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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192804212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19280421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19280421
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-04
- Tag 1928-04-21
-
Monat
1928-04
-
Jahr
1928
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levcndiger als früher, der Verkehr ist eiliger, drängender. Man merkt es auch hier, daß man «in großes Ereignis erwartet, denn di« Blicke richten sich zum Himmel, und unverzagt ist der Neuyorler, wenn die Stunde des großen Ereig nisses sich mehr und mehr verschiebt. Er bleibt Optimist bis zuletzt, denn er lebt mit allen Aasern mit. Man kann sich jedenfalls lebhaft denken, wie fest er überzeugt gewesen ist, der „Bremen werde es gelingen, den Ozean zu überqueren. So ist cs auch diesmal gewesen, als endlich in später Nachtstunde die Meldung von der Landung der „Bremen" auf der Eisinsel Greenly Island cintras, hob sich stolz die Brust, und die meisten Neuyorker werden den lapidaren Ausspruch getan haben: „Ich hab's gewußt!" Das heißt, sie sind in ihrem Vertrauen zu der „Bremen" nicht getäuscht worden, sie hat tat sächlich den großen Teich überflogen und einen Rekord aufgestellt, der die Stunden des vergeb lichen Wartens entschädigte. Die Neuyorker sind nicht ärgerlich darüber, daß das böse Geschick die „Bremen" nicht aus dem direkten Wege nach Neuyork führte. Sie freuen sich über den ge lungenen Flug und schätzen diesen Weltrekord in seinem vollen Umfange. Für die Neuyorker ist es eine Tat, und wenn die Flieger von der Eis insel mit der „Bremen" wirklich auf dem Flug platz von Mitchellfield landen sollten, so weiden st« just dieselbe Menschenmenge, die sie schon ein mal erwartete, zur Begrüßung antresfen, und die Begeisterung dieser Tausende wird unge hemmt ebenso toben, als ob die „Bremen" ohne Zwischenlandung nach Neuyork gekommen wäre und ihnen noch nicht die große Enttäuschung des vergeblichen Wartens gebracht hätte. Man wird die Flieger auf Händen tragen und sie mit Ge schenken und Ehrungen überhäufen. Sie haben eben einen Rekord aufgestellt, um den bisher viele vergeblich kämpften und sich opferten. Ein solcher Rekord aber löst bei dem Amerikaner jede Hemmung und macht ihn zum jubelnden Freunde. Kein Wunder daher, daß die Aner kennung eines solchen Erfolges auch auf das Land dessen übertragen wird, der den Rekord aufgestellt hat. Viele, die immer noch nicht mit Deutschland sympaihisieren konnten, die immer noch die Kriegsereignisse zwischen Deutschland und Amerika sehen, werden durch die Hoch- jchätzung der „Vremen"-Flieger jede Antipathie verlieren und plötzlich sich zu begeisterten Freun den Deutschlands bekennen. In solchem offen baren, schnellen Wandel der Meinung stehen die Amerikaner einzig in der Welt: Eine große Tat baut Brücken und läßt Differenzen vergessen. Es ist durchaus erklärlich mrd es Hegt tm amerikanischen Charakter, dich jetzt alle» unter nommen wird, um di« Deutschen wieder ans ge steckte Ziel zu bringen. Die öffentliche Stim mung wartet auf die große Begrüßung der Flie ger in Neuyork und dieser Stimmung müssen alle Rechnung tragen, die mit der breiten Masse und von der breiten Masse leben. Das find in Neu york nicht nur die Zeitungen, nicht nur die gro ßen Unternehmungen, sondern auch die Behör den. Daher der Wettstreit, jetzt schon alles vor zubereiten, um nach außen hin die Anteilnahme an der großen Tat der Deutschen zu bekunden. Selbstverständlich ist vielfach Berechnung dabei. Der Amerikaner rechnet trotz der Begeisterung. Er weiß, daß seine Absichten bekannt werden und sorgt selbst dafür, daß sie bekannt werden. Und wenn die Neuyorker Zeitungen mitteilen, was dieser oder jener siir Geschenke oder Ehrungen den Fliegern bereitstellt, so