Volltext Seite (XML)
Ansteckend? Es Johanna lachte (Fortsetzung folgt.) noch ungewitz, ob wir in diese Stadt Oder sollte ich sagen: Wir sind krank? ist besser, ich meide euch?" Die Eltern sahen sich fassungslos an. nervös. Händen. „Immer du und Konrad — gegen mich," stellte sie beinahe sachlich fest. Aber Dorli traf es wie ein Giftpfeil. Sie wollte hochfahren, aufbrausen, irgend etwas Ver letzendes sagen, aber die Mutter legte leise die Hand auf ihren Arm. „Was hat es mit Konrad gegeben?" fragte sie, um abzulenken, aber doch nicht ohne Sorge. Unerhört ausfallend war Konrad geworden. Als ob Johanna ganz ohne ärztliches Gewissen ganz sinnlos herumpfusche! Lächerlich! Wenn das seine Ansicht war, mochte er in Dreideubelsnamen so loskurieren. Weit kam er schon nicht damit. Aber andere Leute sollte er mit diesen vorsiindflutlichen Gedanken verschonen! Außerdem war Konrad auch gegen die Familie ausgefallen. Dorli war die einzige, wie es schien, mit der noch was „los" war. „Los" war — alberner Ausdruck. Dummerjungen- schnack. Konrad sah sie fragend an. Er verstand ihre Lustig-1 keil nicht ganz. „Mittags? Nun, wie immer. Ein ordentliches Stück Fleisch — Gemüse — warum lachst du?" „Rohkost, sagt Johanna. Und morgens hungern. Atemübungen. Mittags rohen Kohl! Pfui Deibel —" Konrad lachte auch. Aber dann wurde er ernst. „Siehst du? Da ist es wieder! Das ist ein scheuß liches Gefühl, zu wissen, daß man wissenschaftlich so weit wie möglich auseinander ist. — Rohkost also! Das ist Jo hannas Steckenpferd. Und wenn ich hundertmal veraltet bin, ich bleibe dabei: Eisen, Arsen, Wenn s nicht anders geht. Aber Johanna —" Er schwieg verstimmt. Dorli saß da und wußte nicht: wem soll ich mich nun anvertrauen? Ich kann doch nicht morgens nach Johanna und nachmittags nach Konrad leben? Oder stundenweis einteilen? Einer von den beiden war auf jeden Fall ent täuscht. Und sie mutzte sich eingestehen, daß es ihr um Konrad eher leid tat als um Johanna. Konrad war immer im Nachteil, wenn er und Johanna uneins waren. Weil er der Mann war, der höflich bleiben und nachgeben mutzte. „Was soll ich nun tun?" fragte sie zaghaft. Da lachte er. Laut, nervös, fremd. So hatte sie ihn noch nie lachen hören. Es tat ihr fast körperlich weh, wenn er fo lachte. „Tu, was du willst, Dorothea Hollunder," sagte er viel zu heftig für den geringen Gegenstand. „Das muß jeder wissen, was er tun will!" Damit ging er aus der Tür und ließ seine kleine Schwägerin noch viel zerrissener zurück, als sie es ohnehin schon gewesen war. Zum Abendbrot kam Johanna blasser als gewöhn lich. Schweigend nickte sie nur und setzte sich still an ihren Platz. Nur für Dorli hatte sie einen schnellen Blick. Forschend, ein wenig vorwurfsvoll. „Nummer zwei," versuchte Dorli zu scherzen. „Nun geh'n schon zwei so jammerlappig umher." „Was habt ihr miteinander?" fragte der Vater, „du und Dorli?" Johanna sah gar nicht auf. „Nichts mit Dorli, Vater. Aber mit Konrad habe ich einen greulichen Auftritt ge habt." Sie sagte nicht, was für einen Auftritt. Aber Dorli konnte es sich denken. Natürlich hatte Konrad sofort darauf angespielt, natürlich, das war ihm ja Hochgenuß. Hie Arsen und Eisen — hie Rohkost. Und sie hatte schuld daran. Wie stand sie nun dumm da vor Johanna. So ! geschwätzig. So wichtig. Als ob sie je besorgt um ihren ! Körper gewesen wäre. Aber sie hatte ein Schuldgefühl gegen Johanna. Es tat ihr leid. Gar zu gern hätte sie nun auch gewußt, wie ! der Auftritt gewesen war. Greulich, sagte Johanna. ! Wenn die es schon greulich fand, mutzte es arg gewesen sein. „Warum mutzt du immer gleich zu Konrad laufen!" Aha — Vorwürfe! Wenn Johanna fo kam — „Weil Konrad der einzige ist, der nett zu mir ist." ! „Nun höre bald auf!" fuhr der Vater sie an und ! machte ganz grimmige Augen. Er wollte beim Abendbrot I seine Ruhe. Dorli sah Johanna schnell von der Seite an. ! Johanna kniff die Lippen und spielte unruhig mit den verreisen über ein halbes Jahr und nachher ist es auch zurückkommen? Dorli lachte. ; „Weil sie sich besser vertragen als andere Leute?" „Weil sie eine Familie sind, die keiner kennt. Ich habe überall umhergehört — keiner kennt sie. Was soll ! das? Was sind das überhaupt für Leute?" ; „Ganz nette. Warum muß durchaus die ganze Welt eine Familie kennen? Ich finde es viel feiner, im Ver borgenen zu blühen!" „Wenn man Gründe dazu hat —" ! „Du beleidigst meine Freundin." „Deinen Freund meinst du wohl!" „Deinen zukünftigen Schwager, jawohl, mein Kindl" lachte Dorli und sprang auf. „Macht die Familie so schlecht wie ihr wollt — deshalb bleibt sie doch bestehen!" Weg war sie. Die Justizrätin sah ihre älteste Tochter betroffen an. Was hieß das: Zukünftiger Schwager? Das eröffnete ja ganz nette Perspektiven. Johanna zuckte die Achseln. „Du hättest ja rechtzeitig diesen Umgang unterbinden können. Gewarnt habe ich dich genug." Ganz erschüttert saß die kleine Frau Hollunder auf ihrem hohen Frühstücksstuhl. „Meinst du wirklich, Johanna? Könnte Wohl —" „Unsinn," sagte Johanna kurz und ging ebenfalls. Ein paar Tage darauf kam Dorli mit hängenden Schultern auffallend gleichgültig in die Tür. „Ich habe heute Hubbi Kußmaul gesagt, daß ihr den Umgang mit ihnen nicht gern seht." Alle fuhren bestürzt hoch. „Dorli — wie kannst du!" „Warum nicht? Ich habe gesagt, daß Johanna meint, es wäre besser, ich ginge nicht mehr mit ihnen um. Nicht wahr, Papa — du siehst es doch nicht gern?" Der Vater räusperte sich, fuhr sich in den Kragen und sah verzweifelt auf seine Jüngste. „Gewiß. Natürlich. Aber man sagt das doch den Leuten nicht so Knall und Fall." Dorli seufzte. „Schwer genug ist es mir geworden. Denkt euch in meine Lage! Einfach zu sagen: „Ihr seid mir nicht fein genug. Oder doch sehr ähnlich so. Eigentlich haar sträubend." „Kind — das ist aber doch —" „Scheußlich. Ungemein scheußlich. Aber es mußte ja sein. Nicht wahr, ihr wolltet es doch so?" „Aber doch nicht so — so grob!" „Weißt du, Papp — für Hinterhältigkeiten bin ich nun mal nicht. Sollte ich sagen: Wir verreisen? Wir Dorli hörte tief erschrocken zu. Sie hatte Messer und j Gabel weggelegt und vergaß ganz zu essen. Das war ja », entsetzlich, was Johanna da alles vorbrachte. Als ob sie ! von irgendeinem Piefke redete, nur nicht von ihrem Ver- I lobten! Hilfeslehend sah sie die Mutter an. Aber dort fand . sie nur dieselbe Ratlosigkeit. Der Justizrat warf das I Mundtuch wütend auf den Tisch und mochte nicht mehr I essen. „Dorli — immer Dorli —" sagte er und ging hinaus. . Ein wenig betroffen fahen die drei ihm nach. ! „Ich?" fragte Dorli kleinlaut und ihr junges Herz > stand wie vor einer vermauerten Tür. Sie war mit der I ganzen Welt zerfallen, was sie auch ansing, war verkehrt. > Selbst ihre Krankheit — wenn es überhaupt eine war — I wurde ihr noch als Unart vorgeworfen. Sie konnte doch I nichts dafür, wenn das Brautpaar sich uneinig war! Ein fremder, neuer Trotz packte sie. „Bei Kußmauls wäre das nicht möglich," sagte sie laut, I so laut, datz die anderen zusammenschraken. „Bei den Kußmauls hält einer zum anderen. Da gibt l es so was gar nicht. Du solltest dich schämen, Johanna, ! so mit Konrad zu zanken!" i Johanna wandte sich verächtlich ab. „Ich an deiner Stelle würde Dorothea den Umgang ! mit dieser Familie verbieten, Mutter."