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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 18.08.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192808188
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19280818
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19280818
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-08
- Tag 1928-08-18
-
Monat
1928-08
-
Jahr
1928
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hekh« Luft das saubere Geschirr im „gleichen Apparat", womit offenbar nicht ein anderer, gleicher, sondern derselbe, der nämliche gemeint ist. , A. P. Der Umsteiger Weder der Bergsteiger, der auf Höhen, noch der Obersteiger, der in die Tiefe des Schachtes steigt, kann mit dem Umsteiger verglichen wer den: dieser steigt nicht um, er ist überhaupt kein Mensch, sondern nur ein Zettel, ein Fahrschein, der seinem Inhaber das Recht gibt, von einer „Elektrischen" in eine andere umzusteigen. Bei der Menge solcher von Zeitwörtern abgeleiteter Hauptwörter sollte man meinen, müßte jeder Fahrgast sich bedanken, einen Umsteiger zu ver langen, der weder ein Mensch ist noch eine Handlung vollzieht. Noch seltsamer ist der Ein schreiber, den man am Postschalter „aufgibt": nicht er schreibt ein, sondern der Postbeamte, der ihn in Empfang nimmt, also der scheinbar Tätige ist ein Leidender, er wird eingeschrieben, wie ja auch die vorgreifende Aufschrift Einge schrieben! besagt. Bei der Straßenbahn gibt es auch Einleger und Anhänger, Wagen, die ein gelegt und angehängt werden, wer mit Bedacht spricht, redet von Einlege- und Anhängewagen' aber auch Einlegebretter, d. h. Tischeinlagsn, nennt man Einleger. Ausleger wiederum sind Tischdecken oder Bettpolster, sie verhalten sich ebenfalls durchaus leidend wie auch der Bettvor leger. Beim Abstreicher könnte man die Ver menschlichung eines Gerätes annehmen, das den Schmutz von den Schuhen streicht, wie auch der Läufer gleichsam über den Tisch und als Teppich über den Vorsaal läuft. Wer will aber dem Faulenzer genannten Lotterbett (Chaiselongue) auch nur bildlich nachsagen, daß er faulenze? Auf ihm wird gefaulenzt oder doch gelegen. Und der Ueberzieher? Der zieht trotz dem Korkzieher nicht selbst über, sondern wird über- gezogen. Ja, in der Soldatensprache ist ein Eigentümer nicht der Soldat sondern der Eigen tumsanzug usw. Der Vorderlader lädt nicht sich selbst, sondern wird geladen. Dem Unter setzer sieht man es nicht an, das; er untergesetzt wird. Der Vorstecker wird vorgesteckt, der Schlep per ist nicht nur ein Schleppschiff, sondern auch ein Netz oder ein großer Rechen, die geschleppt werden. Als Senker bezeichnet man ein Neis, das gesenkt wird.. Ein Ableger bildet sich, wenn ein Neis in die Erde gelegt wird, landschaftlich versteht man darunter auch ein abgelegtes Klei- UAesM imr Studer mlzt wird. Wir sehen: auch in der Sprache t es das, was man „Vorspiegelung falscher > . <. » dum scho! sm Rund- rung ge- werde, oder das; eine Frage, die natürlich immer ein Problem ist, zur Lösung gebracht werde. Die Oper wurde strichlos zur Äufführ— bracht. Durch Unvorsichtigkeit wird etwas zur Explosion, durch eine Lawine wird eine ganze Gesellschaft zum Absturz gebracht. Nach Zei tungsberichten soll ein Denkmal zur Aufstellung gewälzt gibt es das, was man „— Tatsachen" nennt, grob ausgedrückt Sprach dummheiten; sie sind freilich nicht der Sprache zur Last zu legen, sondern den Sprechenden, denen die Bequemlichkeit mehr gilt als die Denk richtigkeit. L. M. Necken und Strecken Manche Menschen haben eine besondere Vor liebe für das Necken und Strecken. Es sind dies nicht nur Beamte, sondern auch Zeitungsschrei ber, Vortragende u. a. Im gewöhnlichen Leben genügt ihnen