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HÄMMn-CruMaler Tageblatt un-Lazeiger Nr. 48 Sonnabend, den 26. Februar 1927 I. Beilage Ae WM Her MA Die Parlamentarischen Arbeiten «nd die nächsten Aufgaben des Kabinette» — Um Rheinland»«», munq und Saarkompromiß — Reichswehr und Lowict-Rußland — Der deutsch-polnische Kon flikt — Die englisch-russische Spannung V«n unserem Berliner Vertreter Berlin, 25. Februar Während im Reichstag die Beratung des Haushaltplanes für 1927 in ruhiger Form weitergeht, kam es im preußischen Landtag zu hochpolitischen Debatten. Zunächst handelte es sich hier um die viel angefeindete Verordnung des preußischen Wohlfahrtsministers Hirtfiefer betreffend Lockerung der Wohnungszwangs wirtschaft. Damit verbunden war ein Miß» lrauensantrag gegen den Minister, der gleich zeitig abgelehnt wurde. Die preußische Regie rungskoalition wies bei der Ablehnung des An trages der Linksparteien, die Hirtsiefer-Verord- nung aufzuhrben, zum erstenmal seit langer Zeit einen Riß auf. Die Zentrumsfraktion stellte sich hinter ihren Minister. Ma» hatte zunächst an genommen, daß dieser Vorgang Folgerungen in der Richtung einer Umbildung der Regierung in Preußen nach sie ziehen könnte. Von leiten der Zentrumefraktion wurde aber erklärt, daß die Frage einer Umbildung der Regierung .noch nicht spruchreif sei. Würde sich das Zentrum von der Koalition mit den Sozialdemokraten zurilckziehen, so wäre die Folge di« Auflösung de» Landtages, denn im preußischen Staatsrat, der darüber Beschluß zu fassen hätte, sind die Sozialdemokraten in der Mehrheit und haben es somit jederzeit in der Hand, das Preußenpar- lament nach Hause zu schicken und Neuwahlen auszuschrciben. — Bei der Beratung der neuen Gesetze, die auf Schaffung eines eigenen Hafen gebietes Preußens im Hamburger Hafen ab zielen, kam es sozusagen zu einer „außenpoliti schen" Debatte, die mit einer Rede des Minister präsidenten Braun eingcleitct wurde. Der Mi nisterpräsident machte bei dieser Gelegenheit die Feststellung, daß in Bezug auf den Eebietsaus- wusch und den Finanzausgleich Hamburg und Preußen materiell soweit auseinandergingen, daß eine Verständigung zurzeit nicht möglich sei. Beide Teile seien bereit, sich von Negierung zu Regierung nachbarlich über ihre Maßnahmen und über ein gemeinsames Vorgehen auf dem Gebiete des Hafenbaucs, des Eeneralsiedlungs- plancs und des Verkehrswesens zu verständigen. Preußen gehe im übrigen nicht darauf aus, aus Bosten Hamburgs sich zu vergrößern oder gar ganz Hamburg aufzusaugcn. Preußen sei aber auch nicht bereit, ohne gleichwertige Gegenlei stung preußisches Gebiet an Hamburg abzutre- !en, das letzten Endes nur dazu diene, den ham burgischen stadtstaallichen Partikularismns zu befriedigen und zu stärken. Die Aussprache er wies, daß die große Mehrzahl der Parteien den Siandpunkt der preußischen Regierung vollauf leilt. In einem besonders gebildeten Groß-Ham- burg-Ausschuß soll der Konflikt zwischen Preu ßen und Hamburg weiter beraten werden. Das R e i ch s k a b i n e t t hat in der abge- iausenen Woche wichtige Beschlüsse gefaßt. Zu nächst kam es zu einer Einigung mit den Par teien über die Arbeitszcitverordnung. Die wich tigste der in dem Entwurf.vorgesehenen Aende- rnngcn ist die Aufhebung des Paragraphen ll Absatz 3 der Arbeitszeltverordnung, der an