Volltext Seite (XML)
HchmßeM-Emßihickt UgsbiMMKA^M Nr. 26 ) Donnerstag, den 7. November 1929 1. Beilage Politische lmd Wirtschastssragen des Mens Sm Msöhn«ngMrs«ch mil Pole« Ohne MM des Korridors keine BerWdigimg von Kar» vogge, z. 3t. Warschau den bevorstehenden Handelsvertragsabichlug wird in Deutschland reine Freude entstehen. Polen ist in diesen Fragen nicht durch eigene Einsicht, sondern durch die Interessen seiner En- tentesreunde und seine eigenen Erwartungen aus dem Poungplan gedrängt worden. Mögen die neuen Vertragsabschlüsse die deutsch-polnische Spannung abschwächen, so erfährt diese doch täg ¬ lich neue Nahrung aus gehässigen antideutschen Verwaltungsmaßnahmen. Aber alle ihre klei nen und großen Giftspritzen sind trotz ihrer er bitternden Schädlichkeit noch nichts gegen das ungeheure Aergernis des Korridors. Solange diese Versailler Unmöglichkeit lebendig bleibt, so lange ist eine deutsch-polnische Verständigung niemals zu erreichen. IW Zukunft HM ZÄHM Husens MWlügZ im Kchlsnexpsrt — Ausbau des TrsnMrlehrs Von Ve. G. A. Valger-Sanzig Der Gegensatz zwischen dem Marschall Pil- sndski und dem Parlament hat sich durch die Offizier-Demonstration in der Vorhalle des Sejm bestimmt nicht vermindert. Das Verhal ten des Marschalls wirkte dabei auf die Parla mentarier zum ersten Mal, wie das lebhafte Ge räusch jener Freunde des Menschen, von denen man behauptet, das; sie ihre Angriffslust in der Entwickelung von Schallwellen erschöpfen. Pil- sudsti hat zwar gezeigt, daß er beißen kann. Aber im Alai 1926, bei seinem letzten klaren Staats streich, ist das doch nicht durchgreifend geschehen. Offiziere, die sich in einem Parlamentsgebäude aufstellen und zu finsteren Gesichtern mit den Säbeln rasseln, gewähren auf die Dauer einen komischen Anblick. Die Abgeordneten des Sejm haben sich um so leichter daran gewöhnt, als der „Diktator'' noch Mitte Oktober Absichten für eine Jialienreise, die durch schwankende Gesundheit begründet wurde, in die Oesfentlichkeit brachte. Die parlamentarische Regierungsopposition schloß daraus vollkommen zutreffend auf eine schwankende politische Gesundheit, weil die Pläne des Kriegsministers für eine Ausschaltung des Sejm bei der Haushaltsberatung mißlangen und die Regierung Switaljki durch einen Mißtrauens votums des Schattensejms trotz ihres Kriegs ministers Pilsudski bedroht schien. Wenn man sich bemüht, ein genaues, allgemein verständ liches, ungeschminktes Urteil über die Lage in Polen festzuhalten, dann muß man die Ucber- zeugung ausdriicken, daß der Sejm nicht kann, was er will, und Pilsudski nicht weiß, was er will. Seine Anhänger wissen es auch nicht, son dern erklären in ihrer Presse seelenruhig: „Wozu dn Kops zerbrechen? Der Kommandant denkt für uns." Vielleicht denkt er! Aber seine Hal tung dabei ist so wenig überzeugend wie die eines Schachmeisters, der von seinem Gegner zu einen! entscheidenden Angrifsszug gedrängt wor den ist, die ihm zustehende kostbare Zeit des Nachdenkens jedoch mit verzweifelten Blicken aus die Uhr über dem Schachbrett vergeudet und seine Zeit mit den Sprüngen des Sekunden zeigers ungenutzt davon Hüpfen sieht. Die unklare Lage der polnischen Innenpoli tik wird durch allerwichtigste außenpolitische Er eignisse im Augenblick barmherzig überschattet. Es bahnt sich so etwas wie eine'deutsch-polnische Versöhnung an. Polen verzeichnet den wichtigen Erfolg der Ausschaltung des bisherigen deutschen Leiters der deutsch-polnischen Handelsvertrags verhandlungen, die Aussicht auf einen ihm zu sagenden Handelsvertragsabschluß und ein deutsch-polnisches Ausgleichsabkommen über im Abschnitt IX des Poungplancs enthaltene Fragen mit dem Ziel der „Liquidation der Vergangen heit". Zwischen Deutschland und Polen wird durch das deutsch-polnische Warschauer Abkom men