Volltext Seite (XML)
bereit, und dieser war es, den Kalmann tödlich haßte, aber nur einer geringen, kaum nennenswerten Ursache halber; hatten doch der Sohn des Bäckers und das Kätchen Kal mann sich lieben gelernt, weshalb im Kahlmannschen Hause schon mancher Streit ausgebrocheu war und die Mutter das Verhältnis begünstigte, ja mit liebem mütterlichen Herzen den Streit zu schlichten suchte, wo es anging. Wo alle Bürger sich mit hüpfendem Herzen auf die kommenden Stunden freuten, Alt und Jung sich festlich schmückte, um sich an dem schönsten Fest der Stadt zu er götzen, saß unser Kätchen versonnen und regungslos am son nigen Fenster und ließ die düsteren Wolken der Zukunft an ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Und warum ihr das? Die doch sonst eine folgsame Tochter? Sie nimmt all ihren Mut zusammen, ja sie wird heute ihren Herzliebsten treffen, und wenn der Vater dazuküme, wollten sie ihre junge Liebe verteidigen. So weit könne der Vater nicht gehen, ihr das Lebensglück zu zertrümmern. Im Städtchen jubelt es auf, die Trommler rühren ihre Felle, Schallmeyen, Dudelsäcke, Tromben und Clarinetten führen die Bürger auf die Festwiese vor der Stadt, Alt und Jung, Groß und Klein schließen sich dem Festzuge an, das Hausgesinde, meist wendisch, mit großen Kopftüchern, worin man ein ganzes Dorf einwickeln kann, mit endlos breiten Schürzen — immer der Nase nach, so daß wohl zu Hause niemand mehr zu haben ist. Hei, wie der Vogel von oben herunterlacht, wie er sein buntes Gefieder spreizt, wie er winkt: kommt ihr Pol zen, ich will euch schon festlich empfangen! Und sie kamen geflogen, die Polzen, einer nimmt eine Feder, der andere den Reichsapfel, Fahne, Hals, Schwanz, alles unter dem Beifall der unten jubelnden lustigen Menge. Und nun kommt der Kampf, der auf's Ganze geht! Man kann doch den Vogel, der wie ein gerupftes Huhn aussieht, nicht-oben lassen. Polzen auf Polzen dröhnen an den dickschädligen Rumpf, einer nimmt einmal einen kleinen Brocken weg, aber mit majestätischer Ruhe trotzt derselbe scheinbar auch den bestausgesuchten Kalmannschen Bogen. Doch was ist das? Der Rumpf spaltet sich, fällt in zwei Teilen auf die Festwiese. Lauter Jubel, Trommelruf, Du- delstücke und Schallmeyen. „Wer ist der König?" tönt's von Mund zu Munde. „Myrisch, des Bäckers Sohn, hat ihn abgeschossen!" Und hineingeführt in die Zeche wird der junge König und schwer mit Silber behängt und beglückwünscht, und in einer Ecke steht Kalmann wutzitternd und ruft: „Dieser Grünschnabel hat mich abgeschossen!" Nun steht er unter dem glückwünschenden Volk; einige biedre ehrbare Bürgerfrauen sehen das Kätchen, nehmen das verschüchterte Mädchen an der Hand und führen es zu ihrem Herzensschatz, der ihr wehmütig lächelnd die Hände drückt. (Fortsetzung folgt.) —o Derr gewitzte Hochz'tbötter! — Heitere Erzählung aus der Westlausitz — 8) von Hermann Weise. (Schluß.) Ganz teebrig ond iöwerglöcklich woar do off emo de Liese ond troapp papperte se ihr Schprüchel har: „Ach, wie wär'sch möglich dann, doaß ich dich losten koa', hoa' dich von Harzen lieb, doas gleeb' ner mir!" Kaum doaß se's ruuger gehoaspelt hotte, roasselt se dar Karle o schon oan ond brockte suo feste, doaß suogaar de Korsettschtangen ze knackern oanfungen. Demo hoagelt's oawer eenen Schmoatz off'n andern. Liese, die'ch goar nö genung wondern konnte, wuo Oalwin — dan se glei' derkaannt hotte — nor off emo suo fix de Kurasche haarnahmen toat toat'ch oawer do glei ze- friöden gahu, weil se zu sceebenvoll woar, doaß se doa noa a röcht'ges oansahnliches Moannsen offgegoattert hotte. Dröm grecf se o harzhoaft zu oud luß Oalwine, off