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A-orter Wochenbett. Mittheil«« gen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Fünfzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: I Thaler, bei Bestellung des Blattes durch Botengelegenhett: 2S Ngr. S Pf. 11. Mittwoch, 13. März 1850. Für die freien Religionsgemeinden. In der ersten Zeit des Christenthums wurden die Andachtsübungeu von jeder Gemeinde ohne besonders angestcllle Priester gehalten und es gab demnach keinen Gegensatz von Laien, d. h. Weltlichen zu Geistli chen oder Priestern, die später einen besonder» Stand oder Kaste und nach und nach eine Priester herrschaft oder Hierarchie bildeten. Im Anfän ge des Christenthums konnte bei solchen religiösen Ver sammlungen Jeder, der sich begeistert fühlte von drr Lehre und Kraft, als Lehrer und Prediger des göttli chen Wortes in der Gemeinde auftrelen, Alle waren Brüder und gleichberechtigt, wie noch heut zu Lage bei den Quäkern und Methodisten. Erst 300 Jahre nach Christus sängt eine Prie st er sch ast (Cleru-s) als besonderer Stand an aufzu- «aucben. Die Wissenden und Lehrenden schieden sich von den Gläubigen und Lernenden, und als nun ein mal der Anfang zur Herrschaft des Clerus gelegt war, so bildete er sich, wie ganz von selbst, immer weiter fort. Zuletzt ist es — besonders im Kotholicismus dahin gekommen — daß die Geistlichen in der Ge meinde Alles, die Laien gar nichts mehr sind und alS eine fromme, blindgläubige Heerde betrachtet werden. In der katholischen Kirche ist diese Priester- oder Pfaffenherrschaft am Vollendetsten ausgebildet, aber auch in der protestantischen Kirche sind die Laien mit ihren Rechten wie aus der Kirche verschwunden, die Geistlichen sind die Berechtigten, Herrschenden, die Laien die Gehorchenden, die Schäflein, die sich weiden lassen von ihren Hirten. In dem politisch- und religiös fr eien Nord amerika jedoch ist dies anders, dort gibt es nämlich Heine herrschende, priviligirte StaatSreli- gion, sondern alle anderen Religionsparteien, cS sind ihrer^über 18, sind völlig gleichberechtigt. Die Pre- Viger in den Bereinigten Staaten werden nicht al» Staatsdiener, sondern als Diener der Ge meinde betrachtet, von welcher sie auch selbständig gewählt werden. Kein Geistlicher darf do« für den Kongreß alS Bolksvcrlrcter gewählt werdend Der demokratische Geist, der seit 1848 durch die Welt gebt, hat jedoch auch an die Tküre unserer Kirche gepocht, die Gemeinden verlangen: daß der Zu stand der Vormundschaft von Seiten des Staates bei der Wahl und Bestätigung ihrer Prediger und auch der Lehrer der Jugend aufhöre, daß der Pfarrer der Diener der Gemeinde, nicht im Namen de^ Staates ihr Herrscher sei, daß sie selbst die Verwaltung ih rer eignen Angelegenheiten, die Feststellung des Lehr- begriff?, die freie Wahl und Berufung ihrer Prediger und Lekrer erhalle — sie verlangen dies von GotteS und Rechtswegen! Das Volk, welches nach politischen Rechten gerungen, ringt auch nach ki rch l i ch e n Rech- ten, cs will auch in der Kirche zu seinem Rechte ge langen. Die Neu-Katholiken sind hierin mit großer Entschiedenheit vorangcgangen, so wie auch die Reformieren. In der katholischen Kirche steht noch Alles starr und unbeweglich. Die Gemeinden werden und müssen mit der Zeit Selbstständigkeit in kirchlichen Dingen erhalten, die Priester werden hcruntersteigen von dem Throne, auf dem sie über die Gemeinden herrschen, auf die Stufe eines gleichberechtigten Glie- des und Dieners derselben. Dahin geht der Drang der Zeit. Wir wünschen der Bildung der neuen religiösen Gemeinden den besten Fortgang, jedoch werden sie, so lange sie nicht kirchliche Akte, wie Taufe oder Trau ung verrichten dürfen, so langt namentlich die von den Grundrechten verlangten Stand es büch er von den Regierungen nicht eingeführt sind, nur eine Halb heit bleiben. L. Albert.