nur ein sehr geringer Teil der Vergangen heit liquidiert, wenn auch die Atemluft zwischen uns und unserem nächsten östlichen Nachbarn da durch von einem besonders unheilvollen Giftstoff befreit wird. Aehnlich wie bei den Haager Be ratungen durch ein erneutes Geldopfer die Sicherung der Rheinlandräumung gewährleistet werden soll, versucht auch das Warschauer Ab kommen die Rettung deutschen Landes, deutscher Menschen und deutschen Betzes durch finanzielle Zugeständnisse Deutschlands. Polen verpflichtet sich zur unverzüglichen Einstellung der Liquidie rung deutschen Privateigentums und erklärt sich damit bereit, Reichsdeutsche in ihrem Eigentums rechten auf Grundstücke in Polen nicht mehr zu kränken, die etwa rund 50 000 Hektar umfassen und einen Wert von insgesamt 50 Millionen Goldmark haben werden. Polen verzichtet wei ter auf die angemaßten Niickkaufsrechte der frühe ren preußischen Ansiedlungskommission über die deutschen Vauernsiedlungen und läßt dadurch rund 12 000 Landwirte aus allen Teilen Deutsch lands aufatmen, die sich mit ihren 50 000 Fami lienangehörigen in ihrer Lebensgrundlnge nicht mehr bedroht zu fühlen brauchen. Der Geldwert ihres Besitzes wird hinter einer Viertel Milliarde nicht weit zurück bleiben. In diesen Punkten besteht die große Bedeu tung des Vertrages, die auch der schärfste Gegner nicht unterschützen wird. Die Nachteile, im wesentlichen aus dem deutschen Verzicht auf die Regelung der Entschädigungsansprüche Deutscher gegen Polen, werden ohne Zweifel zu verant- wortungsjchweren Parlamentsberatungen füh ren; denn es muß eine Form für die Befriedi gung von Forderungen gefunden werden, deren Wert auf zwei Milliarden Mark geschätzt worden ist. Eine weitere schwere parlamentarische Auf gabe wird sich aus dem abschlußreifen „kleinen Handelsvertrag" mit Polen ergeben. Niemand verschließt sich in Deutschland Ler Erkenntnis, daß der vierjährige Handelskrieg zwischen Deutschland und Polen beigelegt werden muß. Auf jeden Fall wird er mit bedeutenden Opfern für die deutsche Landwirtschaft verbunden sein und insbesondere eine Bresche in die Maßnah men der gegenwärtigen Regierung zur Sicher ung eines erträglichen Schweine- und Roggen preises für die deutschen Landwirte schlagen. Der parlamentarische Kampf muß sich um diese Punkte drehen und alle Parteien des Reichstages vor folgenreiche Entschlüsse stellen. Vielleicht ge winnt dabei die Industrie. Aber auch sie darf sich nicht überschwenglichen Hoffnungen auf einen sofortigen erheblich verbesserten Absatz ihrer Er zeugnisse in Polen hingeben. Sie hat mit dem während des Handelskrieges groß gewordenen tschechischen Wettbewerb und einer jungen boden- tändigen Industrie zu rechnen und könnte aus einer Meistbegünstiguungsklausel nur Nutzen ziehen, wenn die gefährliche polnische Zollpraxis auf Deutschland keine Anwendung finden darf, nach der die polnische Negierung von Fall zu Fall einen Zollnachlaß bis zu 80 Prozent aus eigenem Ermessen gewähren kann. Weder über das Finanzabkommen noch über Im vorigen Jahre konnte der Danziger Hafen einen Jahresumschlag von 8,5 Mill. Ton nen erzielen, bei einer Eesamtumschlagsfähig- keit von 15 Millionen Tonnen Im laufenden Jahre darf Danzig froh sein, wenn es diese Zif fer wieder erreicht; im ersten Halbjahr 1929 konnte jedenfalls die Hälfte der Vorjahrcszisfer noch nicht erzielt werden. Es liegt dies haupt sächlich daran, daß durch die außerordentliche Kälte in den Wintermonntcn die Danziger Bucht zeitweise zugefroren und der Seeverkehr für einige Wochen lahmgelegt war. Vielleicht kann im zweiten Halbjahr eingeholt werden, was Lie kalte Jahreszeit an Mengenausfall verursachte. Vor kurzem hat der Danziger Hafcnausschuß seine zweite Hafenanleihe ausgenom men, um den Danziger Hafen nach modernen Ge sichtspunkten