Ein Mann schreitet die Straße entlang. Rechts und links türmen sich Mietskasernen; dazwischen gähnen die Löcher der unbebauten Plätze. Wenige trübselige Laternen Hellen den Nebel zu milchigen Bällen von bescheidenem Umfange auf. Darüber hinaus ist es dunkel Erauschwarz lastet öde Hoffnungslosigkeit über den Steinsärgen. lieber Fred rieseln Frostjchauer Sind in dieser Gegend die Häuser besonders scheußlich'' Es riecht nach faulendem Unrat. Aus den Lücken der Straße quillt Flüstern — Stöhnen, Gerüche Geräusche; aber nichts zu sehen. Die Schritte hallen weithin. Endlich hat Fred sein Ziel erreicht. Er betritt das Vorstadt-Cafö. Talmi. Oelfarben, auf Tannenholz ge strichen, imitierter Marmor. Ein speckiger J-rack aus dem ein eiförmiger Kops ragt, schwänzelt heran. Es ist die Karikatur des Kellners Das Gesicht ist weiß, porig wie Quark Seine Augen tasten unruhig umher Sie suchen Halt, doch gleiten sie überall ab. Er flüstert Fred aus dessen leise Frage zu: „Nach bintcn!" Fred begibt sich in das rückwärtige Zimpier. Dort sind zwei Männer. Es ist Auslese. Fred bietet, steigert sich. Er hat Geld mitgebracht Sein Plan wird genehmigt. Knacker und Wolf wollen das Unternehmen stützen Sie bezahlen und treten ins Freie Ein Auto taucht aus. sie steigen ein. Der Wagen rast durch die schwarze Stadt, Kugellampen taumeln vorüber, er biegt ein da blitzen Lichtpunkte auf; er pfeilt sich durch schimmernde Straßen. Zu beiden Seiten entlaufen die funkelnden Perlenschnüre der elektrischen Straßenbeleuchtung. Dann Gärten, es wird wieder dunkel. Rasenflächen, zuletzt ein Park. Das Gefährt hält. Man geht an die Arbeit. Alles klappt vortrefflich. Fred ordnet an. Sein Gehirn strömt eisigkalten Willen aus Wolf spürt. Die große Nase springt aus seinem Gesicht, Sein Antlitz besteht eigentlich nur aus Nase. Er schnup pert. traumwandlerisch'findet er immer glatte, gefahrlose Wege. Knacker berührt die Türen. Die Schlößer werden unter feinen Händen lebendig. Die eigensinnigsten Spezialver schlüsse werden willig und drehen sich ohne Schlüffelbart, öffnen sich ohne jeden Widerstand. Fred und Knacker schleichen mit größter Vorsicht ihrem Führer nach Im Hause ist noch Bewegung Aus den Gesellschafts zimmern tönt Gemurmel. Ein Lied von jugendlicher Stimme sieghaft geschmettert mellt heran. „Sie singt mehr laut als schön!" bemerkt Knacker. In der Küche klavpcrn Teller. Diener eilen treppauf, treppab. Es sind Gäste da. Fred hat damit gerechnet. Wolf ist ein Genie! llm ihn ist alles leer Ein Schat ten. eine Ecke, ein Schrank: alles dient ihm ec macht sich und seine Kameraden unsichtbar Fred denkt: Das ist ja die reinste Tarnkappe! Dann sind sie angelangt, sie stehen in dem Zimmer welches die berühmte Sammlung des Millionärs Hyazinth Rot beherbergt. 3 Meisterwerke der Miniaturmalerei. Niederländische Arbeiten. Auserlesenes aus Deutschland, italienische Stücke, feiner als die der Markusbibliothek zu Venedig. Der Lichtkegel einer Blendlaterne hastet gierig über die in einer großen Vitrine aufbewahrten Kostbarkeiten. Fred wühlt und packt ein. Knacker befestigt eine mit* gebrachte Strickleiter und steigt nach unten, um den Rück weg vorzubereiten. Wolf verschwindet im Gange; er streift lauernd durch das Haus. Eine lleberraschung ist also