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Die Pappel. „Sahst du die Pappel, die schlanke, im Tal? Ihr Stamm ist verdorrt, ihre Zweige sind kahl. Und wird sie einst stark und grün, wie sie war, So führ ich dich, Mädchen, zum Traualtar." — Sie eilt, sie wankt zum Kreuzweg hin: Wann wirst du, Pappel, wie einst so grün? Eie netzt die Erde mit Wasser vom Quell, Ls zeigt sich am Baume kein Blättchen hell, Sie badet die Wurzeln in Tränen Heitz. Ls zeigt sich am Baume kein grünes Reis. Sie tränkt sie mit Oelen wundersam Es zeigt sich kein grünes Blatt am Stamm. Da kamen die Schreiner mit Aexten stark Und zimmerten aus der Pappel einen Sarg. Aus dem Böhmischen (Kapper). An -er Wende. Von E. Gütschow. (Nachdruck verboten.) Ein halbes Jahr war es nun her, datz dem Brennerhof die Wirtin genommen. Damals war der Bauer entsetzt zusammengebrochen. Ueber dreißig Jahre hatte er den Kameraden zur Seite gehabt und stand nun einsam. Zum erstenmal fand der verschlossene Mann den Weg zur Toch ter, als sie ihm in der schwersten Stunde wortlos zur Seite stand, nicht des eigenen Leids gedachte, nur helfen wollte. Ruhig, ohne zu zögern, ergriff sie das Steuer, gab ihren liebgewordenen Berus auf, trat das Muttererbe an, pflicht- bewutzt, pflichtgetreu! Ein herzliches Verhältnis wurde es zwischen Vater und Tochter. Mit lieber Art, die dem spröden Menschenkind gar nicht zuzutrauen war, wutzte Nena immer wieder dem Vater die Sorgenfalten zu glätten. Mancher Brief aber wanderte hinaus zu Vilma Arlt, der getreuen Freundin. Froh und gern nahm sie teil an dem Geschehen auf dem Brennerhof, betrachtete sie doch Rena als ihren ganz besonderen Schützling. Mit forschenden Augen beobachtete eines Tages Nena Brenner ihren Vater Was hatte er. was war geschehen? Nirgends fand er Ruhe und Rast, überall tauchte seine große Gestalt auf, schaffte er Neues. Mit dem Feinemp- finden der Frau ahnte Rena etwas, was nicht sichtbar, nicht greifbar war, aber doch eben bestand Besorgt fragte sie ihn, aber er lachte nur. forciert belustigt klang es: „Ach, ich bin wohl nervös mutz einmal hinaus, neue Eindrücke gewinnen." Rena nickte' „Tu es, Vater." Da drehte er sich um. „Ich fahre zur Stadt, soll ich Vilma Arlt Grütze bestellen?" Einen Augenblick zuckte sie zusammen, doch dann klang es ruhig, fast froh zurück: „Ach ja, bitte, recht herzliche sogar." In ihrem Jungmädelstübchen satz sie dann noch lange in Gedanken versponnen, nqchdem des Vaters Schritt auf dem Hof verklungen. Ein kurzes Klopfen, ruhig klang Las „Herein" einer Frauenstimme Wolf Brenner stand einen Augenblick ver legen an der Tür. Ihm beide Hände entgegenstreckend, kam Vilma Arlt auf ihn zu. „Sieh da, welch seltener Besuch und zu so ungewohnter Stunde?" Froh klang ihr Grutz. „Papa Brenner, wie kommt das?" Neckend war die Frage gestellt. „Und wo haben Sie meinen kleinen Schützling?" Da wurde der Mann verlegen, aber dann kamen die Worte fast überstürzend von seinem Mund „Ich komme zu Ihnen, Vilma Arlt, ich liebe Sie. werden Sie meine Frau" Einen Augenblick schien sich alles um sie zu drehen, sprachlos schaute sie den Mann an. Wolf Brenner war ein stattlicher Sechsziger und sie? — Jung, ein Mensch, der das Leben noch zwingen wollte. Und dann noch eins — ihr kleiner Schützling Rena, nur ein paar Jahre jünger — und sollte sich damit abfinden? , Sekunden nur währte das Schweigen, da legte sie leis chre kühle Hand auf seinen Arm der Mann zitterte, aber fröhlich lachte sie ihn an: „Wolf Brenner ich verstehe Sie, aber es kann nicht sein, das mutz Ihnen genügen. Zwischen uns würde immer sie stehen der Ihr Leben gehörte, die ich verehrte Daheim aber würde ich einem kleinen Men schenkind das Heimatrecht, das es io wohltuend empfunden, rauben Wenn Sie nur den Kameraden haben wollen, der bin ich Ihnen und Ihrem Hause immer