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so ungekünstelt und unge- Spinoza. I. Sturm. Hagebuttenweins erzählen „Ja, später. Aber erst trinken wir ein Gläschen! Wein? Wir haben selbst- So etwas Köstliches haben geben? Auf ein Gläschen gemachten Hagebuttenwein. Sie noch nicht getrunken." Die Einladung war Das Wunder des Rosenstrauches. Von F. Schröng Hamer-Heim dal, Passau- Haidenhof. Nach vielen Jahren kam ich wieder einmal in das alte Studienstädtchcn. Vertraute Gassen^ hohe Giebel, von der wuchtigen Kuppel des hohen Domes überragt. Selten ein bekanntes Gesicht, und wenn, dann runzelig und sorgenalt. Wieder humpeln zwei Alte daher. Ich entsinne mich. . . . Das muß der Finanzrat sein, einst Vorstand des Rentamtes. Damals ein Hüne, heute eine wandelnde Ruine, flügellahm, mit eingezogenen Schultern, darüber die zu weit gewordenen Ärmel in vielen Falten taumeln. Nur in den Wangen flackert's noch ein wenig vom Farben rot erloschener Jugend und die Augen sehen frisch hervor unter buschigen Brauen. > Er humpelt am Arm der Gattin, die noch rüstiger er scheint als ihr gebrechlicher Gefährte. Im anderen Arme trägt sie ein Körbchen mit Hagebutten, die ebenso welk und verrunzelt sind wie die beiden Alten. Lebensherbst und Hagebutten. So stimmt's doch Wohl? Voreinst waren es Rosen. Volle, drängende Sommerrosen und blühende Menschenleiber. Ich entsinne mich im Vorübergehen, wie die Alten damals ein Kind lein hatten. Nach manchem Ehejahr ein Kindlein, das sie täglich im Wägelchen durch die Anlagen fuhren. Noch steht das Bild von damals lebendig vor mir: wie sie das mit weißen Spitzen behangene Wägelchen vor sich her schob und e r mit sonnigen Augen auf das kleine Wunder niedersah, wenn er nicht gerade ein Steinchen aus dem Wege räumte, damit das Wägelchen glatte Bahn hätte. Die beiden Alten waren damals sprichwörtlich ge worden im Studienstädtchen wegen ihrer rührenden Sorg falt für ihr einziges Kindlein, das ihnen der Himmel noch unverhofft beschert hatte. Aber der Himmel hat ihnen das Kindlein dann wie der genommen und der Schrecken darüber war so groß, daß die Eltern selbst dem Tode nahe kamen. Man sah sie lange nicht mehr auf ihrem gewohnten Spaziergange durch die Anlagen, noch weniger in Gesell schaften. Sie lebten nur noch in Erinnerung an ihr Kind lein und vereinsamten völlig. Im Gedenken an dieses herbe Geschick wandte ich mich um und sah den beiden Alten voll Ehrfurcht nach. Auch sie waren jetzt stehengcblieben und blickten zu mir her, als hätten sie mich erkannt. Ich zog den Hut, ging auf die Alten zu und sagte ihnen, wie ich mich immer freue, nach so langer Zett be kannte Gesichter im alten Städtlein zu sehen. Ich nannte meinen Namen und wollte mich wieder empfehlen. Da nahm mich der Alte bei der Hand und die Frau sagte: „Wollen Sie uns nicht auf ein halbes Stündlein die Ehre Lebensfreude. Die Fröhlichkeit ist ein Affekt, welcher des Körpers Macht j zu handeln vermehrt oder unterstützt; . . . folglich ist die < zwungen, daß ich den Alten gerne in ihr Heim im alters grauen Amtsgebäude folgte. „Sie machen uns eine große Freude," sagte der alte Finanzrat auf dem Heimwege. „Wir haben niemand mehr auf der Welt. Sie wissen ja, unser Bübchen, unser einziges Kind " Ich nickte. „Nicht wahr? Das war ein Schlag damals? So sind wir einsam und alt geworden. Und jetzt haben wir den Hagebuttcnwein. . . Ein wahres Wunder, müsse» Sie wissen. . . Wie uns der noch bei Kräften hält! Sehen Sie, ich bin vierundachtzig und meine Frau wird nächstens neunundsiebzig. . . In drei Jahren könnten wir die dia mantene Hochzeit feiern, wenn uns unser kleiner Engel — Sie wissen ja — nicht vorher zu sich in die himmlischen Gefilde holt. Aber ich hoffe, der Hagebuttenwein. . ." Die alte Dame stellte eben die Gläser auf den Tisch