das einfache Zeitwort; wenn sie sich aber an den Akten- oder Schreibtisch setzen oder vor das Rednerpult stellen, dann ist es ihnen zuwider und muß durch eins mit möglichst langer Haupt- oder Dingwortschleppe ersetzt werden. Dazu dient z. B. „erfolgen" und „ge langen" oder „die Inangriffnahme des Senders X. erfolgen". Besonders aber lieben sie das Zeitwort „bringen", meist in der Leideform. Also wird nichts angemeldet, durchgeführt, auf gehoben sondern alles wird zur Anmeldung, Durchführung, Aufhebung gebracht. I: funk wird stets angekündigt, welche Stücke, Ge dichte usw. zum Vortrag gebracht werden sollen: „Dieselben" wird Irene Triesch zum Vortrag bringen. Andere Portragende berichten, daß eine Sternkarte etwas zur Abbildung bringen gebracht werden. Eine bestimmte Summe „ge langt zwischen der Nordsüdbahn und der A. E. G.-Schnellbahn zur Teilung, die noch im Laufe des Jahres die Südhälfte der Strecke Neukölln bis Stralauer Straße zur Eröffnung bringt." „Die städtischen Abwässer werden in Absatzbecken gebracht, ein Teil lagert sich hier als Schlamm ab, und dieser wird in 12 Meter tiefen Brun nen zum Ausfaulen gebracht." Doch genug! Es ist ja ganz gut, wenn man es zu etwas bringt, man darf es aber doch nicht zu allein bringen wollen. Möchte doch endlich auch dieser Schwulst zum Ausfaulen gebracht werden! A. P. 1. Es ist Pflicht eines jeden, die wirtschaft liche Zukunft seiner Ehefrau auch nach seinem Tode sicherzustellen. Auch soll die Ehefrau so ge stellt sein, daß sie die bisherigen Lebensgewohn heiten beibehalten kann. Eine gute Sicherheit für die sorgenfreie Zu kunft der Ehefrau bietet immer deren Betei ligung am gewerblichen Unternehmen. Denn nicht das Vermögen, sondern nur das wieder kehrende (möglichst gewerbliche) Einkommen be sitzt wirtschaftlichen Wert. Außerdem sind mit einer solchen Beteiligung wertvolle Sachwerte (Maschinen, Gebäude) verbunden, die eine große Sicherheit gewähren. Auch kann damit die wirtschaftliche Sicherstellung der Kinder ver bunden werden. Die geeignetste Beteiligungsform hierfür ist die Kommanditgesellschaft. Der Kom manditist haftet nicht mit seinem sonstigen Ver mögen für die Verbindlichkeiten des Unterneh mens, sondern nur mit seiner Kommanditein lage. Ferner wird der Kommanditist im Ver hältnis seiner Beteiligung an allen Sachwerten und Reserven des Unternehmens selbst berech tigt. Der letztere Gesichtspunkt wird immer übersehen, obgleich er der wichtigste ist. Er weist besonders darauf hin, Frau und Kinder ain Unternehmen zu beteiligen, weil diese dann mit wenig Einlagen wertvolle Sachwerte und Reser ven erwerben. Wenn z. B. die Ehefrau mit 5000 Mark Einlage als Kommanditistin am Unternehmen beteiligt ist, während die Kapital einlage des Ehemannes 30 000 Mark beträgt, so würde sie, falls das Unternehmen zur Auf lösung käme, da gemäß 8 155 HEB. der Liqui dationserlös im Verhältnis der Kapitalanteile verteilt wird, V? des Liquidations-Erlöses er halten. Wenn man auch aus wirtschaftlichen und steuerlichen Gründen durch langfristigen Ver trag (30 Jahre!) den Liquidations-Zeitpunkt hinausschieben muß, so werden doch die Rechte durch die Beteiligung sofort erworben. Der Kommanditist ist also trotz des geringen Nenn betrages der Einlage in Wirklichkeit mit V, am ganzen Unternehmen beteiligt, vor allem also an den Reserven und allen Sachwerten. (Vergl. Ataub. 