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— 23 — trauensmann in Neusalz a. Oder, dein in der Anklage zur Last gelegt wurde, daß er einen nicht angemeldeten politischen Verein leite, heimlich Versammlungen desselben abhalte und durch Aufnahme eines 17jährigen Forinerlehrlings gegen obigen Paragraphen verstoßen habe. Die Ver handlung vor dem Schöffengerichte endete mit Verurtheilung des An geklagten zu einer Geldstrafe von Mk. 40.—, gegen welches Urtheil aber auf Veranlassung des Vorstandes Berufung eingelegt wurde. Die zweite Instanz sprach, wie vorauszusehen, den Angeklagten kostenlos frei, mit der Begründung, daß der Verband kein politischer Verein und mithin ihm auch die Aufnahme von Minderjährigen nicht ver boten sei. Außerdem wurde vom Gericht festgestellt, daß die Thätig- keit des Vertrauensmannes nicht mit einer Dereinsthätigkeit zu identi- fiziren sei. Dieses von dem Landgericht erzielte Urtheil leistete später mehr fach gute Dienste, weil an verschiedenen Stellen, so in Freiburg i. Schl, wegen einer Versammlung, wo ein Redner über die Maifeier sprach, und später in Luckenwalde bei einer Festlichkeit die polizeiliche Ent fernung der weiblichen Theilnehmer damit, daß der Verband ein politischer Verein sei, motivirt, und gegen die Veranstalter Anklage erhoben wurde, die aber mit Freisprechung endete. Trotz dieses srei- sprechenden Erkenntnisses hat die Polizeibehörde in Luckenwalde letzthin wieder bei einer Festlichkeit gegen die Zulassung von Frauen Einspruch zu erheben versucht. Ebenso konnte auch das Glogauer Urtheil ganz gut für Lägerdorf, wo der Ortsvorsteher vom Vertrauensmann die Einreichung der Mit gliederliste und eines Statuts verlangte, und als dies nicht geschah, ihn mit Grafen belegte, angewendet werden, und wurde auch hier Frei sprechung erzielt. Eine die gleiche Frage behandelnde Entscheidung wurde vom Ober verwaltungsgericht erlassen und wird in dieser ebenfalls eine die Frauen aus deu Verbandsversammlungen ausweisende Verfügung der Polizei behörde iu Remscheid aufgehoben, nachdem im Beschwerdewege alle In stanzen bis hinauf zum Oberpräsidenten die Beschwerde abgewiesen hatten, und die Aufhebung der Verfügung damit begründet, daß der 8 8 des preußisches Vereinsgesetzes auf den Verband im Allgemeinen keine Anwendung finden könne. An einem größeren Strafprozeß war der Verband sodann noch betheiligt durch einen Brauereiboykott in Apolda, und hatte die Staats anwaltschaft gegen 15 Personen der verschiedensten Branchen wegen Erpressung Anklage erhoben. Von den 15 Angeklagten blieben bis znr Hauptverhandlung nur 5 übrig, während gegen 10 das Verfahren eingestellt wurde. Von diesen 5 (3 Brauern und 2 Metallarbeitern) wurde ein Verbandsmitglied mit 6 Wochen Gefängniß bestraft. Zu den Zivilklagen, die auf Verbandskasten geführt worden sind, gehören auch mehrere Privatbeleidigungsklagen, die selbstverständlich stets entweder aus dem Arbeitsverhältniß oder aus der Verbands- thätigkeit herrührten. Nicht mit aufgefühet sind hier die Schuldklagen, die gegen Streikbrecher inszenirt wurden. Der Ausgang der Beleidigungsklagen ist in den meisten Fällen ein sehr problematischer, wie der an anderer Stelle schon angeführte Fall Müller-Nürnberg zeigt. Müller hatte nach seiner Freisprechung