dan se schon lange a' Oage hotte, glei' goar nö mih locker. Wie se nu groad alle Beede ön schönsten Dillatz woareu, koam off emo derr aale Hochz'tbötter oangeschlompert ond toat'ch, wie er'schesahk, ganzdomm schtaalen. Verwundert froat'er: „Hiehe Word wuo glei' noamo Hochz't gefeiert? — Sieht doa baale suo ans! Nee, sahtt oich bluos amo hiehe doas scheinheil'ge, junge Chor oan! — Suo ane Noasselbande! — Hönne ver'n Loiten do seid'err feege ond tut, als wenn'er einander fremde seid ond kee' Wasser trüben könnt! Do soat'err kee's nö Mass! Ond's heeßt doa: „Ver Licht ond Loiten hot's nischt ze bedoiten." — Oawer hiehe, do denkt'err o: „Oen Dunk'ln ös gut munkeln." Do tut'err e'nander glei' off'n Hoals Hoppen ond'ch ver Liewe baale offfrassen!" Liese, bei dar'sch hiehe nu kee' Schenirens nö gähn toat, weil se sich zu sihre freete, doaß nu doa noa Noot ze an Moannsen gewor'n woar, toat'n glei' reenen Wein ei'- schenken ond meente zu'n: „Macht doa nö irscht suo an langen Maarett'g dröm- merröm, Voater Koähler! Ihr seid doa o nö irscht von Gestern ond Hoite! Doas sahtt'err doa, wie mir Beede z'soammen schtiöhn tun. Mir hoan ons a'm garne, derno Word doas suo! — Ihr ward'ts wuo früher o nö besser getriöm hoam! Oawer ee's fahlt ons nu doa noa!" „Hoi!" meente verwondert do Traugott. „Woas de? Doas mächt'ch o wössen!" „Nu, kinnt er oich de doas goar nö denken?" schmon- zelte Liese ond sahk Oalwine derbeie zärtlich oan. „Mir Beede wo'n's amo zesoamm'n riskir'n, ond do toät merr ze onser Hochz't, die merr juo nö lange nausschie'm wo'n, an Hochz'tbötter brauchen! Ond do docht'ch doa glei' an oich!" „Do koa'ch oich aus derr Nuot halfen!" schloapperte Traugott. „Wenns do droane bluos noa fahlen selle, do gat'ch ner zefriöden! Dozu Word oallemo noa Root war'n!" Oalwin toat Voater Koähler'n an Gunks gähn ond meente leise zu'n: „Ihr kinnt doa mih wie Bruot assen! — Wärt Ihr nö gewaast, do bleb'ch meitage a' aaler Junggeselle ond hätt's zu Nischte gebrocht! — Doas sillt'err juo nö be reuen! — Fer oier Betunis öm mich war'ch mich schonn noa reichlich oabfingen!" Derno zarrt'n Liese o sachte an'n Rockschößeln ond bischberte ön'n nein, doaß Oalwin nischt spitz kriegen sellte: „Voater Koähler Doas giöht doa hiehe nö möt röcht'gen Dingen zu! Ihr seid juo a' Hexenmeestcr! Nee, iöwer oich oawer o, woas Ihr nö oalls feert'g brengt! — Hot Ihr doas Konstschtöckel ze Waage gebracht, mich aale Jompfer doa noa unger de Hauwe ze breiigen! Doas soall juo oier Schoade nö sen! Horcht amo! Woas'ch oich noa froo'n Wöll!" Ond derbeieworde Liese foierruot ond kruoch baale ön Traugotte nein, suo toat se sich schaamen. „Wuo Ihr suo gescheidte seid kinnt'er mir do nö o soan, oab' mer derno o amo Zuwachs krieg'n wor'n?" Do kroatz'ch Voater Köhler woas hingern Uhren, bau melte 'n Kopp hön ond har, wie wenn er'chs irscht gruoß iöwerlee'n müßte, derno meent'err schmonzelnd, derbeie Liesen off de Poatschen klitschend: „Do troat oich keene Sorge! Doas koa'ch oich zusäll'g ganz genau soan: Wenn Ihr oire Hochz't öm Märze mo tut machen, do braucht'err derno ze Weihnachten Kindersachen!" — -2- o«—o Deutsche Geselligkeit, r,——a u Von K. Schon Aristoteles (384—322 v. Chr.) sagt, der Mensch sei von Natur ein politisches Geschöpf, ein geselliges Wesen. Man darf wohl behaupten, daß das, was Aristoteles sagt, auf unser Volk vortrefflich paßt. Schon der römische Ge schichtsschreiber Tacitus sagt von den Deutschen: „Ein ihnen eigentümliches Laster, das unmäßige Essen und Trinken, ja sogar Spielen bis zum Verlust der eigenen Freiheit, stand dagegen mit Tugenden, mit Geselligkeit und Gastfreundschaft in engem