8 12c Anm. 7.) Es empfiehlt sich dringend, den Gesellschafts- Vertrag mit den Angehörigen (Erben) möglichst langfristig (30 Jahre!) abzuschließen und zu be- stkmmen, daß durch den Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft nicht aufgelöst werde. Dann wachsen beim Ableben des Vaters den Erbe» dessen Rechte an, vor allem der Anspruch auf Gewinnverteilung. Das Kapitalkonto des Erb lassers und die Rechte daraus auf Auszahlung des Auscinandersetzungsguthabens (155 HEB.) stellen aber vorläufig nur einen geringen Wert dar, da die Auszahlung erst nach Jahren ver langt werden kanck, nämlich, wenn der Eesell- schaftsvertrag abgelaufen ist. Auch haben die Kinder kein Interesse daran, das Unternehmen schätzen zu lasten, weil dadurch ihre eigenen An teile ebenfalls höher im Werte kommen, so daß sie dauernd höhere Vermögenssteuern, ganz ab gesehen von der Erbschaftssteuer, zahlen müßten. Schon aus steuerlichen Rücksichten werden daher die Kinder, Enkel und deren Vertreter die Gel tendmachung des Pflichtteils unterlassen, wenn sie selbst Gesellschafter sind. Weiter wird es stets möglich sein, der Ehe frau eine Pension auszusetzcn. Die Pension kann bewilligt werden, wenn die Ehefrau selbst im Unternehmen irgendwie tätig war, aber auch deshalb, weil ihr Ehemann früher die Geschäfte der Firma geführt hat. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Einzelfirma, offene Handelsgesell schaft, Kommanditgesellschaft, G. m. b. H. oder A.-E. handelt. Die Pensionsbetrüge stellen bei dem Unternehmen Geschäftsunkosten dar und sind für alle Einkommen- und Vermögens steuern, einschl. der Gewerbesteuer, abzugsfnhig. — Was die Höhe der Pension anbelangt, so empfiehlt es sich, diese mit Rücksicht auf die Per änderung in der Kaufkraft der Mark gleitend zu vereinbaren, z. B. „in Höhe des doppelten Gehaltes eines kaufmännische» Angestellten der höchsten Tarifklasse. MhsriSmsn Von I. L. Dunbar von Kalckreuth Im gesellschaftlichen Leben trifft man oft auf zwei Gegensätze, nämlich den Geistlosen und dem Geistesabwesenden. Viele lesen Bücher, wie sie Beeren lesen. Tun alles in einen Topf und machen Mus daraus. * Im engsten Lcbenskreise kann der Weltkreis noch schön umschrieben werden. Nes-M Mu-WM Wieder daheim — Ausländische Gäste — Ein Vergessener — Die Staatstheatcr spielen wieder — Der Verächter des Todes — Wer machts nach? — Der rechnende Hund — Chaplin Nr. 2 Drei lustige Spanier (Nachdruck verboten) Wie rasch doch die Zeit vergeht! Vor ein paar Wochen hatte man nach umfänglichen Vor bereitungen die Ferienreise angetreten, glau bend, daß die schöne Zeit des Ausspannens nicht so bald wieder enden könne. So hatte man sichs an der See, im Gebirge oder sonst an einem schönen Erdenwinkel recht bequem gemacht. Am schönsten sind sicherlich die ersten Wochen sorg loser Freiheit. Wenn aber die Ferien „geteilt" werden, d. h. ihre Hälfte überschritten ist, dann füllt schon ein Schatten auf den Rest. Wie im Fluge vergehen die köstlichen Bummeltage und wohl dem, der sie bis auf den letzten in der Ferne auskosten kann, dem also die bedenklich mager gewordene Brieftasche nicht vorzeitig einen Strich durch die Rechnung machte. Immer spär licher an Zahl werden die Orte mit der berühm ten billigen und guten Verpflegung und sie zu finden, gehört ein gewisser „Tipp" dazu. Herr liche Zeiten, wohin seid ihr entschwunden, in denen es an der Nordsee volle Pension (mit 5 Mahlzeiten) für sage und schreibe 4 Mark gab! Ja, es ist vieles anders, aber nicht besser gewor den. Nun, Jammern hilft da nichts, sondern man muß sich mit den Tatsachen abfinden. So wäre man also wieder glücklich daheim und weiß keine gescheite Antwort auf die geistvolle Frage von diversen Verwandten und Bekannten: „Na, biste wieder da?" Ich schlage vor, hierauf mit nein zu antworten. Die seit Wochen verlassen gewesene Wohnung wird nun wieder in ihren Normalzustand versetzt und wenn das geschehen, kommt einem wieder mal deutlich zum Bewußt sein, wie schön es doch tatsächlich in den eigenen Pfühlen ist. „D'rham is d'rham!" sagt der