sich ungesetzliche, aber von de» Arbeitnehmern frei willig geleistete Mehrarbeit unter gewissen Vor aussetzungen für straffrei erklärt; diese Bestim mung hat die Durchjührung der Arbeitszeitvor- ühristen ungünstig beeinflußt und ist nach An sicht der Regierung unter den heutigen Verhält nissen nicht mehr haltbar. Das Reichskabinett bat dann weiter den Beschluß über die für den 1. April vorgesehene Erhöhung der Mieten ge- saßt. Danach soll ab 1. April die Friedensmiete nm 10 Prozent und ab 1. Oktober um weitere 10 Prozent steigen. Die zuständigen Regierungs stellen haben vor diesem Beschluß eingehende Ver handlungen mit Vertretern der Industrie ge habt, mit dem Ziele, daß die Löhne und Ge hälter dieser Mietscrhöhung nngcpaßt werden sollen. Auch die Bezüge der Beamten werden jetzt «ine Erhöhung erfahren müssen. Es han delt sich hier zunächst um die Steigerung der Wohnungsgeldzuschüjse. Im Neichsfinanzmini- st.rium werden bereits Erörterungen darüber angestellt. — Zu den wichtigsten innerpolitischen Aufgaben des Kabinettes gehört auch die Frage einer Erhöhung des Mehlzolles. Am 31. März läuft nämlich die Verordnung über den Mehl- zoll und die Verordnungen über die Getreide zölle ab. Aller Voraussicht »ach wird sich der Reichstag noch vor dem 1. April mit dieser Frage beschäftigen und den Beratungen zugrunde wird ein Entwurf des Reichsernährungsministeriums betreffend Erhöhung des Mehlzolles bis etwa 12.50 Mark liegen. Die Erhöhung des Mehl- zolleg ist wegen der Steigerung der Einfuhr von Mehl kaum vermeidlich. Da die französische Öffentlichkeit sich neuer dings auffallend wenig mit der Frage der Rheinlandräumung beschäftigt, ist es Aufgabe der deutschen Außenpolitik, dies« Ange legenheit nunmehr ins Rollen zu bringen, umso mehr, als sich auf der nächsten Tagung des Völ kerbundrates die Möglichkeit einer Erörterung der Rheinlairdfrage zwischen den maßgebenden Regierungsinstanzen ergibt. Der Reichstag steht mit der berechtigten Forderung auf Räu mung des Nheinlandes geschlossen hinter dem Kabinett. In Unterredungen mit französischen Pressevertretern haben erst dieser Tage wieder Professor Hoetzsch und Dr. Wirth einmütig Lie Notwendigkeit einer Zurückziehung der franzö sischen Besatzung aus dem Rheinland« zum Aus druck gebracht. In Genf wird es auch zu leb haften Aussprachen über die Frage der Zurück ziehung der französischen Truppen im Saargebiet kommen. Soweit sich übersehen läßt, will Frankreich der Zurücknahme seiner Truppen aus dem Saargebiet zustimmen, aber eine Polizei truppe in Stärke von 800 Mann anstelle der Besatzung belassen. Die Tatsache, daß die Sozialdemokraten fort-- fahren, die Frag« der russischen Munftionslie- ferungon an die Reichswehr parteipolitisch gegen die Kommunisten auszuwerten, hat nunmehr die Regierung veranlaßt, im Auswärtigen Ausschuß eingehende Mitteilungen über diese Angelegen heit zu machen. Wie versichert wird, soll die Be ratung im Auswärtigen Ausschuß zu dem Er gebnis geführt haben, daß diese Angelegenheit jetzt als erledigt zu betrachten sei und nichts übrig bleib«, was die früheren Regierungen oder das jetzige Kabinett irgendwie belasten könnte. Soweit der wirkliche Tatbestand zu übersehen ist, handelt es sich hier um Munftions- bestellungcn in Rußland, die bereits unter der Reichskanzlerschaft von Dr. Wirth zur Ausfüh rung