gewesen und werde es bleiben — wenn Sie es wollen." Impulsiv streckte sie Hm die Hand entgegen. „Einverstanden?" Da griff er zögernd zu, aber sie lachte ein bezwingendes Lachen, aus Zeichen Herzen heraus. „Nicht so, Wolf Brenner, das Vize töchterchen wäre ganz unglücklich. Nun grüßen Sie mir daheim aber das Schwesterlein." Und dgs gleichmäßige Rattern Les Zuges brachte auch den Mann zur Ruhe, brachte das Stürmen in ihm zum Stillstand. Als er daheim durch die Tür trat, streifte sein Blick schuldbewußt, unsicher Rena, harmlos froh aber de> jrützte sie ihn. Da hatte er die Gewalt über sich wieder, roh lachte er ihr zu. „Vom Schwesterlein soll ich dir Grütze bestellen." Jubelnd hing sie sich ein, da setzte er leise hinzu: „Mädi, fast hätte dein alter Vater einen Schwabenstreich begangen, wenn Eine Hand schlotz schnell seinen Mund, und Arm in Arm, als wäre nie das Hangen und Bangen der letzten Stunden gewesen, schritten sie munter plaudernd über den Hof, hinter ihnen her ein ganzes HüH> nervolk, als müßte es Lie Ehrengarde stellen. Eine Goethe-Anet-oie. Goethe hatte sich darüber geärgert, datz beim Druck einer seiner Dichtungen nicht in allem seinen Wünschen entspro. chen worden war. Vor allem aber hatte ein Setzer seine« Unwillen erregt, der einen Druckfehler in ein Gedicht ge bracht hatte, einen Druckfehler, der dem Herrn Geheime« Rat besonders peinlich war. So schrieb Goethe denn einen nicht gerade sehr liebens würdigen Bries an seinen Verleger und ersucht«, dem schul digen Setzer gehörig die Meinung zu sagen. Ter Setzer aber, Ler sich nicht schuldig fühlt«, da ei« Versehen jedem unterlaufen kann, ward sehr zornig aus den Geheimen Rat und beschloß, sich bei passender Gelegen heit zu rächen. Einige Monate nach dem Vorfall nahte der Geburts tag der Herzogin Amalia, und Goethe und die andern in Weimar ansässigen Großen beratschlagten, in welcher Weis« man der Fürstin eine besondere Freude bereiten könne. Man einigte sich, ihr ein kostbar ausgestattetes Heft zu überreichen, in dem jeder Ler Dichter mit einem bislang ungedruckten Beitrag vertreten wäre. Goethe aber übernahm es, die Schrift zum Druck zu be fördern, und sandte das Manuskript der Festgabe an seinen Verleger. Durch einen Zufall wurde das Heft dem gleichen Setzer zur Bearbeitung überwiesen, der seinerzeit den Untvillen Goethes erregt hatte. Er hatte die Zurechtweisung, die er der Exzellenz in Weimar zu verdanken gehabt, noch nicht vergessen und sah nun eine günstig« Gelegenheit, den Gegenhieb zu führen. Er verzögerte die Arbeit so, datz das gedruckte Heft erst am Geburtstagsmorgen in Schloß Tiefurt bei Weimar, wo die Herzogin wohnte, eintraf, und Goethe und die andern Mitarbeiter keine Gelegenheit mehr fanden, ihre Gabe noch einmal durchzusehen. Anna Amalia aber bestimmte, daß eine Dame ihrer Umgebung die Gedichte des Heftes vorlesen sollte. Der Beitrag Goethes, der den „König in Thule" ge wählt hatte, machte den Beginn. Alles lauschte voll Erwartung, die jedoch in schallende Heiterkeit überging, als die zweite Strophe Les Gedichtes, die lautet: Es ging ihm nichts darüber, Er leert' ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus. in der boshaften Fassung des rachesüchtigen Setzers fol gendermaßen erklang: Es ging ihm nichts darüber. Er leert' ihn jeden Schmaus; Tie Augen gingen ihm über. So oft trank er daraus. Zwei Wörtchen nur hatte der Mann vertauscht. Dies aber genügte, um den großen Dichter einen Tag lang zum Gespött des Weimarer Kreises zu machen. Goethe aber war zu klug, um den Setzer, der ihm viel leicht auch einen gewißen Respekt einflötzte, noch einmal anzugreifen. Er bewahrte das Heft als Kuriosum Er soll sogar später einmal den Setzer kennengelernt und ihm, ohne im übrigen der Angelegenheit zu gedenken, einen kleinen Becher geschenkt haben. Hans Gafgen,