Zusammenhänge." Sehr bezeichnend weiß Paul in seiner Geschichte „Die versunkene Stadt" davon zu er zählen, wenn er sagt: „Das Hoftor knarrte im aufwirbeln- dcn Wind, die Hunde schlugen an, der Wirt fuhr aus seinem Brüten auf. „Sind Gäste da?" sagte er aufhorchend, „geh hinaus, Meginhard, sieh nach und geleite die Fremden in die Halle." Die andern blickten sich an, der Knabe folgte dem Befehl, kehrte aber nach einigen Augenblicken mit der Nachricht zurück, daß niemand da sei. Traurig sah Wibo auf den Herrn. Abend für Abend zeigte sich seine Sehn sucht nach alten Zeiten in dieser Frage nach Gästen, und jeden Abend versank er dann in finsteres Sinnen. „Ist kein Sänger da, der die Zeit vertreibt?" fragte er finster. „Ist das Gedenken an die Helden unseres Geschlechtes verklungen, daß kein Mund sich auftut, sie zu preisen?" Langes Schwei gen war die Antwort. „Wird mein Wille nicht vernommen!" rief der Greis, zornig umherblickend. „Ich will den Sänger, ich will Gesang!" schrie er, dröhnend auf den Tisch schla gend. Da trat der alte Wibo hervor. Die erstaunten Blicke der klebrigen störten ihn nicht. Er warf einen trüben Blick auf den erzürnten Herrn und legte sein Schwert ab; denn nur unbewehrte Männer sangen. Spöttisch verzogen sich die Gesichter der Knaben, als er mit rauher Stimme begann, aber allmählich schwand das Lächeln, die Auge» fingen an zu glänzen, die Wangen röteten sich; denn der Sänger sang von den Taten und Begebenheiten längst vergangener Zeiten, von König Hroswiths Meerfahrt, vom Lande, da wohnte die hehre Rundeuterin Ruodhaide und von Hertha, die ihm das Methorn bot und die er sich zum Weibe erkämpft. Ruhm bedeckt kehrt er unter dem Jauchzen des Volkes mit ihr in seine Königshalle zurück. Atemlos lauschten die Zuhörer, an den Wimpern des Wirtes hiügen Tränen, auch des Säugers Stimme bebte vor Erregung; denn Heldenseelen durften weinen bei der Erinnerung an die Taten und Zeiten ihrer Väter. Es waren Tränen stolzer Freude. Als Wibo geendet, neigte er sich vor seinem Herrn, der winkte, an alte Zeiten gedenkend, dem Enkel und der Knabe trug aus der Schatztruhe in Warnfrieds Kammer einen Becher hervor. Der Wirt reichte ihn dem Sänger zum Lohn, und der treue Alte nahm ihn dankend." So erzählt Paul, wie die alten deut schen Recken die Sehnsucht nach früherer Geselligkeit erfüllte, nachdem es auf dem Heidenhofe bei Vineta so einsam ge worden war. Und nun ein Bild aus späterer Zeit. Waren die alten Germanen in ihren einsam gelegenen Gehöften schon auf die Geselligkeit angewiesen, so macht sich das Ver langen darnach erst recht zur Ritterszeit bemerkbar, insbe sondere zur Winterszeit, wenn man lange in den engen, wenig lichten und schwer zu lüftenden Gemächern der Burg verbleiben mußte und die böse Witterung auf den Mauern, im Garten und in der Laube nicht gestattete. Da war man auf nachbarlichen Besuch angewiesen und gern sah man Gäste und Sänger. Dann ging es mitunter in einer Burg hoch her. Die dunkle, üerwölbte Vurgeinfahrt macht nebst dem vorderen Hofraum infolge Reinigung ein freundliches Gesicht. Das Hauptgemach der Burg, die Diele war mit Binsen be streut und die darin stehende Tafel zeigte ein schneeweißes Linnen, die darum stehenden Bänke und Sessel von Eichen holz schmückten bunte Wolldecken. Dies war alles auf Ge s Herst der gestrengen Bnrgstan geschehen. O, Vre armen Aneästr und Mägde hatten schlimme Stunden hinter sich. Wie das böse Wetter war die Herrin umhergesaust und hatte manchen kräftigen Schlag mit der Kelle oder der Faust in wechselnder Begleitung entsprechender Wörter an das Gesinde ausgeteilt. Dafür hatte aber ausgesuchtes