spricht man in Neu york davon. Und im Gespräch der Masse zu sein, ist die beste Reklame. So vereinigt sich das Nützliche mit dem Angenehmen, die Begeisterung mit der Berechnung. Letzten Endes wiegt bei großen Taten in Neuyork scheinbar immer die Begeisterung am meisten. Sie wird bleiben, jo lange es noch Rekorde aufzustellen gibt, und jo- lage die Menschheit weiter strebt und scheinbar Unerreichbares leistet. Der aber, dem die Be geisterung der Neuyorker entgegenbraust, wird einen solchen Tag nie vergessen. Begeisterung! und Begrüßung, wie sie in Neuyork zu finden sind, gibt es in Europa nicht, auch nicht bei den leichtentflammten Italienern und Franzosen. Das schwerere Kaliber der Amerikaner wird durch eine Großtat aus der Ruhe gebracht und aus den kalten Geschästsmenschen werden warm herzige Enthusiasten. MreKl M« Mr sei» Schoss« Albrecht Dürer, der große deutsche Maler, dessen 400jährigen Todestag wir am 6. April feierten, hat über das Malen und besonders über seine Arbeit Sentenzen aufgestellt, die im mer Gültigkeit haben werden. Wir entnehmen sie der bekannten Dürerbiographie „Albrecht Dürer", Geschichte seines Lebens und seiner Kunst von M. Thausing, herausgegebcn für die Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin SW 6» (Prospekt gratis) von Lothar Brieger. Nicht mit Hilfe von Krücken, sondern mit kühnem Wettlauf mit dem breiten Strom der Natur glaubt Dürer zu einer höheren Harmonie seines Werkes zu gelangen, indem er spricht: „Aber das Leben in der Natur gibt zu er kennen die Wahrheit dieser Dina«. Darum steh sie fleißig an, richte dich danach und geh nicht von der Natur ab in deinem Gutdünken, daß du wollest meinen, das Bester« von dir selbst zu finden, denn du würdest verführt. Denn wahr haftig steckt die Kunst in der Statur. Wer sie heraus kann reißen, der hat sie. Ueberkommst du sie, so wird sie dir viel Fehls nehmen in deinem Werk . . . Aber je genauer dein Werk dein Leben gemäß ist in seiner Gestalt, desto bester erscheint dein Werk. Und dies ist wahr,' darum nimm dir nimmermehr vor, daß du etwas besser mögest oder wollest machen, als Gott es seiner erschaffenden Kreatur zu wirken Zcraft gegeben hat, denn dein Vermögen ist kraftlos gegen Gottes Schaffen. Daraus ist beschlossen, daß kein Mensch aus eigenen Sinnen nimmer mehr kein schönes Bild machen könne, es sei denn, daß er davon durch vieles Nachbildcn sein Gemüt voll gefaßt habe. Das ist dann (aber) nicht mehr Eigenes genannt, sondern überkom mene und gelernte Kunst geworden, die sich be samet, erwächst und ihres Geschlechtes Früchte bringt. Daraus wird der versammelte heimliche Schatz des Herzens offenbar durch das Werk und die neue Kreatur, die einer in seinem Herzen selbst schafft in der Gestalt eines Dinges." Das ig wohl einer der schönsten Aussprüche, den je ein Künstler über seine Tätigkeit gemacht hat, und zwischen den Zeilen lesen wir etwas von der Erhebung, mit welcher der Meister sich in Ge meinschaft mit der ^""'lerkrast Gottes weiß. Ein „heimlicher Schatz des Herzens" ist ihm der innerliche Eestaltenreichtum, und dessen Ergüsse im Kunstwerk bekunden sich als „neue Krea turen", als die im Geiste emorangenen und ge borenen, nicht äußerlichem Anlasse entstammen den oder von fremdem Vorbilde abhängigen Aeußerungen einer ganzen Künstlernatur. Und darauf folge, fügt Dürer hinzu, daß ein wohl- geübter Künstler nicht zu einem jeglichen Bilde Studien nach der Natur zu machen brauche, „denn er geußt genugsam heraus, was er lange Zeit von außen hinein gesammelt hat. Ein sol cher hat gut machen in seinem Werke, aber gar wenige kommen zu diesem Verständnisse". Und fühlt er sich auch nicht imstande, alle Fragen, die er für die Zukunft der Kunst für wichtig hält, zu beantworten, so will er doch zu ihrer Lösung das scinige beitragen, denn er hofft: „Von den Dingen