gelangt sind. Einen Einfluß auf das deusch-russische Verhältnis wird diese Angele genheit nicht mehr haben. Der deutsch-polnische Konflikt wegen der Unterbrechung der Handelsvertrags verhandlungen, der bekanntlich wegen fortgesetz ter Ausweisungen Deutscher aus Pole» und Oberschlesicn in Erscheinung -getreten ist, hat nunmehr zu direkten Besprechungen des deut schen Gesandte» in Warschau mit den dortigen Regierungsstellen geführte Es läßt sich noch nicht übersehe», ob die polnische Regierung nachgebeii wird. Der deutsche Gesandte wird dieser Tage in Berlin Bericht erstatten Über das Ergebnis seiner Besprechungen mit Pilsudski. Die angekündigte Protestnote Chamber lains an Moskau ist nunmehr dem russischen Geschäftsträger in London überreicht worden und wendet sich vor allem gegen die kommunistische Propaganda der Moskauer Machthaber in Eng land und China. Es ist kaum anzunehmen, daß dis Moskauer Machthaber den Forderungen der britischen Regierung nachgcben werde». Die Mög lichkeit einer Aufhebung des englisch-russischen Handelsabkommens und sogar der Abbruch der englisch-russischen diplomatischen Beziehungen ist »ach Lage der Dinge nicht von der Hand zu weise». HM M Mts« Eine Wvchenschuu Konjunkturbesscrung und ihre Einschränkungen — Nationalisierungsvorteile und Antcilsorde- rung der Arbeiter — Mietscrhöhung und Lohn bewegung — Günstigere Dioidendcnaussichten — Der Stahltrustabschluß — Verteuerung der Geldsätze — Fiasko der neuen Ncichsanlcihe? — Kurssturz der deutsche» Ablösungsanleihe — Baisscangriffe an der Börse Vo» wNcicm Berliner HandclsmitardcNcr "Wenngleich auch der Verlauf des nunmehr zu Ende gehende» zweiten Monats dieses Jahres den Eindruck, daß sich die wirtschaftliche Lage fortgesetzt bessert, verstärkt hat, muß doch von neuem betont werden, daß dessen ungeachtet die Lage »och vielerlei zu wünschen übrig läßt. Eine Reihe von Geschäftszweigen hat bis jetzt »och immer nur wenig von dem Wiederaufstieg profitieren können und muß nach wie vor mit Schwierigkeiten kämpfen. Namentlich Hai auch die Kaufkraft der großen Volksmasse keineswegs diejenige Stärkung erfahren, die unerläßlich ist, uni die wirtschaftliche Gesundung allgemein und nachhaltig zu machen. Das ist um so nachdrück licher zu betonen, als man im Ausland verschie dentlich zu einer Ueberschätzung der Wiederauf richtung der deutschen Wirtschaft' und deren Leistungsfähigkeit, soweit es sich um Zahlungs verpflichtungen auf Grund des leidigen Dawes- Vertrages handelt, neigt. Wenn zu diesem Falschurteil die scharfen Kurssteigerungen an der Berliner Börse beigetragen Haden, so ist auch hier in den letzten Tagen eine gehörige Korrek tur in Form von zahlreichen neuen vielfach recht erheblichen Kursrllckschlügcn eingctreten. Von Bedeutung für die weitere Entwicklung der Dinge ist neuerdings die wieder lebhafter ein setzende Lohnbewegung, die durch die jetzt für den 1. April angekündigte weitere Mietser höhung noch an Boden gewinnt und die Gdfahr ernster Tarifkümpfe heraufbeschwört, zumal die Arbeitnehmer jetzt auch Anteil an den Eewinn- vorteilen fordern, die die Arbeitgeber von der fortschreitenden Rationalisierung ihrer Betriebe erzielen. Hierbei sei ausdrücklich festgestellt, daß sich diese Rationalisierungsvorteile einstweilen erst noch in vereinzelten Fällen und in keines wegs erheblicherem Maße bemerkbar machen. Vielfach ist nian überhaupt noch nicht dazu llber- gegangen, die betreffenden Einschränkungs- und Ersparnismaßnahmen zu treffen. In, wesent lichen ist es bis jetzt nur die Großindustrie, die bereits fühlbare Rationalisierungserfolge auf zuweisen hat, wie das neuerdings seitens der Siemens L Halske A.-G. ausdrücklich zugegeben worden ist. Trotzdem gehören Wiederaufnah men der Dividendenverteilung und Dioidenden- erhöhungen für das verflossene Vetriebsjahr immer noch zu den Seltenheiten, allerdings wird in den Geschäftsberichten immer mehr eine Besserung des Geschäftsganges und auch der Ge winnaussichten festgestellt. Besonders erwäh nenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der große deutsche Stahltrust für fein erstes nur sechs Monate umfassendes Geschäftsjahr nunmehr doch eine Dividende in Höhe von drei Prozent, entsprechend einem Jahressatz von 0 Prozent in Vorschlag gebracht hat, nachdem noch bis zur letzten Stunde ernste Zweifel und Widerstände vorhanden waren. Namentlich die Betriebsver waltung dieses Riesenunternehmens hegte Be denken, die nur durch den überragenden Ein fluß der beteiligten Großbanken überstimmt wer den konnte. Inzwischen haben auch die rheini schen Stahlwerke und die Gelsenkirchener Berg werks-Gesellschaft als Gründer des Stahltrustes die Wiederaufnahme der Dividendenverteilung für das neue, im Interesse der Einheitlichkeit nut dein Stahltrust scharf verkürzte Geschäfts jahr in bestimmte Aussicht gestellt. Gleichzeitig wurde aber auch eine weitere Besserung der Ge schäftslage festgestellt, allerdings mit der bemer kenswerten Einschränkung, daß die ungewöhn liche Belebung des Einganges von Auslands aufträgen, den der englische Vergarbeiterstreik verursacht hatte, inzwischen wieder merklich nach gelassen Hnat. Das zeigt sich namentlich auch bei dem Kohlcnversand, nachdem die Förderung der englischen Kohlengruben jetzt wieder ihre volle Höhe erreicht hat, und seitens der eng lische» Grubenbesitzer keine Mittel unversucht gelassen werden, die verlorenen Absatzgebiete wieder zu gewinnen. Von Wichtigkeit ist ferner die weitere Entwicklung der Geldverhältnisse, die gerade gegenwärtig wieder eine ziemlich starke Anspannung erkennen lassen. Abgesehen von den größeren Kapitalansprüchen aus Anlaß des Ultimo stellt sich jetzt mehr und mehr heraus, daß die in diese» Tage» erfolgten Einzahlungen auf die neue große deutsche Neichsanleihe doch f zu einer Vereiigung des Geldmarktes geführt haben, obgleich entsprechend den vorher gegebenen Zusagen beträchtliche Summen dieser Gelder dem Markte alsbald wieder zur Verfügung ge stellt wurden. Es herrscht daher zwar kein Kapitalmangel, indessen haben die Zinssätze eine nicht unerhebliche Verteuerung erfahren, insbesondere ist auch der Privatdiskont von neuem um Prozent bis auf 4'/- Prozent und der Diskontsatz für Warenwechsel mit Großbank giro bis auf 4^/, Prozent gestiegen, während Monatsgeld sich an der Börje bis aus 8 Prozent verteuerte. Daß inzwischen der Kurs der neuen Reichsanleihe, die »och keinen offiziellen Markt hat, unter der Hand bereits bis aus 91, also ein ganzes Prozent unter Zeichnungskurs, hcrunter- gesprochen, wenn auch kaum gehandelt wurde, läßt des weiteren daraus schließen, daß die Unterbringung der Reichsanleihe doch nicht so gut gelungen