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Fachtgnrß. Mond und goldne Sterne glimmen Freundlich noch im Abendduft, Laulenklanz und Mädchenstimmen Schaukeln durch die weiche Luft. Wie das Lied mir lieben Klängen Sich an Herz und Seele schmiegt, Wird des Tages lautes Drängen In den fchönstcn Traum gewiegt. Fern die hohen Wälder düstern, Wind und Blumen raufchcn facht, And die schönsten Lippen flüstern: Müder Sänger, gute Nacht! Iulius Rodenberg. ZmMingsschwsAern. Erzählung von Elsbeth Borchart. (Nachdruck verboten.) Sie waren sich von Geburt an einander ähnlich, daß man ihre Wäsche mit roten und blauen Bändchen verzieren mußte, um sie zu unterscheiden Diese Aehnlichkeit blieb, als sie zusammen Hand in Hand in die Schule gingen und auch als sie erwachsen waren und l8 Jahre zählten. Sie mar-n beide blond, blauäugig, hatten feine Stumpfnäschen und eine zierliche Gestalt Das Schicksal hatte sie reich und unabhängig gemacht: sie kannten keine Sorgen und keine Ne' Eine zärtlich besorgte Mutter — der Vater war vor mehreren Jahren gestorben — erfüllte ihnen jeden Wunsch und hegte und pflegte sie als ihr kostbarstes Gut. So verlebten die Zwillingsschmestern ihre sorglosen Zu gendtage. Sic waren gewöhnt, alles miteinander zu teilen, Arbeit und Spiel, Freud und Leid, ihre kleinen Liebhabe reien, Gewohnheiten, ihre Studien und Interessen. Nie sah man die eine ohne die andere: sie schienen unzer- trem ' ar. Da trat etwas in ihr Leben, was sie aus ihrem gewohn ten Geleise Herausriß Sie hatten die Bekanntschaft eines jungen Mannes gemacht, der sie beide in gleicher Weise fesselte und für den sie bald, ohne es selbst zu merken, wärmere Gefühle hegten In voller Harmlosigkeit tausch ten sie auch hierüber gegenseitig ihre Gedanken und Ge fühle aus, schwärmten für ihn, waren heiter und glücklich in seiner Gesellschaft und auf dem besten Wege, sich in ihn zu verlieben. Da der junge Mann keine der Zwillings schwestern bevorzugte sondern zu beiden gleich liebenswür dig war, so machte sich keine von ihnen irgendwelche Gedan ken. Aber jäh wurden sie aus ihrer Unbefangenheit gerissen, als dieser junge Mann eines Tages um die eine der Schwe stern anhielt. Das kam überraschend, unvorbereitet, aber gerade dadurch bewahrte er die Schwestern vor dem inneren Zerwürfnis, vor Eifersucht und schweren Kämpfen: er stellte sie vor eine Tatsache. Herta, die um eine Viertelstunde ältere, die das Los getroffen hatte, schwamm in einem Meer von Wonne und Glück, und da Glück selbstsüchtig macht, dachte sie zunächst nicht an die Gefühle der benachteiligten Schwester, die zum ersten Male in ihrem Leben nicht mit ihr teilen konnte, denn nur eine konnte Heinz zu seiner Gattin wählen Frieda, die jüngere, die ihre Schwester zärtlich liebte, neidete ihr dieses Glück nicht, und dennoch senkte sich ein Stachel in ihre Brust der ihr einen rasenden Schmerz ver ursachte. Dieser hatte seinen Ursprung weniger in dem Ge fühl des Vcrschmähtscins. als in der Erkenntnis, daß dieses Geschehnis sie von der Schwester trennte, daß das Band, das sie beide bisher io eng und fest verknüpft hatte, zerrissen war. Bitter und hart kam sic dieses erste Leid in ihrem jungen Leben an. aber um der Schwester Glück nicht zu stören, ließ sie nick' merken, was in ihrcni Innern vorging. Sie zeigre nur ihre Freud und warme Anteilnahme an der Schwester Verlobung, arbeitete fleißig mit an deren Ausstattung, half dis Möbel aussnchen und die Wohnung einrichtem die die Mutter in ihrem eigenen Hause für das junge Paar be- bestimmt hotte denn sie mochte sich von keinem ihrer Lieb linge trennen. Die Zwillingsschwestern waren ihre ein zigen Kinder. 