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——»- ——!---—-— Währen- er noch so stand, schweigend in seinem inneren Kamps, war Senta einige Schritte näher aus ihn zuge- treten. Jetzt sah sie zu ihm aus ,Ankel Maximilian, ich bitte dich, Iah mich zu Roden bachs gehen!" Es durchzuckte ihn wie ein Schmerz, und er wich ihren Blicken aus. ,IZas du einst mit Trotz von mir fordertest, darum — bittest du mich jetzt. Cut — es sei denn —" er seufzte, ,chu kannst gehen." „Onkel Maximilian —" Er winkte abwehrend mit Ler Hand. „Latz das — erspare dir irgendwelchen Dank Ich handle nur im Not fälle. Eine geeignete Pension für dich ausfindig zu machen, würde Zeit in Anspruch nehmen, und — morgen ist die Wolfsburg leer Aber etwas — möchte ich dir noch iagen," seine Nasenflügel bebten und seine Stimme klang plötzlich heiser. „Von dem Tage an, wo du — zum ersten Male öffentlich auftrittst, hast du — keine Familie und keine Heimat mehr. Denke an das Beispiel deines Vaters: er hat es später bitter bereut, seine Heimat um der Kunst willen geopfert zu haben. Darum überlege wohl, ehe du den ersten Schritt tust. Dir bleibt nur die Wahl zwischen Kunst und Heimat." Das klang hart und wurde kaum durch das Beben der Stimme gemildert. Am ganzen Körper zitternd, stand Senta wie erstarrt auf demselben Fleck. Sie sprach nicht, sie sah auch nicht auf Ihr war zumute, als hätte man ihr eben ihr Todesurteil oorgelesen, und nicht, als wenn sie die erste Sprosse zu ihrem lange ersehnten Ziel erreicht hätte. Ein« schwüle Pause entstand. Der Craf brach das Schweigen zuerst. „Gehe jetzt zu Brigitte zurück; sie soll dich nach Berlin begleiten und alles Nötige zur Reise vorbereiten. Morgen vormittag bringe ich dich zur Station. — Und noch eins! Ich wünsche nicht, datz du Fräulein von Rupert noch ein mal begegnest. Suche darum sogleich dein Zimmer auf und bleibe dort, bis sie fort ist. Dann magst du ms Pfarrhaus gehen und Abschied nehmen. Cott befohlen denn, mein Kind." Er wandt« sich und ging fort. Senta machte unwillkürlich einen Schritt, als ob sie ihm nacheilen wollte, sie öffnete die Lippen wie zu einem Ruf. Doch kein Ton kam darüber, und die Füße waren ihr wie gelähmt. Was wollte sie auch noch von ihm? Was hatte sie ihm noch zu iagen? — Langsam ging ne nach der entgegengesetzten Richtung dem Ausgang des Parkes zu Brigitte ängstigte sich gewiß schon um ihr langer Ausbleiben. In der Tat wartete Brigitte schon mit Besorgnis :m Herzen auf ihren Liebling; aber wie erschrak sie, als sie von Sentas bleichen Lippen das Vorgefallene erfuhr. „Und der Herr Craf zürnt dir wirklich nicht? Er er füllt sogar deinen längst gehegten Wunsch, und du siehst aus. als solltest du zum Schaffott geführt werden?" Mir ist auch todestraurig zumute, Brigitte." „Aber mein Himmel, Liebling, nimm es doch nicht so tragisch. Ist es nicht ein Beweis, wie er denkt, datz er die Hausdame Knall und Fall entlasten will?" „Das ist mir noch kein Beweis, er könnte sie nur ent lasten, weil er mich fortschicken will." »Auäle dich nicht, Herzenskind. Denkt er Arges von dir, so wäre er nicht wert, datz du dich darum grämst. Doch der Herr Craf tut das nicht. Und nun laß uns ins Schloß zurückkehren. Wie froh und dankbar bin ich, datz alles so abgelaufen ist und daß ich dich nach Berlin begleiten darf!" XVI. Der Craf war in sein Zimmer zurückgekehrt. Schwer aufstöhnend, lietz er sich in seinen Schreibsestel fallen. Zuerst die Kämpfe in der durchwachten Nacht, dann das heutig« Geschehnis' das mutzte selbst die stärksten Nerven angreifen Au alledem wurden Selbstvorwürse und Selbstanklagen laut. Hätte er sich die Mühe genommen, die Person, deren Führung er Senta anoertraute, auf ihren Charakter und ihre Herzenseigenschaften zu prüfen, so würde er bald er kannt haben, wie wenig die Dame zu ihrem Amt geeignet war. In seiner Bequemlichkeit hatte er sich auf das Urteil der Schwester verlassen und dem störrischen Kind« «Huld gegeben, wenn zuweilen Zwistigkeiten und Mißhelligkeiten vorgefallen waren. Jetzt durchschaute er die Sachlage voll kommen, und so wenig er den beabsichtigten Schritt Sentas billigte, ja, so sehr ihn ihr Entschluß, heimlich di« Wolfs burg zu verlasten, schmerzte, so