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Hohenstein Ernstthal« Tageblatt und Nnrelger MräanürM^ Koman. von. k^». ^ekne. 19. Fortsetzung. Der Major nickte, und in vorsichtig abwägenden Wor ten berichtete der Architekt von dem Erlebnis mit dem Geigenspieler in der Lar. „Ich meinte, es sei auch von Interesse für Sie, Herr Major Keinerlei andere als diese Gründe haben mich veranlaßt. Sie davon in Kenntnis zu setzen. Man fühlt doch noch kameradschaftlich zueinander, und wie draußen einer den andern, wo es ging, vor Gefahr gewarnt und be wahrt hat. so auch jetzt, wenn auch in anderen Angelegen heiten Nach meiner Ansicht ist es besser, Sie sind von al lem unterrichtet Ich will ja Frau von Schöning in keiner Weise zu nahe treten " Ewald von Toop sah den Major beinahe bittend und treuherzig an. Der stand aus und gab ihm mit kräftigem Drucke die Hand „Ich verstehe Sie, Herr von Toop, und Ihre gutge meinte Warnung. Aufrichtig danke ich Ihnen dafür Meine Beziehungen zu Frau von Schöning waren in den letzten Wochen schon lehr locker geworden, seit gestern sind re ganz gelöst. Wie es so kommt: die Charakter- und Ee- chmacksverschiedenheiten waren zu groß Warum da müh- am an etwas festhalten wollen, das einem doch entgleiten will oder vielmehr längst entglitten ist? Und ich bin im mer für Offenheit und Klarheit in jeder Lebenslage." Zustimmend nickte der Architekt. „Voraussichtlich werde ich die Dame auch nicht mehr Wiedersehen " Der Major lächelte ein wenig. „Frau von Schöning scheint sich schon getröstet zu haben Kurz nach unserem Zusammentreffen, Herr von Toop, ist sie mir heute vormittag mit einem übertrieben modern geklei deten älteren Herrn begegnet. Ich weiß nicht, ob sie mich gesehen hat " Der Architekt verzog den Mund, als habe er auf etwas Bitteres gebißen „Ich Zweifle nicht, daß es ihr gut gehen wird. Diese Arten Frauen haben ein merkwürdiges Glück " Und er dachte dabei an seine ehemalige Frau, wie die sich bescheiden und ehrlich und kümmerlich durchs Leben schlug! Eine große Rührung wallte in ihm auf Kleine, dumme Thea! Was hätte sie aus sich machen können Vielleicht war sie doch vernünftig und würde seinem Rate folgen, denn das Leben hatte sie anscheinend in einer 'orten Schule gehabt War sie noch nicht mürbe geworden ' Er sah nach der Uhr. beinahe erschrocken sprang er aus „Verzeihen. Herr Major, daß ich Sie jo lange aufgehal ten habe" „Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Herr von Toop." sagte der Major in aufrichtiger Herzlichkeit, feinen East (Nachdruck verboten.) hinausbegleitend, „es wird mich stets freuen, Sie wieder zusehen." „Ihre Worte machen mich glücklich, Herr Major! Mein« Zeit ist hier bald abgelaufen, ich denke, in drei bis vier Wochen abkommen zu können. Dann habe ich am Tegern see ein Landhaus zu bauen." „Ich beglückwünsche Sie zu Ihren Erfolgen, Herr von Toop." „Es tut sich, Herr Major," sagte Ewald lustig; „ich komme mir beinahe vor wie der ewige Jude; unstet und flüchtig, Ahasver gleich, durchziehe ich die Lande. Doch ich habe ja kein richtiges Heim mehr, keine Frau. Wird man älter, sehnt man sich ganz unsinnig wieder nach einer trau lichen Häuslichkeit. Man bekommt das Leben in den Ho tels und Pensionen so satt" Dora hatte in der Küche seine letzten, wohl absichtlich laut gesprochenen Worte gehört. Sie hatte es nicht über sich bringen können, hinauszugehen und ihm beim Anlegen des Mantels zu helfen, selbst auf die Gefahr hin, daß der Major über diese Unterlassung ungehalten sein würde I Den ganzen Nachmittag war sie in einer peinvollen Un- ruhe; planlos nahm sie eine Arbeit vor, um sie dann gleich wieder liegen zu lasten Was wollte Ewald denn von ihr' Sein Verlangen, nochmals mit ihr zu sprechen, ängstigte sie sehr. Man hatte doch gar nichts mehr miteinander zu schaffen! Ein Glück für sie, daß der Major bei ihrer Gemütsver fassung ihre Dienste nicht verlangt hatte! Auf die Dauer wäre ihr eine Selbstbeherrschung in dem Maße, wie es nötig gewesen, unmöglich geworden! Und ein Fragen von ihm hätte sie nur in Verwirrung gebracht Aber Maurus war selbst so aus dem Gleichgewicht ge bracht durch das. was ihm Herr von Toop erzählt hatte, daß er allein sein wollte Nachträglich schämte er sich seiner großen Leichtgläubigkeit, die er Hortense gegenüber gehabt, daß er das Truggold nicht erkannt Noch mehr aber. >o viel Leidenschaft. Zärtlichkeit. Liebessehnsucht aus eine Frau gehäuft zu haben, die gar nicht verstanden, was er ihr ge- geben, und was er gleichzeitig, aber vergeblich, in ihr ge- sucht! Er hatte ja nicht bloß die Geliebte für schwache, zärtliche Stunden haben wollen, nein, auch einen freiden- kenden. großen Menschen und das war sie ihm schuldig geblieben! Aus dem Schreibtisch nahm er ihre Bilder und betrachtete sie lange Nie wahr ihm die ganze Auf. machung der Halbweltdame so ausgefallen, das leere, ge- zierte, puppenhafte Lächeln um den sinnlichen, großen Mund — war er denn ganz blind gewesen, war das die vielumworbene Schönheit? Die Frau Konsul von Schö. ning, in Wirklichkeit die entlaufene Frau eines kleinen Musikers — vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt!