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Zornig über sich selbst, stampste er mit dem Futze aus Und dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, nahm er die Bilder, ritz sie mitten durch, dann' noch einmal, und noch einmal, und die kleinen Pappschnitzel warf er in den Ofen Mit einem Zündholz brannte er sie an. Dann blieb er vor dem Ofen gebeugt, bis die sekundenlang aus lodernde Glut schwächer wurde, in sich zusammensank und als ein Häuflein Asche liegen blieb Das war das Ende! Vielleicht war sein Tun jetzt brutal, roh, aber er hatte nicht anders gekonnt! Wie er die Bilder vernichtet, so sollte ihn auch nichts mehr an Hortense erinnern, ganz ausge löscht aus seiner Erinnerung sollte die mit ihr verlebte Zeit sein! Sie hatte es ihm wahrhaftig nicht leicht ge macht! Er war dem Architekten aufrichtig dankbar für seine Mitteilung und empfand gar keinen Schmerz. Nur Erleichterung. Mit einem tiefen, befreienden Atemzug rich tete er sich auf. Nur keinen Gedanken mehr an eine Un würdige. Fertig damit! Schluh! Herzklopfend schlüpfte Dora kurz vor acht Uhr mit Prinz aus dem Hause. Sie fürchtete Ewalds Drohung; er würde wiederkommen, wenn sie nicht folgte! Und weil der Major durchaus nichts von ihrem früheren Verhältnis zu dem Architekten wissen sollte, war sie schwach gegen dessen sehr sonderbares Verlangen. Sonderbar in der Tat! Denn ge schiedene Eheleute haben sich sonst doch gar nichts mehr »u sage«! Er kam gerade die Straße entlang; beim Schein der Laterne erkannte sie ihn schon von weitem an seinem leich ten, federnden Gang; es war immer, als ginge er etwas Frohem. Heiterem entgegen. Wie hatte sie das früher im mer an ihm geliebt, dieses Freudige, Sieghafte! Früher, ach, wie lange war das her —! Und wie konnten zwei Menschen, die sich so lieb gehabt, wie konnten die sich doch auseinanderleben! Und, eine heiße, verstohlene Röte brannte ihr auf den Wangen, und wie konnte man sein Herz einer neuen Liebe öffnen, einer Liebe, die viel stärker, inniger, tiefer war als die erste, weil bewußter, reifer! Ach, sie kannte sich selbst nicht mehr! Dora ging ihm entgegen, da sie ein Zusammentreffen mit ihm vor ihrem Hause vermeiden wottte. Er lächelte, al» er sie mit dem Hunde sah. »Fürchtest du dich, weil du den Köter mitgebracht hast'?" „Ich fürchte Sie nicht! Doch ich mußte einen Grund haben, hinauszugehen!" „Ist der Maior so streng? Gönnt er dir keine freie Zeit?" „Er ist gut. Aber es würde ihm auffallen, wenn ich abends ausgehrn wollte, da ich bisher stets zu Hause ge blieben war!" Beinahe mitleidig sah er sie an. „Du kleine Hausunke! Immer bescheiden, nichts für sich verlangend! Hast du nach nichts vom Leben gelernt? Wer nicht» fordert und wer sich nicht zur Geltung bringt, über den wird ohne Mitleid und Erbarmen hinweggegangen." „Ich kann nicht gegen meine Natur." „Ja, leider, du kleines Dummchen! Dor allem aber: tue einmal die häßliche Brille ab!" „Nein! Und überhaupt: was wollen Sie von mir?" „Ich habe Verlangen, mit meiner Frau zu sprechen." „Das ist doch längst nicht mehr; das ist alles vergeßen." „Wenn du ein wenig mehr Verständnis gezeigt hättest! Ich bin wirklich kein schlechter Kerl, Thea." „Das weiß ich Aber darum konnte ich nicht verstehen, wie man eine Frau, die innig liebte, seelisch so mißhandeln und so quälen konnte, daß ihre ganze Liebe dadurch ge tötet wurde! Doch da alles so weit hinter mir liegt, lohnt es nicht mehr, darüber zu sprechen!" „Für mich doch, Thea! Wenn du mir glauben wolltest, ich habe dich immer geliebt, und al« ich dich unter deiner Verkleidung heute mittag erkannte, da erwachte die alte Liebe mit Macht Neulich schon warst du mir so vertraut erschienen Ich mußte dich nochmals sprechen Du hattest mir die letzte Aussprache verweigert, und es war noch man che» zwischen uns klarzustellen " „Ich war ja mit allem einverstanden und hatte nur den einen Wunsch, frei zu werden " „Ja. du Trotzkopf Aber ich laste mir auch von dir nichts schenken Pekuniär stehe ich iehr in deiner Schuld, und diesen Punkt mit dir zu regeln, liegt mir