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Adorter Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Fünfzehnter Jahrgang. Preil für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung det Blattet durch Botengele-enheitr 22 Ngr. S Pf. ^4. Mittwoch, L3. Januar 1850. Die Rockenstuben. Dieses Kapitel ward vor einigen Jahren schon einmal in diesem Blatte angeschlagen, und zwar eben nickt in einem Tone, der freundlich für den Brauch unserer Jugend sich aussprach. Wir hatten schon da mals im Sinn, eine Vertheikigung der Rockenstuben einzusenkru, der Nocken st üben, wie wir sie für unser Volk wünschen, wir sic aber leider nickt immer sind; cllein, es unterblieb; und so sei es unS denn nack Jahren vergönnt, einiges über diese Volks- ptlanzen zu schreiben. Die Rockenstuben sind ein nationales Produkt deS deutschen Volkslebens. Wir finden sie in Oest reich, Baiern, Thüringen, Sachsen, Wünembertz, Ba den, kurz, bei allen deutschen und ihnen verwandten Volksstammcn; freilich in sehr verschiedener Form, und von sehr verschiedenem Einfluß auf dir sittliche Ent wickelung der Jugend. — Wir findest sie wesenlliH eingebürgert auf dem Lande, und erkennen daselbst in ihnen auch den alten deutschen Kastengeist wieder, der sich streng nach Ständen abschloß. So finden wir in vielen größeren Dörfern, vorzüglich in den Gegenden, die von reichen Bauern bewohnt werden, Rocken- siuben für große, mittlere, kleine oder Kuh. bauern und Rockenstuben für Dienstboten. — Freilich in den Gebirgen ist der Bauer gemüthlicker, und es mischt sich da, wie z. B. bei unS, Arm und Reich, Herr und Knecht, mit brüderlichen und schwe sterlichen Du und Du, unter einander; und es herrscht bloS in der Regel hinsichtlich des Alter-, und des einmal geschloffenen ClubS, Verschiedenheit; — Diese ElubS sind dann sehr eifersüchtig auf einander, und eS herrscht zwischen ihnen, das ganze Jahr hindurch eine Art Parteihaß, der aber mehr der Verbindungsmalist ähnelt, die nur auf Universitäten zu finden ist. Di«, fer Haß kommt zu Zeiten entweder in der Rockenstu. be selbst, wenn sich einmal die männlichen Besuche einer andern einstcllen, oder auch im WirthShaut, zum Durchbruch, und es setzt kann sehr blutige Köpfe, oder wenigstens Hiebe und blaue Augen. In der Regel ist an solchen Ausbrüchen nur die Mienen schuld, und die bäuerlichen Ritter legen eine Lanze für idre Da men ein. — Gegründet werden die Nockenstube i ri n einer Gesellschaft Mädchen, die sich eine stille Familie erküren, die sich für eine kleine Entschädigung viel Spektakel gefallen laßt. Dort sitzen die hübschen Ge sichter um die hellflackernde Leuchte, spinnen, daß man eS weithin schnurren hört, erzählen Dorfneuigkejten, sckäkern und singen. Um 9 Udr herum nahen die ,,Burschen" oder auch „Buben", und ist es gerade keine Hutzje nackt, so setzen sie sich um den Tisch, geben aus, und spielen dann einen Sckafkopf, oder sonst, was sie freut Die Mädchen haben hierzu, für ihre Gäste Lickt und Karte zu besorgen. — Ist Hutzenacht, so werden um neun Uhr die Spinnrä der bei Seite geschoben, und nun wird entweder Nachbarnzusam men getrieben, Slockgeschla- gen tk., wobei übrigens die Zartheit des weiblichen Geschlechtes, hinsichtlich deS Zuschlagens, welches im erstern Spiel mit einem Tragbanv u. dergl. geschieht, nicht sehr in Anbetracht kommt; — oder es wird nach der kümmerlichen Musika einer heiseren „Harmonie" getanzt; wobei in der Regel der Musilkunstler oder auch Künstlerin die Harmonika zwischen den Zähnen haltend, selbst miltanzl. — Gegen daS Frühjahr geben Vie Mädchen einen Sckeiderocken <Sckairvcken);, einige Mann Musik werden in irgend einem Winkel der Bauerstude angebracht, auS welcher zuvor da- grvße, zweimännisck, Ehebett hinausgelban worden; und nun wird sich tüchtig lustig gemacht. Segdtr Mittetnächt wird innegekallen (Pause) und nun, tra gen did- Mägdlein-, mit Freudeglühei,dem Gesicht,-