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Adorter Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Fünfzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botcngelezenheit: LS Ngr. S Pf. 15. Mittwoch, 10. April 1850. Köchly's Urtheil über den Maiaufstand in Dresden. Der frühere Abgeordnete Köchly hat einen Brief von Brüssel aus im vorigen Jahre geschrieben, der über die Dresdner Maiereignissc manchen Aufschluß giebt und woraus recht klar hervorgcht, daß an eine Verschwörung, an eine republikanische Schilderhebung nicht gedacht worden ist, daß alle diese Schwatzereien nur von dor Reaktion ausgegangen sind. Diese Be hauptungen stimmen ganz mit dem überein, was auch Heubner in die Untersuchungsakten niede,gelegt hat: Der Kampf galt der NeichSverfassung, die Zusammen setzung der provisorischen Regierung geschah zur Ab wehr von Gewallthaligkeiten und zur Abwendung der Anarchie. Doch Horen wir Köchly sechst: Was ist Alles seitdem geschehen, daß wir uns am Sonnabend, d. 5. Mai Nachmittags, auf der Räck- nitzer Straße, vor dem Plaucscben Schlage, sahen und unsere Besorgnisse und Hoffnungen fluchtig- austausch- ren! Wahrlich ich ahnte damals nickt, daß es für lange Zeit — vielleicht für immer — das letzte Mal sein werde; ich dachte nicht daran, daß wenige Tage darauf, Flucht und Kerker das Loos so vieler aufrich tiger Vaterlandsfreunde sein, daß ich selbst nach kur zer Zeit als ein „gemeiner Verbrecher" bezüchligter Flüchtling den Boden meines deutschen Vaterlandes verlassen würde. Damals war ich, wie Du Dich er. innern wirst, noch der festen Erwartung, daß der bra- ve Oberländer von dem Könige als Friedenstaube mit dem Oelzweige zurückkchren werde. Konnte ich es doch nicht fassen, daß man ohne einen Versuch zur Verständigung, die Hauptstadt des Landes, die das wahrlich nicht um das Königshaus verdient hatte, der Waffengewalt fremder Söldner Preis geben, daß man zwischen Fürst und Volk einen Blutstrom ausgießen würde, der, fruchte ich nie trocknen wir», zumal nach dem von Seiten der höchsten Behörde Alles versäumt worden war, um einem Ausbruche zuvorzukommen, um nicht zu sagen — Alle- gethan worden war, ue> einen Ausbruch hcrbeizuführen! Denn ich meinerseits — und wenn ich den Augenblick mit dieser Aussage sterben sollte — sehe hauptsächlich drei Ursachen, wel che den lange aufgehäuften Zündstoff zur Explosion brachten; das Verbot der Kvmmunalgardenrevüe, wel ches die Stadt im Augenblicke der höchste,^Aufregung seiner geordneten Bürgerwehr beraubte, die Kartät. schensaloe aus dem Zeughaust, welche der herbeieilcn- den Kommunalgarde nicht minder wie die Tumultu anten traf, und die Flucht des Königs unv sammtli- eher Minister am Freirag früh, welche uns nur die Wahl ließ, den schon vorhandenen, nicht durch unS hervorgerufcnen Ausstand entweder in zügelloser Anar- chie ausarten zu lassen, oder behufs einer möglichen friedlichen Vermittelung zu organisiren. Diejenigen, welche diese drei Ereignisse verschuldet haben, sind, die wahren Urheber der beklagenswcrthen Ka tastrophe, welche vielleicht in ihren Folgen das Auf hören Sachsens als eines selbstständigen Staates und die Mediatisirung des Hauses Wetkin, welches 1815 nur so vorüberging, herbeisuhrt; diese sind, wenn denn einmal der Name gelten soll, die wahren Hochver- räthcr an Fürst vnd Volk — nicht wir, und wenn wir zehnmal mit Kerker und schmählicher Flucht ver folgt, jene mit „hohen Orden" und Titeln belohnk werden. Darum bin ich getrost; mein Bewußtsein, selbst an jenem verhängnißvoUen Donnerstage und Freitage das Beste gewollt zu haben — nicht für eine Partei, sondern für das ganze Land, das unge- trennte Interesse von Fürst und Volk im Auge ge habt zu haben; dieses Bewußtsein tröstet und erhebt mich, wie gewiß auch meine viel unglücklicheren Freunde, welche im Kerker schmachten. Ich möchte