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A-orter Wochenblatt. Mittheiluugen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Fünfzehnter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: t Thaler, bei Bestellung det Blattet durch Botengelegenheit« S2 Ngr. ü Pf. 3. Mittwoch, IS. Januar 1850. Sitten und Gebräuche der Tscherkessen. Das asiatische Volk dcr Tscherkessen erregt seit langen Jahren, bei allen gebildeten Nolkern der Welt eine bebe Bewunderung. Sie sind allerdings in den letz ten Jahren, in denen die Stürme und Kämpfe im ei genen Nalerlanke tobten, einigermaßen in den Hinter grund geirrten; doch verdienen sie deshalb nicht we niger unsere volle Aufmerksamkeit; zumal sie in vie len ihrer Sillen und Gebrauche, ja auch in ihren öf fentlichen Leben uns zivilisirtcn Europäern vielfach zum Muster dienen könnten. Die Tscherkessen kämpfen bereits seit 1834. bald mit mehr bald mit weniger Glück, mit dem rus- hschenKoloff, welch' letzterer sie, troz seiner unzählbaren Massen, Lie er in die kaukasischen Berge, ihre Hcimatb, warf, dennoch nicht zu erdrücken vermochte, im Gegentheil vielfach von den Tscherkessen so mitgenommen wurde, daß vielleicht 200 — 300,000 Bussen nicht mehr reichen, die unter den lscherkessi- scheu Waffen fielen. — Zu den Tscherkessen zädlt man 15 Stämme, die sämmtlich auf und an den Kaukasus und am schwarzen Meere ihre Wohnsitze haben- Ihre Namen werden verschieden angegeben; doch findet man fol- gend, am allgemeinsten: dir Abad sechcn (im Gebir- ge), Schap fucken und Ubyken 10 — 12,000 Fa milien), die Kemurchuäer (am Kuban), Nvlo- gaicr, Gunien, Offeten, Kabarden (5 — 10,000 Familien), die Beslenis, Machosch, Pscheduch, Hattiquä, Tchanä, Schegadüh (mit 200 — .1500 Familien). — Ihre Verfassungen, auf die wir weiter unten ausführlicher zurückkommen werden, ähneln thcilweise denen der alten Deutschen; doch sind sie mehr pa triarchalisch. Eine nicdergeschriebene Verfassung kennt man nicht, da unter d»n Tscherkessen nur äußerst Wenig« daS Schreiben erlernen. Auch gcschrie- bene Gesetze haben sie nicht. Sie leiten ihr öffent liches Leben nur nach Herkomm «n und Brauch, und das einzige Buck, daS sie vielleicht kennen, ist der Koran (die Wirbel der Mohamrdaner), nach wel, chem sich übrigens nur dir Vornrhmrren, und das nicht allzu streng, verhalten; während die Gemeineren, das Volk, mehr einen Naturglauben huldigen, untermischt von christlichen Gebräuchen. Auch das Kreutz dient ihnen als Amulel und alte christliche Kirchen und Kreuze werden von ihnen sehr geachtet. Ihre Prie ster, alle ehrwürdige Männer, nennen sie Wollahs- Moscheen und Tempel kennen sie nicht; ihren Gottesdienst verrichten sic nur in heiligen Hainen, un ter heiligen Baumen und auf heiligen Bergen. — Viele Stämme glauben auch an verschiedene Natur- gei st er, welche sie Apostel nennen, die aber sämml- lich unter einen einigen Gott herrschen. So haben sie einen Donnergeist (Jele), einen Fen ergriff (Tleps), einen Wasser- und Windgeist (Scseres), dcr zugleich auch das Vieh schützt und pflegt; cincn Wald, und Bicnengcist (Misichta) und auch ei ne Göttermuttcr (Mariam) — jedenfalls die vom Christenglauben zurückgebliebene Maria. Die Erziab- ung derKinder überwachen ebenfalls die Priester (Wol lahs); und solche ist höchst cigenthümlich. Der K n a - b e wird nicht im elterlichen Hause erzogen. Er wird schon am dritten Tage seiner Geburt cinem älteren, kriegserfahrenen Edlen, den man Atalik nennt, übergcben, der ihn erzieht und in Führung der Waf fen, im Reiten rc. unterrichtet. Der Vater beküm mert sich gar nickt mehr um seinen Sohn; zwischen dem Atalik (nach unsern Sinn dem Lehrer ober Erzieher) — und seinem Zögling aber bleibt Zeitlebens ein inniges Verhältnis. Ist der Knabe mannbar ge worden, so laßt ihn der Aralik durch sieben Zeugen-