ist, wie amtlich verlautbart wird. Jntervcntionskaufe der Reicksbank haben den Kurs zwar sofort wieder auf die Höhe des Zeich- nungspreises gehoben. Trotzdem erhält sich der Eindruck, daß die Beschränkung des Zinsfußes auf fünf Prozent oder nach Abzug von 10 Prozent Steuer sogar nur 4,5 Prozent im ge wissen Grade ein Fehlschlag war und eine Ueber schätzung der tatsächlich cingetrctenen Wieder- erstärkung des deutschen Geldmarktes bedeutet. Der hiervon ausgehende ungünstige Eindruck auf die Börse wurde noch erheblich verschärft durch den gleichzeitigen heftigen Kurssturz der vor kurzem eingeführten deutschen Ablösungs anleihe, die an die Stelle der nicht mehr gehan delten Kriegsanleihe getreten ist. Nach einem ersten Kurse von etwa 34 Prozent ist in kurzer Zeit ein Rückgang um beinahe 10 Prozent, also ungefähr um ein Drittel des Kurswertes cinge- treten und zwar als Folge der neuerdings mehr hervortretenden Gewißheit, daß eine Aufbesse rung der Abfindung des Neubesitzes an Kriegs anleihen nicht zu erwarten steht. Somit ge langten noch aus früherer Zeit bestehende grö ßere Hausseengagements in Kriegsanleihen (jetzt Ablösungsanleihen ohne Auslosungsrecht) zur Lösung. Besonders zu bedauern ist, daß seitens der Reichsbank oder anderer zuständiger Stellen diesem Kurssturz im Interesse der Auf rechterhaltung des finanziellen Ansehens des Reiches nicht in irgend einer Form Einhalt ge tan wurde. Eine nachteilige Rückwirkung auf den bevorstehenden Handel der neuen Reichs anleihen steht leider zu befürchten. Wurde doch die gesamte Börse hierdurch ernstlich beunruhigt und verstimmt und dir Baisscpartei zu erneuten größeren Vorstößen ermutigt mit der Wirkung, daß die Kurse zeitweilig außerordentlich scharf ins Weichen gerieten, um sich dann allerdings bald wieder zu befestigen. Immerhin sind noch neue nicht unerhebliche Kursermäßigungen gegenüber der Vorwoche, und namentlich auch eine Vermehrung der Unsicherheit und Zurück haltung der Börse verblieben. Dresdner Plauderei Moderner Städtebau — Keine Liliensteinbahn — Zwei Geburtstagskinder — Weibliche Polizei — Die Jubelfeier des Verbandes Sächsischer Industrieller — Sarrasanis Gastspiel <N»chdruck verboten! Wer längere Zeit nicht die Peripherie Dres dens durchstreifte — man hat ja bekanntlich keine Zeit dazu — und nun einmal an einem sonnenhellen Tage vor die Tore der Stadt pil gerte, mußte erstaunt sein, was da inzwischen alles entstanden ist. Ganze Straßenviertel, teils aus schmucken Ein- und Zweifamilienhäusern bestehend, teils monumental wirkende Wohn hausbauten mit Dachgärten und geräumigen Jnnenhöfen sind wie aus dem Boden herausge wachsen und man darf wohl sagen, daß man sich in der sächsischen Landeshauptstadt die Lösung des Wohnungsproblems hat angelegen sein lassen. Freilich ist die Nachfrage nach einem eigenen Familienunterkommen auch unge heuerlich groß und man wird noch viel und lange bauen müssen, uni einmal die Wohnungs zwangswirtschaft unentbehrlich zu machen. Aber immerhin: die Stadt wächst, und angesichts die ser erfreulichen Tatsache waren auch zwei Vor träge über Dresdens bauliche Zukunft von recht aktuellem Interesse, zumal sie von keinem Geringeren als von Geheimrat Prof. I). l)r. Gurlitt gehalten wurden. Er kennzeich nete den modernen Städtebau nicht als eine Wissenschaft, sondern als eine