könnt« er ihr doch nicht zürnen Sie hatte das schnelle, aufbrausende Blut ihres Vaters in den Adern, jo würde auch er gehandelt haben, wenn man seinen Stolz verletzt hätte. Die Selbsterkenntnis seiner eigenen Schuld milderte jedoch nicht die Erbitterung gegen die beiden Hauptschuld«, gen Der Gedanke, die Dame, der er ein so Hohes Amt in seinem Schlosse gegeben und die dieses Amt also miß- braucht hatte, noch unser seinem Dache zu wissen, war ihm unerträglich. Er griff deshalb kurz entschlossen zur Feder und schrieb ein kurzes, bündiges Billett an die Hausdame: Er bedürfe ihrer Dienste nicht mehr, da er sich entschlossen habe, Senta in Pension zu geben Es wäre ihm sehr erwünscht, wenn das Fräulein sogleich nach Empfang dieser Zeilen ihre Sachen packte und die Wolfsburg oerlasten würde. Ein Wagen sollte zu dem um zwölf Uhr abgehenden Zuge zur Fahrt nach der Station bereit sein Auch würde ihr das volle Iahresgehalt ausgehändigt werden. Als Fräulein von Rupert kurze Zeit darauf dieses in haltschwere Billett empfing, glaubte sie, vom Schlag ge rührt zu sein. Eie halt« wohl eine Auseinandersetzung erwartet und sich schon zu einigen sie völlig reinwaschenden, entlastenden Ausflüchten vorbereitet, aber nimmer an die sen demütigenden Ausgang gedacht. Schon gestern, als sie eine Stunde später als Senta, von Furcht und Scheu getrieben, im Schloß eingetroffen war, hatte sie die seltsame Ruhe darin sowie die kurze Art Gottliebs, den sie gefragt, ob die Komtesse bereits heim- gekehrt sei, befremdet. Sie war darauf zum Zimmer Sentqs gegangen, um diese womöglich einzuschüchtern, aber sie fand verschlossene Türen und erhielt keine Antwort auf ihr Klopfen. Auch ihr Verlangen, den Crafen zu sprechen, scheiterte an dem alten Gottlieb, der sie nicht melden wollte: Der Herr Craf habe Befehl gegeben, niemanden vorzu lasten. Dies alles war angetan, sie zu beunruhigen, und sie verbrachte eine schlaflose Nacht, doch noch immer hoffend, alles wieder arrangieren können Selbst wenn das „unausstehliche" Mädchen ne verklatscht haben sollte, gab es genug Gründe zur Widerlegung, und der Craf hatte ihr bisher noch immer Glauben geschenkt. Der heutige Brief zertrümmerte alle Luftschlösser, aber sie war nicht gesonnen, sich diesem Urteilsspruch Widerstands- los zu fügen. Zwar wurde ihr erneutes Ansuchen um eine Unterredung mit dem Grafen wiederum mit aller Energie von Gottlieb abgelehnt, doch blieb ihre Hoffnung Gräfin Arenberg. Diese, deren Helfershelferin sie gewesen, konnte sie doch nicht im Stich lasten. Sie packte also mit verbissenem Ingrimm ihre Sachen und fuhr mit dem ihr gestellten Wagen ab, ohne einen der Bewohner gesehen zu haben. Unterwegs gab sie dem Kut scher Weisung, nach Arenberg zu fahren Sie ahnte nicht, datz ein reitender Bote von der Wolfsburg bereits vor ihr in Arenberg eingetroffen war und der Gräfin ein ähn liches Billett gebracht hatte. Mit Hohnlachen wurde sie von Gräfin Arenberg emp fangen. „Haha, was wollen Sie? Diese unmögliche Komödian- tendirne ist uns doch noch über, sie hat uns eine schöne Suppe eingebrockt. Hier, lesen Sie gefälligst erst einmal." Und die Rupert las und wurde blaugrün im Gesicht: „Nach dem gestern Dorgefallenen wirst Du einsehen, datz ein Verkehr wischen uns vorläufig nicht möglich ist, bis ich einigermaßen überwunden haben werde, und ich glaube, das wird ziemlich lange dauern. Nicht gegen das ahnungslose Kind, besten keusche Seele Du verletztest, führtest Du den Schlag, sondern allein gegen mich, der ich Vaterstelle an der Waise vertrete und die ich darum als — mein Kind betrachte. Morgen kommt Senta in Pension, und ich gehe für längere Zeit auf Reisen. Jene Person, die Du mir emp fahlst und deren Obhut ich Senta leichtfertigerweise an vertraute. verläßt noch heute die Wolfsburg; sie hat ihr Amt des Spionierens zur Genüge erfüllt. Die intimeren Beweggründe zu diesen Maßregeln nicht an die Oeffent- lichkeit zu bringen, brauche ich Dir wohl nicht erst nahe zulegen; es würde nur Dich selbst kompromittieren." Wie gebrochen sank die Rupert in den Sessel: „Das — das mir — die ich in den höchsten Häusern zur höchsten Zufriedenheit —" - lFortjetzung solgi.z wird be ger Eni «ine we härteten