3 Die Hochzeit sollte bald stattfinden und alle Dorberei- tungen dazu wurden getroffen, die Einladungen waren er gangen. Verwandte und Bekannte sollten dieses Freuden fest mitseicrn helfen. So rückte der Hochzeitstag heran. In ihrem weißseidenen Höchzeitskleide saß Herta-vor dem Spiegel, und die Schwester steckte ihr den Myrtenkranz und Schleier auf dem Haupte fest. Dabei fiel eine Träne in das blonde Haar der jungen Braut. Ob Herta diese Träne im Spiegel gesehen hatte? — Sie wandte sich plötzlich nach der Schwester um: „Frieda, du weinst?" rief sie erschrocken. Da verlor Frieda ihre Fassung, die sie so viele Wochen mutig bewahrt hatte. Aufschluchzend sank sie vor der ande ren in die Knie und barg ihren Kopf in deren Schoß. „Liebling, was hast du?" fragte Herta bestürzt, und ein Gedanke durchzuckte sie, der sie tief erschreckte. Hatte Frieda nicht ebenso für Heinz geschwärmt wie sie selbst, ehe er sich für sie entschied? Wenn Frieda nun unglücklich war, konnte sie selbst glücklich werden? And wenn Heinz Frieda gewählt hätte statt ihrer, würde sie nicht auch weinen an deren Hochzeitstage? Die Fragen bestürmten sie und machten sie für Augen blicke ganz verwirrt. „Was hast du?" wiederholte sie mecha nisch ihre Frage. „Daß ich mich von dir trennen muß — daß — du von mir gehst!" schluchzte Frieda jetzt auf, und der so lange zu rr ^gedrängte Schmerz machte sich in diesem Ausbruch Luft. Fast wollte Herta erleichtert aufatmen, aber ein unend lich wehes Gefühl in ihrer Brust verhinderte sie daran, War dieses Trennungswch nicht auch in ihr, mitten in ihrem Glück, zuweilen aufgetaucht? Sie hatte es stets unterdrückt mit dem Trost, daß sie für den Verlust de: Schm .:r die Vereinigung mit dem geliebten Manne ein tauschte. Und heute an ihrem Hochzeitstage wollte es sie übermannen? Nein, das war töricht, das durfte sie nicht aufkommen lasten, auch in der Schwester nicht: „Närrchen," sagte sie, sich zu Frieda, die noch immer vor ihr kniete, herabbcugend und sacht über ihr Haar streichelnd, „wie kannst du von Trennung sprechen? Unsere liebe Mutter hat uns die Wohnung über euch im zweiten Stock gegeben — wir können uns täglich sehen und sprechen —" „Und unsere Wege sind doch geschieden," fiel Frieda ein. „Bisher sind wir zusammen gegangen, haben alles mitein ander geteilt — und von nun an —" (Schluß folgt.) Der Mensch ist zum Handeln geboren. Sein Vergnügen besteht darin, und sein Glück hängt da von ab. vag er etwas tue. G a r v e. Wie man im Eismeer getauft wird. In Anlehnung an die bekannte Aequatortaufe schus man seinerzeit vor dem Kriege, als die Hapag die Touristcn- fahrten zum ersten Male ausführte, die fogenannte Polar- taufe Nach altem Seemannslatein gewährt Triton, der „Beherrscher aller Fluten" der Polarregicn, keinem Men schen Eintritt in sein Hoheitsgebiet, wenn dieser nicht zuvor freiwillig alle Bedingungen zur Erlangung des Bürger rechts dieses „eisigen Staatswesens" erfüllt hat. Auch auf den Luxusschiffen, welche Fjord- und Polar- fahrten veranstalten, wird bei der Erreichung des nörd lichen Eismeeres eine feierliche Polartaufe zur allgemeinen Belustigung der Pastagiere veranstaltet. Ein Böllerschuß kündet den Eintritt in die Polarregion an Triton mit langem Flachsbart und dreizackbewehrter Rechte, im Kreise seiner Untertanen, heißt alle Neulings willkommen. Unter Musik und reichlich melodiösen Gesängen durchschreitet die kostümierte Mannschaft in langer Polonäse alle Räume des Schiffes. Es folgt eine lustige Predigt und schließlich der eigentliche Taufakt. Der Arzt gibt seinen Eesundheits- befund ab. Barbiere „salben" den Täufling und arbeiten mit riesigen Holzstämmen und -Messern. Urplötzlich wird er in ein mit Wasser gefülltes Becken gestürzt, wo maskierte Matrosen warten, ihn wieder gründlich zu reinigen Wie der hcrausgehoben. erhält er zur Auffrischung noch einen kalten Wasserstrahl und entschwindet dann eilig durch den Windsack.