am Herzen Dein Vermögen ist zum größten Teile von mir verbraucht wor den. damals, du weißt. Doch nun sind meine Verhältnisse glänzend, ich darf es ohne Uebertreibung sagen, und ich will meine Schuld zurückzahlen." Für mich ist alles erledigt. Ich will nichts!" sagte sie fast heftig. . „Und ich will nicht, daß die Frau, die meinen Namen getragen, in untergeordneter, dienender Stellung ihr Leben verbringt. Ich schenke dir nichts. Ich gebe dir nur dein Eigentum wieder." „Ich brauch« es nicht." „Wenn du verzichtest für dich. Thea, so mußt du mir schon gestatten, daß ich über dein Kapital in anderer Weise verfüge: deine Tante Lrmelinde von Hartmut in Trostburg wird sicher nicht böse sein, wenn ihr, der Kleinrentnerin, die unter den schwierigen Verhältnisten doch sicher leidet, dadurch ihr Lebensabend etwas erleichtert wird." „Nein!" stieß sie hervor. „Auch diese Lösung behagt dir nicht? Thea, bin ich dir denn so widerwärtig, daß du nicht einmal dein Eigentum von mir zurückhaben willst?" Er schüttelte den Kopf, und beinahe traurig sah er sie an. „Das nicht, Ewald" — unwillkürlich glitt sein Name über ihre Lippen — „aber es geht auch so. Tante Erme- linde ist alt; sie hat wenig Bedürfnisse und kommt leidlich aus; sie hat doch ihr eigenes Häuschen." Als er seinen Namen von ihr aussprechen hörte, erfaßte ihn eine unsinnige Freude. War's ein Zeichen, daß die Vergangenheit doch wieder Macht über sie gewann? Er griff nach ihrer Hand. „Ach, Thea, wenn du nun doch alles vergessen könntest und wieder mit mir kommen würdest! Du bist genügend durch die Schule des Lebens gegangen, ich allerdings auch, wenn auch in anderer Weise. Du hast gemerkt: fremder Leute Brot essen ist schwer. Und was ich dir jetzt bieten kann, ist mehr, viel mehr. Wie du dir deine Zukunft ge stalten willst, ist Leuten mit einigermaßen normalem Ge hirn unfaßbar, besonders in deiner Verkleidung." „Sie haben ja immer behauptet, ich sei nicht normal" — sie lächelte leicht —, „darum lassen Sie mich auch auf meine Faston selig werden " „Ja, Thea, aber nicht allein, mit mir! Komm wieder mit mir! Nie sollst du es zu bereuen haben Wir haben uns doch so lieb gehabt!" Bittend sah er sie an „So viel Unwahrscheinliches geschieht doch jetzt, warum nicht auch das, daß zwei geschiedene Eheleute wieder den Weg zu einander gefunden haben?" Das wollte Ewald in Wirklichkeit! Dora war über rascht. Doch es sah ihm ähnlich: immer das Außergewöhn liche, das Ausgefallene, das lieble er, der ersten Launs nachgebend, immer Aufregungen. Abenteuer — und sie. sie war müde von ihren Kämpfen, sie wollte Ruhe Und mU Ewald von Toop war sie ganz fertig, auch wenn das an dere, was sie quälte und zugleich beseligte, nicht in ihr Leben getreten wäre. „Ewald, was Sie wollen, ist doch ganz unmöglich! Ich gehe einmal gegangene Weg« nie wieder zurück! Und Sie sind ein Phantast! Von ganzem Herzen freut mich Ihre Künstlerlausbahn Ich habe immer an Sie geglaubt Und nun leben Sie wohl. Ewald!" Einer plötzlichen Eingebung folgend, streckte sie ihm die Hand entgegen In seinen Augen leuchtete es auf Er hielt die geliebte Hand fest, drückte seine Lippen darauf „Ach, Thea!" Sie schüttelte den Kopf; das leidenschaftliche, bittende Drängen in seinem Worte und Blick fand keinen Widerhall. „Ich bitte Sie, niemals wieder zu versuchen, meinen Weg zu kreuzen, weil es doch vorbei ist Darum erfüllen Sie mir diesen Wunsch Es würde mir nur weh tun, weil ich ohne Groll an Sie denken möchte. Nochmals: leben Sie wohl!" Sie gönnte ihm nicht Zeit noch zu einem letzten Worte. Den Hund am Halsband führend, eilte sie davon und war bald im Haus« verschwunden Er stand und sah ihr in un- bestimmter Traurigkeit nach Etwas Schönes war mit ihr aus seinem Leben gegangen Thea war ihm viel gewesen wieviel, hatte er erst nach ihrem Fortgehen so reiht emp funden, durch eigene Schuld hatte er sich diese zärtlich-' liebevolle Frau verscherzt Langsam lenkte er seine Schritte stadteinwärts, einen dumpfen Schmerz im Herzen. Sein besseres Teil hatte er mit Dorothea verloren (Fortsetzung folgt.)