aus geschloffen. Fred triumphiert: es ist ihm gelungen! Da durchschneidet ein Ruf seine Gedanken: „Hände hoch!" Fred wirft sich erschreckt herum und starrt in die Mün dung einer Pistole. Der Herr des Hauses steht vor ihm. „Aüspacken!" Fred gehorcht zähneknirschend. Er legt die Miniaturen auf ihren Platz zurück. Er sagt schlicht: „Ich gebe das Spiel verloren." In diesem Augenblick stürzt der Herr des Hauses vorn über. Ein Schuß peitscht grell durch den Raum. Fred erstarrt. Wolf steht vor ihm und drangt; dann springt er zum Schrank und rasst die kleinen Bilder zusammen. Nochmals drängt er: „Fort, fort!" Fred steht noch immer. Wolf hastet zum Fenster, läßt sich abwärts gleiten, ver sinkt in dem schwarzen Schlunde der Nacht Diener eilen herbei. Etwas später der Arzt. „Ein Streifschuß! Unge fährlich!" Fred sitzt am Bett, in seiner Hand liegt die seines Freundes Hyazinth. Hyazinth sagt: „Fred, du hast die Wette gewonnen!" Fred antwortet zerknirscht: „Ich glaube, nein." „Aber, Fred, selbstverständlich. Ich habe behauptet, daß ein Einbruch bei mir und ein Diebstahl meiner Sammlung nicht möglich sei. Du hast mich vom Gegenteil überzeugt. Also hast du die Wette gewonnen." „Allerdings, lieber Hyazinth, du schuldest mir die ver-' wetteten zehntausend Mark. — Aber sage mir, wieviel sind die Hauptstücke deiner Sammlung wert?" „Unschätzbar Millionen!" Fred wird bleich; wie Holzblöcke fallen seine Worte: „Und die besitzt nun mein gedungener Kompagnon, ein Spitzbube namens Wolf. Er ist mit ihnen durchgegangen." Nun fährt Hyazinth auf; denn er hängt sehr an den Miniaturen; er stammelt: „Fred — nicht Millionen — unschätzbar — unschätzbar!" Fred aber rast wie ein Irrsinniger aus dem Zimmer. Er rennt über Rasen, springt über umgestoßene Polizisten: er fegt durch die Straßen in einem wilden Galopp. Man sieht ihm nach. Ein Herr sagt zu einem Mädchen: „Ein Amokläufer!" Das Mädchen entsetzt sich: „Das sollte ver boten werden!" Endlich landet Fred sHweißbcdeckt am Vorstadt-CafS. Ei reißt an der Tur. Vorsichtig öffnet sich ein Spalt. Er jetzt den rechten Fuß dazwischen und erzwingt den Eingang Er eilt nach den rückwärtigen Zimmern. Hier sitzen Knacker und Wolf bei einigen Flaschen. „He. alter Freund, die Bilder her!" Knacker springt auf, Wolfs Augen funkeln böse. Er sagt kurz und rauh: „Bezahlen!" Durch Fred stößt ein Atemzug der Erlösung; die unge heure Erregung fällt ab. Er denkt wieder klar Ja, er will es mit fünshunderttausend Mark versuchen; dann mehr, immer mehr, die Bilder müßen wieder in den Besitz seines Freundes kommen. Er sagt gelaßen: „Gut, ich gebe fünfhundert —" Doch bevor er das „tausend" hinzusetzen kann, zerreißt das höhnische Lachen Wolfs di« Zahl. „Fünfhundert! Haha!" Knacker gröhlt: „Niemals unter tausend!" Lange steht Fred fassungslos, bis ihm Wolf in die Ohren brüllt: „Jawohl! Tausend Mark!" Nun versteht Fred. Er bezahlt, bekommt die Bilder, überbringt sie Hyazinth. — Wolf und Knacker aber sitzen noch lange, trinken und unterhalten sich fürstlich. „Du, Knacker, den muß man sich merken! So ein Narr! Zahlt der Mensch für ein paar Abziehbilder tausend Mark — tausend Mark!" Und er patscht auf seine Schenkel, daß es dröhnt. Wolf schüttelt sich, Lachtränen laufen über seine Wan gen: „So ein Narr!"