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Angsrling und Handschuh. Von Gustav Lindt. (Nachdruck verboten.) Unter allen Requisiten der Mode ist der Handschuh Wohl das einzige, das dem Herrn der Schöpfung seine Entstehung verdankt und lange Zeit hindurch nur von ihm getragen wurde. Es war der Mann, der sich auf diese Weise gegen die Unvill der Witterung schützte, sür die Schlacht wappnete und auf dem Thron und vor dem Altar schmückte. Im Grabe Tutankhamens hat man Handschuhe und unter den Trümmern von Tel el Amara, der Hauptstadt des häretischen Pharaos Amenophis IV., des berühmten Schwiegervaters Turankhamens, ein Basrelief gefunden, das die königliche Familie darstellt; der König verteilt an die zur neuen Lehre bekehrten Gouverneure Beloh nungen, darunter Handschuhe aus rotem Leder. Aus dem Hieroglyvhentert geht hervor, daß die Handschuhe bei der Menge lebhaftes Interesse erregten. In der Bibel wird berichtet, wie Jakob Fellhandschuhe anlegte, um seinen Pater Isaak glauben zu machen, er sei Esau. Aus derbem Sticrlcdcr geschnittene Handschuhe benutzten die griechi schen Hirten und Arbeiter, die Perser und andere asiatische Völker. Die in jenen Zeiten übliche Form war durchweg die des Fingerlings, wie ihn noch die Vornehmen im alten Nom bei den Gastmählcrn trugen, um sich nicht die Hände zu beschmutzen. Zu den Krönungsinsignien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehörten Handschuhe ans Purpnrzindel. Über und über mit Perlen bestickt, wiesen sie ans dem Rücken Reichsadler und Krone, auf den Fingern allerlei kleine, feine Zierate und Ara besken aus. Purpurrot, violett, weist oder schwarz, wie cs der besondere liturgische Anlatz verlangt, ist der Hand schuh ein wichtiger Bestandteil des bischöflichen Ornats. Stählern, mit Gold verziert, schmückte er den Ritter in der Schlacht und im Turnier, als Stulpe den Ratsherrn. Juwclenbesetzte Handschuhe wurden den Fürsten ins Grab gelegt, an einigen Universitäten erhielt der Doktor bei der Promotion als „Verlobter der Wissenschaft" ein paar Weitze Handschuhe, wie diese überhaupt im Mittel- alter als Symbol der Standcscrhöhung galten. Die Frauen Wutzten zunächst mit diesem Toiletten gegenstand nicht viel anzusangcn und machten bis ins 13. > Jahrhundert keinen Gebrauch davon. Ein Modeartikel ! wurden die Handschuhe erst im 17. Jahrhundert. Damals ! entstand in Frankreich die Fabrikation von Glacehand schuhen als Industrie. Die Franzosen brachten zur selben I Zeit die Handschuhe mit weiten Manschetten, die man ! „gant ä la Orikmn" nannte, in Mode. Diese Art Man- ! schelten waren eine Verfeinerung der schon im 15. Jahr hundert in Deutschland verfertigten sogenannten Stulpen, I die Ritter und Edle trugen. Die Frauen benähten die ! Manschetten mit zierlichen Stickereien, Rubens malte ! nur unter der Bedingung die „Kreuzabnahme", datz, ab gesehen von seinem Honorar, seine Frau ein paar Hand- ! schuhe im Wert von acht Gulden zehn Stüber erhalte, und s Kardinal Richelieu ließ einst der Königin Maria von ! Medici aus Nom ein halbes Dutzend Paar Handschuhe i kommen, um sie in irgendeiner grotzen politischen An- I gelcgcnheit seinen Wünschen günstig zu stimmen. Diese I Königin war es auch, die den Handschuh zu einer furcht- ' baren Wasse des politischen Kampfes machte. Wer seinen i Gegner auf eine unauffällige Art aus dem Wege schaffen I wollte, sandte ihm vergiftete Handschuhe zu, und schon s die Anprobe dieses Geschenkes bedeutete den sicheren Tod. ' Nicht nur politische Gegner, sondern auch Geliebte, derer man überdrüssig geworden war, wurden aus diese Weise I beseitigt. I Um dieselbe Zeit kamen auch die parfümierten Hand- > schuhe in Mode und auch hier waren es die Männer, die , sie kreierten. Die Sitte, die Handschuhe zu parfümieren, s mutet auf den ersten Blick etwas sonderbar an; aber da- j mals pflegte man die unmöglichsten Gegenstände wie > Geldsendungen, Reittiere, ja sogar Speisen in „besseren I Geruch" zu bringen. Die Handschuhe, damals schon ein l unerläßlicher Bestandteil der modernen Toilette, waren i ein Luxusartikel von hohem Wert; sonst hätten die Chro- » nisten es kaum der Mühe sür wert