Kunst und stellte in seinen geistvollen Darlegungen für den heu tigen Städtebau diejenigen Forderungen heraus, die sich hinsichtlich des gesteigerten Ver kehrs, der Schönheit des Stadtbildes und der Hygiene ergeben. Als besonders wichtig wurden vom Redner Parkanlagen und bis in das Stadtinnere hineinreichende Griinzungen er achtet. Ebenso notwendig aber sei die Anlage von Sportplätzen, die jedoch nicht zu den Grün flächen zu zählen seien. Das Verlangen nach Licht und Luft findet heute mehr Verständnis als früher und die Zahl der Lufthungrigen in den Großstädten nimmt immer noch zu. Auch im Winter wird gewandert. Wer nicht am Wochenende hinauf nach Geising fahren und dort Schneesport trei ben kann, begnügt sich mit einem Ausflug in die Sächsische Schweiz, die auch zur Winterszeit ihre Reize hat. Da gibts in Schluchten und Fels« gründen Eisbildungen, die geradezu märchenhaft erscheinen. Und wunderbar nimmt sich tief unten vom Elbtalc der mächtige Fels Lilien stein aus, wenn seine Waldkrone inr Rauhreif prangt. Dank und Anerkennung gebührt aber dem sächsischen Finanzministerium dafür, daß es die Genehmigung zur Errichtung einer Seil schwebebahn von der Stadt Königstein über die Elbe hinweg hinauf nach dieser stolzen Fels zinne versagte. So was hätte gerade noch ge fehlt. Man denke sich die grandiose Landschasts- jzencrie gerade an diesem Teil des Elbtales und nun sollten ein paar Drahtseile voni linken Ufer über den Etroni hinweg und hinauf auf das gewaltige Felsmassiv führen. An diesen Seilen aber hinge ein Wägelchen, in das 16 bis 20 Personen hineingepfercht werden, die da der lieben Bequemlichkeit halber und wohl auch aus vergnüglichen Gründen hinauf- und herab schweben. Erfreulicherweise wird nun aus dieser Landschaftsverhunzung nichts und dem Landes verein Sächsischer Heimatschutz gebührt herzlicher Dank dafür, daß er so entschieden das Projekt bekämpfte. Das von Prof. vr. Paul Schumann erstattete Gutachten über die Nachteile einer sol chen Bahnanlage an jener Stelle war allerdings auch so deutlich und überzeugend, daß mit gar keiner anderen Entscheidung des Ministeriums gerechnet werden konnte. In Königstein ist man zwar arg verstimmt über das Scheitern des Planes, aber so schwer zugängig ist der Lilien stein doch gar nicht, was am besten der rege Ver kehr auf seinem Gipfel bezeugt. Der Heimatschutz hatte übrigens vor Wochen frist einen besonderen Festtag. Sein erster Vor» atzender, der im ganzen Lande groß und klein bekannte Hofrat Prof. Oskar Seyffert eierte seinen 65. Geburtstag, d. h. er wurde von einen vielen Freunden gefeiert und Seyffert ionnte sich das gefallen lasse» Seine Verdienst« uni die sächsische Volkskundecklnd um das säch» ische Volkstum find so bekannt, daß man nicht wch etwas darüber zu sagen braucht. Sein Lebenswerk ist aber das prächtige Museum im ehemaligen Jägerhof dicht beim Finanzmini sterium. Und wer hätte draußen im Lande nicht schon einem Vorträge Seyfferts beigewohnt? Die Art, wie der Hcimatschutz seinen bewährten Führer zum 65. Geburtstag beglückwünschte, war ebenso originell wie reizvoll. Im stimmungs vollen Harmoniesaale hatte sich am Festabend sozusagen das ganze offizielle Dresden einge funden. Auch der sächsische Ministerpräsident Heldt war mit vielen Vertretern der einzelnen Ministerien erschienen. Kaum batte Hofrat