und Künsten der Male rei werden annoch viele schreiben; denn ich ver sehe mich, es werden noch herfürkommen manche treffliche Männer, die alle gut und besser von dieser Kunst schreiben werden als ich. Denn ich selbst schätze meine Kunst ganz klein, denn ich weiß, was Mangels ich habe. Darum unter nehme es ein jeglicher, solchen meinen Mangel zu bessern nach seinem Vermögen. Wollte Gott, wenn's möglich wäre, daß ich der künftigen gro ßen Meister Werke und Künste jetzt sehen könnte, derer, die noch nicht geboren sind!" So hinter, ließ Dürer seinem Volk mit seinen großen Wer. ken auch noch seine weit größeren Hoffnungen; und nicht in der Befriedigung über jene, wohl aber im Ausblick auf die Erfüllung dieser jauchzt seine Seele auf, indem er mit einem deutlichen Anklange an die Worte Jesu bei Lucas, XU. Kap., 49. Vers, seinen Nachfolgern zuruft: „Denn wenn ich etwas anzünde und ihr alle Mehrung mit künstlicher Besserung dazu tuet, so mag mit der Zeit ein Feuer daraus geschürt werden, das durch die ganze Welt leuchtet!" Ses MMMeUsrs AUWMshet Skizze von Karl Heinz Toburg Nun stand er am Rhein, dem Ziel seiner Sehnsucht. Es war die erste große Reise seine» Lebens. Daheim, in dem kleinen niedersächsischen Dorfe, kannte er nur einige umliegende Städte. Drei Jahrzehnte lang hatte er dort gewirkt, um geben von einer ost wechselnden Kinderschar, ge liebt von der ganzen Gemeinde. Die gleiche Hingabe, mit der er den Schuldienst versah, galt den Dorfbewohnern, wenn sie seinen Rat be gehrten oder Schriftstücke ausfertigen ließen. Besonders während des Großen Krieges, als die meisten Männer draußen die Heimat schützten, hatte er unzählige Anliegen zu erledigen und oftmals Trost zu spenden. Vis auch er heimge sucht wurde: zwei Söhne, seine einzigen Kinder, starben fürs Vaterland. Ein Jahr später nahm auch seine Lebensgefährtin für immer von ihm Abschied. Da wurde es still um den Einsamen. Die Welt erschien ihm wie ausgestorben. Teilnahms los vollzog er den Unterricht. Die Frau seines Kollegen, mit dem er das Schulhaus bewohnte, versorgte zwar seinen Haushalt, aber die ihm einst lieb gewesenen Räume waren zu leer ge« worden. Fast flüchtend eilte er oft hinaus, durchstreifte ziellos die nahe dem Dorfe gelegene große Waldung oder weilte auf dem Friedhof am Grabhügel seiner Frau. Dort hatte man ihn eines Abends aufgefunden. Von Fiebern durchwühlt lag er, an Lungenentzündung er krankt, wochenlang darnieder. Wie ein Wunder gestaltete sich seine Genesung, die er als eine Wiedergeburt empfand, verbunden mit der Er kenntnis, daß nicht sein eigenes Schicksal, sondern das der ihm anvertrauten Kinder vorherrschend war. Erneut und mit doppelter Hingabe widmete er sich seiner Lebensaufgabe. Jahraus, jahrein Um Heimat un-AHM I4j wenn sie heraustritt aus dem Kreise, den di e übrig bleiben! Auf die Philosophie der willen! moderne werden, hörten «nt- stolz, „er mußte, ja, er wohl sein aufgelanert, hinter der vorbeigeschlichen kam — Und Sie haben mit Vera wird gründe geht?" Da schwieg er. amit die Klugen wat zu lachen haben!" „Gute Nacht, meine Gnädigste!" sagt« stedt kühl und hing sich den Ueberzieher während die Holde schmollend sagte: „Das war kein Kunststück!" „Nein, ich glaube es Ihnen! Ihr Ziel erreicht! Meine Ehe geschieden werden " „Wir warten darauf! „Dann wird Ihnen noch eins Hall- über, „Eigene Wege! Wenn die Frau sich gemein macht mit der Gemeinheit, wenn sie die feile Schönheit werden will für jeden, der sie begehrt. sie das Rauschen eines Kleides hinter sich. Hall stedt wandte sich nm. Seine Nachbarin von vor hin stand hinter ihm. „Wollen Sie denn schon fort, Herr Baron?" „Ja, außerdem ist doch bald Polizeistunde —" „Ach wat! Wer kümmert sich denn hier um Polizeistunde? Dct is ja blos for die Dummen, „Verzeihung, der Friede war schon längst daraus gewichen, bevor