auszubauen und dadurch allen An forderungen gerecht zu werden. Es werden also wiederum 3 Millionen Gulden daran gesetzt, um einen 7500 Quadratmeter großen Speicher für Stückgüter im Freihafen zu bauen, nachdem vor einigen Jahren erst dicht daneben die Südhnlle mit 10 000 Quadratmetern erbaut worden ist. Es werden ferner neue leistungsfähige Portal kräne mit elektrischem Antrieb aufgestellt und endlich ein Kai für große Passagierdnmpfcr neu hergerichtet. Auf diese Weise erfolgt die Besei tigung wichtiger Mängel, die der Danziger Hafen noch aufzuweisen hatte. Insgesamt sind in der Nachkriegszeit bis jetzt rund 23 Millionen Gulden in den Danziger Hafen gesteckt worden, also eine geringe Summe im Vergleich zu dem, was Gdingen gekostet hat. Dort wurden bis jetzt rund 150 Millionen Eoldfranken angelegt, ohne daß dafür eine dringende wirtschaftliche Notwendigkeit bestand. Danzig mit seiner Umschlagskapazität von 15 Millionen Tonnen Hütte den Jahresumschlog von Gdingen leicht bewältigen können und die Leistungsfähigkeit von Edingen bei voller Aus nutzung der Ausbaumöglichkeit des Danziger Hafens mit weit geringeren Kosten erreicht, da in Danzig keine Kaiflächen künstlich zu schaffen waren, sondern in ausgedehntem Maße in den natürlichen oder noch nicht kaifähig ausgebauten Ufern zur Verfügung standen. Die Umschlags- kosten müßten, wenn sie sich nach den Baukosten richten würden, in Edingen Las Vierfache von denen in Danzig betragen. In Wirklichkeit ist es aber umgekehrt, da Gdingen aus politischen Eründen Zuschußbetrieb des polnischen Staates ist. Im letzten Jahre hat von den 8,5 Millionen Tonnen Eesamtumschlagsverkchr über Danzig der Kohlenexport allein 5,1 Millionen Tonnen in Anspruch genommen. Im lausenden Jahre wird sich an diesem Prozentsatz voraussicht lich wenig ändern. Nun ist es aber keineswegs sicher, ob der Kohlenexport aus Polen zukünftig in der Höhe «Inhalten wild, die er in den letzten Jahren erreicht hat. Erst kürzlich haben sich im Haag die Großmächte über die Verteilung der Weltkohlenmürkte geeinigt; vor kurzem sind au^ der Kopenhagener Tagung Engländer und Etan dinavicr übereingekommcn, daß England seine Kohle wieder in verstärktem Maße in Ekandi navien absetzt; das kann nur durch die Zurück drüngung der polnisch-oberschlesischen Kohle ge schehen, die ihren Weg über Danzig und Edin gen nimmt; endlich will die polnische Regierung ab -1. Oktober 1929 ihren Eiscnbahntarif für Kohle erhöhen, was ebenfalls die Konkurrenz fähigkeit der polnischen Kohle auf dem Welt markt beeinträchtigen wird. Es muß also zum mindesten mit der Möglichkeit gerechnet werden, Laß Ler Kohlenexpvrt über Danzig die bisheri gen Ziffern nicht auf die Dauer einhalten kann. Für die Danziger Kaufmannschaft wäre die er Verlust allerdings von geringer Bedeutung, La sie am Kohlenumschlag im eigenen Hafen ganz geringfügig beteiligt ist. Die Hauptleid tragenden wären die polnischen Kohlenk-nzernc und die Danziger Hafenverwaltung. Dtese letz tere hat durch eifrigen Ausbau des Transit verkehrs mit den benachbarten Staaten ein Ventil geschaffen, um für etwaige Ausfälle der polnischen Warenzufuhr einen Ausgleich zu schaf fen. In dieser Hinsicht konnte namentlich mit der Tschechoslowakei in den letzten drei Jahren ein Transithandelsverkehr angeknüpst werden, der sich von 15 000 Tonnen im Jahre 1926 aus 285 000 im Jahre 1928 entwickelt hat. Durch die Erstellung eines durchgehenden Eeehasentarifs und die dadurch erreichte Verbilligung des Schie nenwegs konnten Ein- und Ausfuhr tschechoslo wakischer Waren über den Danziger Hafen in kurzer Zeit kräftig gesteigert rverden. Allerdings spielt auch hier bereits wieder Edingen mit seiner Konkurrenz hinein. Als kürzlich tschechoslowakische Wirtschaftsvertreter nach einem Belach in Danzig auch in Gdingen