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von der Zelle zu jenem erwähnten sogenannten Hofe Niemand den Gefangenen bei zufälliger Begegnung Erkenne. Sratt des ScbnupslucbeS sah ich ein Stück der gröbsten ungebleichten Sackleinewanv; lederne Pan toffeln; das schön« braune Lockcnhaar kur^ geschoren." „Nachdem wir nn Beisein deS Schließers eine Biertelstuude gesprochen, wurden wir zum Scheiden ermahnt. Der Aufseher gestattete mir indcß noch die Zelle des Unglücklichen zu sehen, unter der Bedingung, daß dieser so lange in einer andern Zelle verschlossen würde. Nachdem dies geschehen, wurde ich in Cor» vins Zelle geführt. — Denken Sic Sich einen läng lich viereckigen Raum, höchstes vier Schritte breit und sechs lang, vier nackte Wände, das Licht durch eine unter der Decke befindliche runde, mir Gittern verse hene Oessnung, der Fußboden unbedeckte Stein». Ein Stuhl, eine Art Block oder Tisch, in der Ecke ein kleines Bret, auf dem ein gngeschnirines ganz schwär, zos Brot, an der Land ein aufgeschnalltcs Bett» waS auS zwei Matratzen zu bestehen schien, endlich ein — Spinnrad. — Corvin,! der hohe, kraklige, geistige Mann, in diesen vier entsetzlichen Manern lebendig be graben, — zum Wollcspinncn gezwungen." — „Corvin batte vor längerer Zeil an der Gicht in einem sehr hohen Grade gelitten, ward jedoch herge- stellt und war später gesund und kräsng. Ji Folge der Luftheizung, de- damit verbundenen Temperatur- Wechsels, des kalten Fußbodens, der mangelhaften Kleidung und der noch elenderen Nahrung hat seine Gesundheit in einer Weise gelitten, daß sie, wenn nicht bald eine Aenderung sin seiner Behandlung cinlrirt, im günstigsten Falle — für immer vernichtet ist. Horen Sie einige Stellen eine- späteren Briefe- an feine unglückliche Frau, die Alles sagen, da er sich, wie ich ihn kenne, bemüht hat, ihr seine Lage noch nach Möglichkeit schonend darzustellen; diese Zeilen sind aus einem sogenannten offiziellen Briefe, d. h. einem Briefe, der offen durch die Hände des betreff»«, den Zuchthaus-PersonalS gegangen. „So habe ich denn hier keinen Schimmer von Glück, Nichts, wat meine Lage irgend erträglich machen könnte. Mit meiner Gesundheit geht eS nicht gut. Ich fiebere und meine Nerven sind sehr angegriffen, dabei bi» ich außerordentlich matt nnd elend, was wohl am meisten auS Mangel an Nahr» ung kommt, da ich fast Nichts esse, indem ich das mir gereichte Essen nicht vertragen kann. Reißen im Kopfe und in den Zähnen habe ich fortwährend; so da- ich mich schon daran gewöhnt habe. — Wenn daS Sprachzimmer fertig ist, werden wir wohl auch wieder unter Umständen Besuch anncbmen dürfe»; allein ich kann Dir nicht rathen, die lange Reife zu machen, um diese Erlaubniß zu erhalten; cS ist ja doch nur eine Quälerei mehr, sich von Weitem im Beisein eines Dritten zu sprechen." —- „So schreibt Corvin nnd mir wird mitgetheilt, daß dieses neu« Sprachzimmer der Art eingerichtet sei, dass der Gefangene hinter einem Gitter steht; drei Schritte davon entfernt, hinter einem andern Gitter, steht der Besuchende; im Zwischenräume geht der Gesang,n- wärtcr auf und ab, um jedes Wort auszufangen. Al lerdings gehört ein lstarkes Herz dazu, einen theuren Menschen, ein seelcnvolles Wesen, wie ein wildeS- Thicr hinter Gittern eingesperrt zu sehen." Dies ist sder uns vorliegnide Brief. Das Herz zittert im Busen. Unser erster Ausruf war: Wie kön nen Menschen so gegen einander wülhen?! Und in dieser Weise wie Corvin, wie Kinkel werden viele, viele Menschen gemartert und ihre Mitmenschen leben inzwischen Heister fort und noch nie waren Oper, Bal» let und Bälle so besucht wie in diesem Winter. Zwei Worte an Euch, an Jeden von Euch, der bei Behandlung dieser gefangenen Männer, bei der Fest, fctzung der hierbei zu betreffenden Bestimmungen un« mittelbar oder mittelbar irgendwie mitzuwirken haf, vorzugsweise an Euch Erstere, von den Fürsten ab und den betreffenden Militär. und Eivil-Oberen bis hinunter zum letzten Kcrkerschließer — an Jeden unter Euch, der Gefühl und Ehre in der Bruss, zwei Wor te. — Ihr vergeßt Eins, ich sage, Ihr vergeßt eS, denn ich wende mich, ich wiederholt es, lediglich an die unter Euch, die Herz und Ehre haben. Ilir ver- geßt, daß diese Männer, Vie ihr als niedere Berbro» cher behandelt, in ihrem Busen das unauslöschliche Gefühl tragen," daß sie der Pflicht^und Ehre gemä- gehandelt haben. Wenige unter Viesen Männern, die nicht ihre gejammten LebenSverhältniffe, ihr iganzes Glück, — Weib, Kind, Eltern, Vaterland, Vermögen eingesetzt, um »iner Idee zu folgen, die sie als di« richtige erkannt", durch deren Verwirklichung sie hoff» ten, das Wohl ihres Vaterlandes, daS Glück der Men. scheu emporblühen zu sehen. Ein Theil der Nation theilt diese Idee. Ihr seid anderer Ansicht. Ihr theilr diese Idee nicht, und deshalb wagt Ihr eS, diese Männer al- Ehrlose zu behandeln? Ihr beschimpft Euch dadurch. Ihr könnt sie dadurch nicht beschimpfen, ihr könnt sie nur in den Augen ihrer Partei zu Mär» tyrern erheben. —Ihr begreift, daß gegen einen Men» schen, der im Bewußtsein deS Rechts und der sittli» chen Idee gehandelt, und dessen Handlungsweise von