und mahnte den Gatten, nicht so viel zu sprechen. „Wissen Sie, es strengt ihn an. Und hernach hat er immer seine Hustenanfälle." „Ich wollte dem Herrn bloß die Geschichte unseres Es war wirklich ein Wunder von einem Wein. Mild j wie Ql und voll süßen Feuers, wie Rosenrausch erfüllte er - die Adern. „Nicht wahr?" hob der Alte wieder an. „Das ist ein I Tränkleiu, das uns den diamantenen Hochzeitstag noch z erleben lassen wird. Und dann sagen wir der Welt Valet. > Und jetzt sollen Sie auch die Geschichte unseres Wunder- ! Weins hören. Sie ist merkwürdig genug und in mancher I Hinsicht wert, erzählt zu werden. Draußen in den Anlagen der Stadt — Sie wissen » schon — steht ein alter wilder Rosenstrauch. Dort haben ! wir uns seinerzeit kennengelernt. Lang' hab' ich ge- I schmachtet, bis ich endlich, den Mut fand, der Angebeteten j ein Geständnis zu machen. Und brach ihr ein Röslein « von dem Strauch da draußen — und bald darauf machten ! wir Hochzeit. Und unser Leben ward ein Gleichnis dieses I Rosenstrauches; nichts als Duft und Blühen in Glück j und Sonne. Das Glück wurde unermeßlich, als am Rosenbusche ! unseres Lebens selbst ein Knösplein aufbrach: unser Kind- l lein, unser einziges. Täglich und täglich fuhren wir zum j Rosenstrauch hinaus in die Anlagen, wo unser Glück be- » gönnen hatte. Dann kam ein Rauhreif und vernichtete ! alles Glückswesen: das Kindlein wie die Röslein am I Strauch. Es war ein unfaßliches Geschick. So kam der Herbst des Lebens, der uns traurig fand, » unsäglich traurig. Sie verstehen doch, nicht wahr? Die Rosen wurden Hagebutten und — wir selbst auch. I Alles Leben verschrumpfte und verstumpfte. Welk und j runzelig, wie wir selbst waren, sahen wir auch das Leben. , Da begab es sich, daß ich im Spätherbst einmal vor ! dem Rosenstrauch da draußen stehenblieb und mir die I Hagebutten genau betrachtete. Und da fiel mir beiläufig I ein: was von Rosen stammt, muß gut sein, es kann , Dust, Kraft und Schönheit nicht verlieren. Und zwar I muß dieses Wesen tief innen liegen, wie eine Seele ge- I wissermaßen — die Rosenseele. Ich pflückte dann die l Hagebutten und machte den Wein daraus — den Wein . mit der Rosenseele. ! Und so wurde der Rosenstrauch von neuem Gleichnis l unserer Tage: -wir entdeckten auch in uns die Seele wie- I der, die Nosenseele. Ich meine das Ewige, Bleibende, , was in Rosen wie in Menschen ist, auch wenn sie äußerlich I nur noch Hagebutten sind. In diesem Ewigen sind wir i jung wie damals, als ich meiner Herzallerliebsten die voll- I erblühte Heckenrose vom Strauche brach." Der Alte nickte heftig und lächelte über den Tisch hin 1 zu seiner greisen Gefährtin. t „Ja," sagte diese, „das ist die wahrhafte Geschichte I unseres Roscnlebens. Wüßten doch alle jungen Leute, « daß Jugend und Rosen und Liebe nur Andeutungen sind I des reifen reinen Seelenglückes im Lebens herbste. Rosen i welken und entblättern. „Alles Vergängliche ist nur ein I Gleichnis." Was bleibt, ist die Nosenseele im Hagebutten- « wein. In ihm ist uns der ewige Frühling, die ewige ; Liebe gewiß. Dieses Ewige aber ist au keine äußere Ge- 1 statt gebunden. Es liegt in den Seelen — bei den l Rosen wie bei den Menschen." Fröhlichkeit geradezu gut. * Genieße still zufrieden den sonnig heitern Tag, Du weißt nicht, ob hienieden Ein gleicher kommen mag. * Man spricht viel zu leichtfertig vom Lachen in der Welt; ! ich halte es für eine der ernsthaftesten Angelegcnheiicn der ' Menschheit. W. Raabe. I * Der Heiterkeit sollen wir, wann immer sie sich einstellt, » Tür und Tor öffnen, denn sie kommt nie zur unrechten Zeit. ' Schopenhauer, i Wenn wir das Leben lachen hören wollen, müssen wir cS r uns durch unser Lachen herausfordern wie ein Echo. Unser " Schicksal ist immer der Widerschein von uns selbst. Rud. Herzog. 1