ich kam!" „Mag sein! Aber Sie haben sich das zunutze gemacht und Sie haben dann meine Abwesenheit benutzt, um den Rest von Glück und Frieden, der noch da war, vollends zu zertrümmern." gegnete die Mamsell mußte!" „Wieso denn?" „Na, ich hab' ihm Haustür! Und als er die du verlassen hast! Um der Kinder betont« er nochmals. »Laß sie freie Menschen werden — Menschen!" „Da sei Gott vor! Frei sollen sie Verneinung fand er keine Antwort. ,Au schweigst!" fuhr sie fort. „Du empfindest, daß ich Recht habe —" „Ich empfinde nur, daß ich in diese neu« Zeit und Welt nicht Hineinpasse! Aber ich muß mein Leben weiter leben, Vera, um der Kinder willen! Ehrist legte die Stirn in Falten und gegnete nachdenklich: »Ja, ja, Mamsell! Das ist ja nun richtig! Aber die Hauptsache ist, ob er „Na, det is nicht schlecht! Nicht mal 'n kleenes Trinkgeld haste fvr mir." Bodenberg mußte lachen, obwohl ihn der Ekel schüttelte. Seite an Seit« gingen die beiden sreund« di« Treppe hinab. Sie traten auf die Straß«. Drüben auf der anderen Straßenseite gingen zwei hochgewachsene, stämmige Männ«r. Bodenberg drückte ihnen den Inhalt seiner Zigarrentasche in die Hände. „Noch älte Friedenszigarren!" sagte er. „Es Die Frau, die Sie an sich gefesselt haben, wieder zurückzuführen in anständige Kreise!" „Ueber die Kreise, in denen wir verkehren werden, haben wir allein zu bestimmen, Vera und ich!" „Nicht jo ganz! Es gibt zwei Kinder, di« sich ihrer Mutter schämen könnten!" „Die Mutter trennt sich von ihnen!" „Das Band bleibt doch! Und darum —" er holt« tief Atem, dann sagte er ruhig und be stimmt: „Ersparen Sie es den Kindern, ihre Mutter etwa einmal im Kreise von Dirnen und Zuhältern wiederzusehen! Mit dieser Bitte sage ich Ihnen Lebewohl! Und du, Vera, vergiß nicht, daß du Mutter bist und daß, wenn einmal die Not an dich tritt, jemand da ist, der dir helfen will! Lebewohl!" Er bot ihr die Hand. Langsam legte sie die ihre hinein. Mit leichtem Neigen des Hauptes verließ er das Zimmer. Vodenberg trat ihm stattgefunden hatte. Es gab mancherlei zu fragen. „Wie sind Sie mit Liesbeth zufrieden, Mam sell?" Mamsell Breit wurde eifrig. Sie hatte diese Frag« kommen sehen, und freut« sich, darauf eine gute Antwort in Bereitschaft zu haben. „Da ist gar nichts zu klagen, Herr Hallstedts Ich sage es ja immer: di« Kinder find aus unver wüstlichem Stoff, und wenn solch ein Stoff ver dirbt, dann ist nur der Schuld daran, der nicht besser auf ihn aufgepaht hat!" „So ist sie fleißig und willig?" Vom Morgen bis zum Abend! Sie faßt überall zu, wie die jüngst« Magd, und vor keiner Arbeit scheut sie zurück! Und sie hat doch so fein«, samt weiche Patschhändchen —" ,L)ie können wir nicht brauchen, heutzutage, Mamsell! Namentlich wir hier nicht, wir abge» sprengten Splitter des Reiches! Uns können nur harte, derb« Arbeitshände vom Untergangs retten!" „Ja, ja, Herr Hallstedt, was Sie sagen, das ist ja wohl immer richtig, denn Sie wissen Be scheid in der Welt drinnen und draußen. Aber ein paar Samtpätschen müssen doch auch in der Welt sein — wer sollte denn sonst streicheln und schnwicheln, wenn mal ein Gewitter in der Luft hängt?" Hallstedt lachte. „Kann schon sein, daß Sie Recht haben, Mam« lell! Aber bei uns hier will ich Arbeitshände ehen — es liegt ein Segen drin! Und was macht der Rudolf Holle?" „Na, der Lausbub! Als Si« in Berlin waren» strich er ein paarmal um das Haus herum, wie der Marder um den Hühnerstall! Ich hab ihm aber mit dem Kochlöffel «ins auf die Backe gege ben, daß mans im ganzen Dorfe hat hören kön nen —" „Hat er sich denn erwischen lassen?" fragt« Hallstedt, innerlich belustigt. „Da gabs kein Wollen, Herr Hallstedt", ent- entgegen. „Alles zu Ende?" fragte er. „Alles zu Ende, ja, Werner!" „So laß uns gehen!" Sie gingen dem Ausgange zu. Da frei und stark, aber das, was ihr modern nennt, will ich ihnen mit Eisenriegeln verriegeln! Probier es nur, Vera, wie weit du mit deinen modernen Menschen kommen wirst und du wirst bald erkennen, daß alles unter dir zusammen bricht! Und wenn dann die ganze moderne Wett dich verläßt, wenn du krank und müde, siech und einsam dich auf tränenfeuchtem Lager streckst — dann erinnere dich, daß hinten in der posenschen Eben« «in altmodischer Mann lebt, an dessen Herzen du einstmals gelegen hast und der den Zauber jener Stunden dir nicht vergessen wird!" Während der letzten Worte ivar Heinrich Bergmann eingetreten. „Man wird ungeduldig, Vera," sagt« er. „Man will di« schöne Herrin des Abends nicht länger missen. Graf Seltersdorf ist ebenfalls gekommen — Sie entschuldigen wohl, Herr Hall stedt, wenn Vera sich Ihnen nicht länger wid men darf —" Hallstedt hob stolz das Haupt. Ein verächt licher Blick traf den Sprecher. „Ich halte Vera nicht länger auf! Mit Ihnen aber, Herr Bergmann, habe ich noch ein Wort zu reden!" „Kein« Romanjzene, Herr Hallstedt." „Durchaus nicht! Zum Nomanhelden fehlt mir alle Anlage. Aber als Mann und als Ehrenmann fühle ich mich. Sie sind in den Frie den meines Hause» eingebroch«n " schnapp! da klatscht« es, und ich sagte: „Du Lausejunge, scher' dich hinter deine Bücher, sonst schreib ich dir mit dem Kochlöffel deinen Namen auf den Buckel! Na, der lief ja nun davon — aber ob er wiederkommt, das kann man nicht wissen!" „Ich werde mit seinem Vater sprechen!" sagte Hallstedt. „Die ganze Jugend ist verwildert — es wird viele Mühe kosten, sie zurechtzurückenl" (Fortsetzung folgt) ist alles gut abgegangen! Vielen Dank und Ihrem Leutnant freundlichen Gruß!" Nun gingen sie. Das Nachtleben Berlins flutet« um sie herum. „Und nun, lieber Freund, was ist mit dir?" fragte Vodenberg, als sie in stiller« Straßen einbogen. „Alles zu Ende, Werner! Vedaure die Un glückliche, die den Sumpf nicht sieht, der sie er sticken will!" „Und was jagt sie?" „Sie sei ein« modern« Frau geworden!" Bodenberg lachte laut auf, daß die des Weges Kommenden ihm verwundert nachsahen. Hallstedt spricht nichts. Er sieht hinauf zum Dezemberhimmel,, wo kalte Sterne auf Lie Erde niedersunkeln. „Und warum läßt der große Alte da über den Sternen das alles geschehen, lieber Wer ner?" fragt« er nach langem Schweigen. „Mich hat er nicht gewürdigt, in seinem Rat zu sitzen und so kann ich dir auch keine sichere Antwort auf dein« Fragen geben. Aber ich ver mute, er will uns erkennen lasten, daß auch di« neuen Menschen ohne den alten Gott nicht leben können." — Als Hallstedt einige Tage später nach Haus« kam, starrten ihn alle verwundert an: fast über Nacht war sein Haupt grau geworden. „Stört den Vater nicht," sagte der alt« Christ zu den Kindern, „und betrübt ihn nicht! Er hat viel erlebt — und wenn einer mehr erlebt, als sein Herz tragen kann, dann bricht das Herz!" Und zu Mamsell Breit sagte er: „Sehen Sic, Mamsell — er hat sie nicht mit- gebracht!" „Nee, Christ, das hat er nicht! Aber er hat sich auch selbst nicht wieder zuriickgebracht — er ist ein anderer geworden. Und das -ist noch schlimmer!" Natur durch die Ehe und Mutterschaft um sie gezogen hat, dann, Vern, brauchen wir auf de Weltuntergang nicht mehr zu warten, dann i er da!" „Und was liegt daran, wenn di« Welt zu- Roman von Max Treu tNachdruit verboten.) deutsches Herz behalten hat, dann wird's auch nochmal Frühling werden! Denn Mamsell, Sic können mich ja nun ruhig auslachen, aber das ag ich: «in deutsches Herz und der Frühling zehören zusammen. 10. Kapitel Das Mittagessen war vorübcr. Friedel und Liesbeth hatten bereits das Zimmer verlassen, nur Hallstedt und Mamsell Breit saßen noch im Gespräch am Tisch. Es war das erste gemein- chaftliche Mittagessen gewesen, das seit der gs- tern erfolgten Rückkehr Hallstedts aus Berlin
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