befunden, zu vermerken, I daß Henriette von Frankreich, die im Jahre 1625 Karl c. von Frankreich heiratete, unter ihrer Ausstattung auch ein j halbes Dutzend Paar Handschuhe mit in die Ehe bekam. » In Deutschland erschienen um 1650 Handschuhe, aus » seinem Leder oder aus Zwirn und Wolle gewebt, auf dem I Markt; sie waren kurz oder auch lang, die Knöpfe aus j Gold, Silber oder Edelstein. Kein Wunder, datz die Hand- » schuhe auf diese Weise ein kostspieliger Gebrauchsartikel i wurden und die Männer in laute Klagen über ihre I Frauen ausbrachen, denn ein solches Paar Handschuhe , kostete Hunderte von Talern, und jede vornehme Frau > besaß einen wohl assortierten Vorrat, da die Farbe des ! Handschuhes mit der des Kleides übereinstimmen mutzte, i Mit der so viel gepriesenen Einfachheit unserer Vorfahren s in Dingen des täglichen Lebens war es nämlich entgegen > frommer Überlieferung gar nicht weit her; das beweist ! der Aufwand, der gerade mit den Handschuhen getrieben l wurde. Für Promenade, Gesellschaft, bei Hof oder für j den Kirchgang waren verschiedene Kleider und daher auch » verschiedene Handschuhe strenges Gesetz für die Dame, die ! „von Welt" sein wollte. Wie solide sind wir heute I geworden! Besonderer Vorliebe erfreuten sich die parfümierten » Handschuhe bei der Königin Elisabeth von England und > alte Kochbücher aus diesen Tagen enthalten viele Rezepte I zur Herstellung des dafür bestimmten Parfüms. Zur > selben Zeit kam auch die Sitte auf, Handschuhe zu dis- » kreten Bestechungen zu verwenden. Wenn man einer ein- » flußreichen Persönlichkeit eine Bittschrift vorlegen wollte, I sandte man ein Paar Handschuhe mit, die mit Geld gefüllt s waren, um den hohen Herrn günstig zu stimmen. Ähnliches « wird auch aus Wien berichtet wo der berühmte Volks- > Prediger der theresianischen Zeit, Abraham a Santa Clara, I der nie ein Blatt vor den Mund nahm, gelegentlich derbe > Anspielungen auf einflußreiche Damen machte, deren > Gunst durch solche Geschenke zu erlangen war. Vielleicht ist die etwas zweideutige Nolle, die der ! Handschuh auf diese Weise gespielt hat, der Grund dafür, ! daß früher das Wort „Handschuhmachen" euren recht ver- s ächtlichen Beigeschmack hatte. Handschuhmacher waren nach altem deutschen Volksbegriff Räuber und Diebe. ! Denn zu den ersten, die in Deutschland Harrdschuhe trugen, gehörten Wegelagerer und Banditen, die Fingerschuhe/die sogenannte Diebcshand, trugen. Diese Gewohnheit hängt mit dem dem Verbrechertum eigentümlichen Aberglauben zusammen. Menschen, die von Raub und Diebstahl lebten, nahmen, um sich vor Entdeckung zu schützen, das Fett von einem Gehenkten, schmolzen es in einem irdenen Topf und machten daraus eine Kerze, deren sie sich auf ihren nächtlichen Zügen bedienten. Damit das herabtropfcnde Wachs nicht ihre Hände verletze, zogen dis Spitzbuben vorher einen in der Mitte geteilten Überzug über die Hand. Die brennende Kerze hielten sie zwischen den Fin gern und so waren sie, wie sie fest glaubten, vor Ent deckung geschützt. überhaupt hat im deutschen Volksleben der Hand schuh eine große symbolische Nolle gespielt. Aus dem Sachsenspiegel geht hervor, doß der Handschuh als ein Symbol namentlich in Verbindung mit der Erde gebracht wurde. Wenn zur damaligen Zeit ein Dergabbau vor genommen oder eine Stadt gegründet wurde, versäumte man nicht, einen Handschuh lies an der Stelle zu ver graben, ivo der erste Spatenstich erfolgt war. Mit dem Handschuh, den man von den Fingern zog und vor den Füßen der Hohen oder der Damen niederlegtc, huldigte man; mit dem hingeworsenen Handschuh sorderte man nach Nittersittc den Gegner zum Zweikampf heraus, und wenn Ritter und Edle vor dem Tod beichteten, boten sie zum Zeichen ihrer Neue mit der rechten Hand dem Himmel ihren Handschuh dar, den die von Gott gesandte« Engel als Zeichen der Vergebung entgegennahmeu. Theaterkuriosa. Madame Cardet in Paris trat während des ersten Kaiser reichs ösfcmlich als Schaltänzerin aus. Sie gab auch Unter richt in schönen Posen und im eleganten Tragen des orientalt- schen Schals. Rudolf Hahn (1815—1889) hatte 173 Theaterstücke geschri> den, dir alle über die Bühne gingen.