Schlacht- und Federvieh unter den Beilen und Mestern dec Knechte und Mägde verbluten müssen. An den Feuerstellen in der Küche brodelten in großen Pfannen saftige mit Gewürzen reich bestreute Fleisch stücke. Andere, mit Speckstreifen durchzogene staken an Spie ßen, die von Küchenjungen gedreht und wobei die Ziemer und Keulen von Mägden fleißig mit Sahne übergossen wurden. In bedeckten, irdenen Gefäßen kochte man Backobst, Hirsebrei, der stark mit Safran gefärbt war und anderes Gemüse. Im Hofe verbreitete sich der süße Duft frischen Gebäcks, das auf die Bretter des Backhausschuppens hoch genug gestellt worden war, um nicht den herumlungernden Hunden zur Beute zu fallen. Ach, der süße Duft stieg auch wieder ins dunkle, feuchte Verließ des Bergfrieds, wo un glückliche Gefangene mitleidslos verkümmerten. Auch der kundige Küchenmeister hatte vollauf zu tun. Er mußte im kühlen Burgkeller die verschiedenen Biere, die mitunter eigen artige Namen wie „Mord und Totschlag, Krabbel an der Wand" hatten, prüfen, eine wohl verantwortungsvolle aber angenehme Aufgabe, und vor die Spundlöcher, um schnell den erwünschten Trank darbieten zn können, Holzkannen zu stellen. _ Auch stand der große Küchentisch mit Gefäßen voll Wein, Honig und Gewürzen, damit der Würzwein, sobald er verlangt wurde, sogleich bereitet werden könnte. So waren alle Vorkehrungen zum Empfange und der Bewirtung der Gäste getroffen worden. Nun wurde ihre Ankunft freudigst erwartet. Jetzt ertönte das Krummhorn des Turmwarts. Eine Anzahl Herren, gefolgt von ihren Knechten wurde vor der Burg sichtbar. Die Torbrücke raffelte nieder und bald fand der freudig lärmende Empfang statt. Währenddessen wurden die schäumenden Rosse von den Burgknechten in die Ställe geführt, der Burgherr geleitete aber die „ehrenfesten" Ritter eure steinerne Wendeltreppe hinauf nach kleinen Ge mächern, wo sie unter Beihilfe von Knechten und Frauen die schweren Rüstungen ablegten, sich vom Staub reinigten und leichtere, reich mit Zaddeln, Knopf- und Schellenschmuck versehene Kleider anlegten. Bald erschien einer nach dem anderen von den Gästen auf der Diele. Noch fehlten zwei der Eingeladenen, deshalb ließ der Burgherr von seinen drei „Jungherrlein", so hießen die Pagen und Hosjunker um die Mrtte des l 5. Jahrhunderts, die in Gemeinschaft mit einigen Küchenjungen den Tafeldienst hatten, vorläufig Bier in silber beschlagenen Trinkhörnern herumreichen. Jetzt war wieder der lauggezogenc, dumpfe Ton des Wächterhornes zu hören, und man sah von den rundbogigen Fenstern der Diele aus, die noch kein Glas besaßen, die beiden fehlenden Ritter ein hertraben. Bald traten sie in den Saal ein und das Esten begann. Dampfende Schüsseln wurden auf die mit Blumen geschmückte Tafel getragen. Dazwischen standen auf kleinen Gestellen Trinkgefäße der verschiedensten Art. Der Burgherr nötigte die Herren zum Zulangen, indem er sagte, sie sollten, wie sie es im Felde und bei den Fehden fürtrefflich verstün den, auch hier tapfer einhauen; und so oft es ihnen im Verlauf des Essens sauer fallen sollte, sich nur frischen Mut dazu antrinken. Nun, man ließ es weder an dem einen noch an dem anderen fehlen und die Jnngherrlin und Küchen jungen hatten vollauf zu tun, um die Tafel immer mit Speisen vollbesetzt und die Humpen mit kühlem, schäumenden Getränk gefüllt zu erhalten. Daher kam es noch nicht zur eigentlichen Unterhaltung. Es war nur das ziemlich laute, gegen die Anstandsforderungen der heutigen Zeit stark ver stoßende Geräusch beim Essen und Trinken, untermischt mit wirr durcheinander tönenden meist unverständlichen Aeußerun- gen zu hören. (Fortsetzung folgt.) -3-