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«SZK ZLZN 6ZGZ Q> ^rKEU9 s:«Ä>sr^ WWjMWWMMWMMW „Und uns läßt sie im alten Schlamassel zurück," lachte > Konrad und ries ein Auto an. „Wir wollen doch lieber ? fahren, es ist ein zu abscheuliches Wetter." Dorli dachte: Er mag nicht mit mir gehen — es ist j ihm also ein paar Merk wert, mich so bald als möglich » los zu sein! Der Gedanke verstimmte sie noch mehr. Sie lehnte t sich in die Polster zurück und sah starr aus dem Fenster. * Ein wenig leichter wurde das Leben nun, da Johanna weg war. Die ewigen Reibereien hörten auf. Johanna schrieb entzückende Karten und wollte am liebsten Dorli auch dahin haben. Aber dann wurden die Karten seltener. Konrad entschuldigte es mit ihrer bekannten Schreib- saulheit. Er lachte, wenn die Mutter klagte, aber er fühlte sich nicht ganz wohl dabei. Wenn seine Braut nicht das Bedürfnis hatte, öfter zu schreiben, konnte er sie natürlich » nicht zwingen. Aber weh tat es freilich auch, zu wissen, i daß man so leicht entbehrlich ist. Er sprach am liebsten gar nicht mehr von Johanna. Sollte er immer nur sagen: ! Sie hat vor acht Tagen zuletzt geschrieben? Oder: Es » war nur eine Ansichtskarte? Er sagte zuletzt überhaupt nicht mehr, ob er Nachricht hatte oder nicht. So gewöhnten sich die anderen daran, ebenfalls von Johanna zu schweigen. Die Wochen gingen zu Ende und Johanna wurde zu rückerwartet. Dorli sing an, nach dem Briefträger aus zuschauen, und der Justizrat rechnete mehr als einmal aus, daß es mit Johannas Barschaft wirklich bald zu Ende sein mußte. Aber Johanna meldete sich immer noch nicht an. Nach wie vor kamen die kurzen Karten. Meist mit Ansichten und einem flüchtigen Gruß. Oft an die ganze Familie ge meinsam, nicht einmal ein Gruß besonders an den Ver lobten. Konrad sagte dann kein Wort. Aber jeder wußte, i daß es ihm peinlich war, daß er sich schämte, weil er Jo- i Hanna so wenig wert zu sein schien. Eines Tages, es war an einem besonders kümmer lichen Sonntag, saß er oben im Laboratorium. Auf dem Arbeitstisch vor sich hatte er ein halbwelkes Sträußchen Winterastern stehen. Mit einem Seufzer schob er das Glas zurück. Sogar Dorli hatte ihn vergessen! Brachte sie sonst nicht jeden Morgen einen frischen Strauß für eine Vase? Die letzten Georginen, gelbe Herbstsonnenblumen oder Winterastern. Aber heute war sie nicht gekommen. ! Nun wurde es ihr Wohl allmählich über. Konnte er es ihr I verdenken? Man sorgt doch nicht gern für einen brum- i migen Schwager, den nicht einmal seine eigene Braut ! liebt! Mißmutig machte er sich über seine Bücher. Da hörte er plötzlich einen Schritt auf der Treppe — l Stimmengewirr — er horchte erschrocken: Johanna war s sicher heimgekehrt! Ohne zu schreiben — plötzlich da! > Ganz, wie Johanna auch sonst zu handeln pflegte! Mit einer hastigen Bewegung schob er das Buch bei- s seite — aber er blieb sitzen und horchte nur. Der Schritt kam zu ihm herauf — da war kein Zweifel > — das war Johannas ruhiger, bewußter Schritt. Er wurde blaß, das fühlte er selbst. Das war Scham I — weil er nicht mit einem Jauchzer oufsprang und der I Braut entgegeneilte mit offenen Armen! Warum blieb j er wie angebunden auf seinem Stuhl sitzen? Warum legte > er beide Hände so schwer auf die Tischplatte? Warum s atmete er tief und gequält? Seine Braut kam doch! Seine s Johanna! Aufspringcn mußte er — Ti^ch und Stuhl bei- ° feltestoßen — Hals über Kopf an die Tür — Johanna! , Endlich! Du Geliebte — du! Ach, nun erst bin ich I wieder ich! Statt dessen kauerte er wie einer, der sich fürchtete — > horchte auf den Schritt und — ja, das war es! — hoffte, ! er hätte sich getäuscht. Aber der Schritt kam näher — war da. 1 Mit schnelle,n Ruck wurde die Tür geöffnet — Dorli > stand ouk der Schwelle und sah ibn betroffen an. .Ich dachte — es wäre Johanna,* sagte Konrad, „wie I ähnlich sich eure Schritte sind!" Und er dachte an jenen Morgen im Krankenhaus, als - er schon einmal die beiden verwechselt hatte. Damals war > er enttäusch», daß es Johanna war — und heute war er l bealüüt, daß es Dorli war! „Ja — lächerlich ähnlich hört sich das an, wenn du so f die Treppe heraufkommst —" - Dorli war ganz beschämt. ! „Armer Konrad. Und nun bist du so enttäuscht!" Sie stand noch in der Tür und hielt einen Strauß f Hellila Winterastern in der Hand. Ganz demütig und . zerknirscht stand sie da. ? Das konnte der Schwager nicht länger mit ansehcn. I Mit einem jungenhaften Sprung war er auf den Beinen j und bei ihr. Beide Hände streckte er ihr entgegen und » lachte, wie er lange nicht gelacht hatte. I „Blumen bringst du mir! Und ich armer Kerl war I schon ganz betrübt, weil meine Vase so häßlich aussah! j Ich dachte, du hättest mich auch vergessen —" „Auch?" Dorli lachte verlegen. „Du sagst: auch?" ! „Ihr Schwestern Hollunder seid eine vergeßliche Ge- l sellschaft. — Wundert dich das, wenn ich sage: Ich dachte, s du hättest mich auch vergessen?" , „Ich konnte doch nicht in dein Zimmer! Du hattest den Schlüssel mitgenommen." Das klang wie eine Abbitte. Konrad lachte hellauf. I „Sieh einer an! Nun bin ich gar noch der Schuldige! . Und ich saß schon und jammerte und war ganz geschlagen.'" ! Dorli sah ihn ungewiß an. Er war so fremd und un- I gewohnt mit diesem Lachen. Sie wußte nicht einmal, I warum er so ausgeräumt war. Sie wäre am liebsten , wieder gegangen. ! Aber er zog sie hinein. I „Ich habe sogar etwas anznbieten," sagte er vergnügt, f „Schokolade. Siehst du? Hier im Schrank. So etwas gibt es sogar in einem Laboratorium, denkst du? Extra > für dich, Dorli. Wenn sie kommt, soll sie sie haben, dachte I ich mir. Und nun bist du da." f Er sprach schnell und viel zu laut. Jede seiner unsteten ; Bewegungen war unecht und fremd. Was hat er nur, dachte Dorli und verstand seine Un- l ruhe nicht. Weil er gedacht hatte, Johanna käme? War f dies eine versteckte Enttäuschung? - Konrad Fromm wollte sich selbst belügen. War auf > der Flucht vor dem eigenen Ich. Ihm war verdammt i eklig zumute. Aber er mochte sich vormachen, was er s wollte: das Resultat war doch dasselbe. Er freute sich, daß ; Johanna noch nicht gekommen war! Freute sich, weil » seine Braut noch nicht gekommen war! Weil er noch Ruhe I hatte vor dem täglichen Unfrieden, weil er allein sein f konnte! » Er klammerte sich in seiner Zerrissenheit an die kleine ' Schwägerin und merkte nicht einmal, daß sie sich wunderte. I Er schob ihr einen Stuhl hin, nötigte ihr von seiner I Schokolade auf und redete auf sie ein. Sinnlos, zerstreut. ! Nur um zu sprechen, sprach er. Nur um den Klang seiner ' Stimme zu hören. I Aber dabei sah er Dorli unentwegt an. Sah ihr ins I Gesicht, in die Augen, auf den Mund. Wenn sie sich ver- ! legen zur Seite bog, rückte er so, daß er sie dennoch ' sehen konnte. Er nahm plötzlich ihre Hand, die leise widerstrebte. „Wie ähnlich du deiner Schwester bist, Dorli. Wie I unwahrscheinlich ähnlich. Weißt du, wie ich vorhin deinen ' Schritt hörte, war es doch ganz Johanna! So geht nur I . sie. Und du. Sonst aber keiner. So wiegend, weißt du, I fast zu männlich. Und doch wieder —" Er verwirrte sich und schwieg. Aber er hielt Dorlis ' Hand noch immer. I „Weißt du, Dorli, ich glaube nicht, daß mit Jo- I Hanna und mir alles gut geht. Johanna bat mich innerlich I längst aufgegeben. Gott, es ist ja lächerlich, daß ich dir ' das hier vorerzähle. Aber es ist so. Oder was meinst du?" I „Ich weiß doch nicht," sagte Dorli und wollte auf- ! stehen. Aber er hielt ihre Hand tind zwang sie, noch zu ! bleiben. ' Er fühlte, daß er sie tief erschreckte, aber er war selber I viel zu aufgeregt, um jetzt schweigen zu können. Alles, I was er in den letzten Wochen in sich hineingegrübelt hatte, kramte er aus. Sprach mit einer ihm fremden, sinnlosen ' Aufregung. Alles, was Johanna ihm angetan hatte, alle I Enttäuschung, alle Qual. I (Fortsetzung folgt.)