Erzgebirgler. Die liebe Gattin versieht man nun mit dem nötigen Wirtschaftsgeld (hoffent lich ist unterwegs der „eiserne Fond" nicht an gegriffen worden) und am nächsten Tage gehts mit neuen Kräften wieder an die Berufsarbeit. Verteilt man bei der Erinnerung an das Durch lebte Licht und Schatten, so wird man doch die Ferien als eine sehr schöne Einrichtung preisen müssen und sie sind nicht nur den Arbeitern in der Schreibstube, sondern auch denen in der Werkstatt zu gönnen. Mit ein bischen Neid darf man aber auf jene Glücklichen sehen, die ihre Freizeit noch vor sich haben und in Kurorten und Sommerfrischen nun sehr gern gesehene Gäste der „Nachsaison" sind. In unserem schönen Dresden ist der Frem denverkehr noch auf der Höhe. „Die Tech nische Stadt" übt eine nicht geringe Anziehungs- Aast aus und wird dem Vernehmen nach ge- -chüftlich nicht ungünstig abschneiden. Aber auch in unseren weltberühmten Sammlungen und in den Kunstausstellungen begegnet man vielen Fremden und vernimmt mancherlei Sprachen. Zu den seltensten Gästen zählte der Maha radscha von Patiala in Indien, dor von Berlin aus mit seinen zwei Söhnen und einem Minister seines Staates einen Auto-Abstecher nach Dresden unternommen hatte, um Lie Zeiß- Jkonwerke zu besichtigen. Dem beturbanten Herrn, der sich auf einer Reise durch Deutschland befindet, ging der Ruf märchenhaften Reich- cums voraus. Inwieweit man davon etwas ge merkt hat, ist nicht bekannt geworden. Aus der Rückreise hat das freundliche Städtchen Rade burg den Vorzug gehabt, für kurze Zeit den in dischen Fürsten in seinen Mauern zu wissen. Mehr berührte uns schon der Besuch von 40 siebenbürgischen Lehrern und Leh rerinnen, die auf einer Studienreise durch Deutschland begriffen sind. Der Dresdner Leh rerverein bereitete ihnen eine herzliche Auf nahme, aber auch bei ihren Besichtigungen der Sehenswürdigkeiten Dresdens erfuhren sie über all freundliche Begrüßungen. Eine besondere Aufmerksamkeit ward ihnen in der Jahresschau Deutscher Arbeit geboten. Hier veranstaltete die Sendestelle des Kugelhauses ein Konzert, in dem ausschließlich Werke siebenbürgischer Tonschöpfer dargeboten wurden. Mit den besten Eindrücken haben die Gäste, die hr Deutschtum in fernem Land holten, Sachsens Hauptstadt wieder vers- Endlich ist noch des Besuchs einer Gruppe süd- amerikanischer Studenten zu geden ken, Lenen auch von der Stadt Dresden ein Empfangstee gegeben wurde. Das besondere Interesse der Amerikaner galt unserem schönen Studentenhaus und der Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft. Hiervon wie von der Schönheit Dresdens waren die Gäste geradezu begeistert und man soll an der Tatsache nicht vorübergehen, daß derartige Besuche Brücken von Volk zu Volk errichten. Das nächste Ziel der Amerikaner war Weimar. Auf dem Tolkewitzer Friedhöfe hat man kürz lich einen Künstler zu Grabe getragen, um des sen ferneres Sein oder Nichtsein am einstigen Dresdner Hoftheater heiße Kümpfe entbrannt waren, den früheren Hosschauspieler Albert Paul. Gewiß war er einer der besten Bon vivants seiner Zeit. Mit unnachahmlicher Ele ganz legte er seine Nollen hin und ein Lustspiel abend mit Albert Paul war für die Theater enthusiasten ein Fest. Aber dann hielt man doch die Stunde für gekommen, seine Verpflichtung nicht wieder zu erneuern, er mußte gehen. Bei der Abschiedsvorstellung kam es für den belieb ten Künstler zu Kundgebungen, wie man sie bis her in diesem Theater noch nicht erlebt hatte. Der Vorhangzieher hatte eine Höchstleistung in seinem Fach vollbringen müssen. Unzählige Male wurde der gefeierte Liebling an die Rampe gerufen und in den Beifallssturm mischten sich Ruse, die dem damaligen Generalintendanten nicht angenehm in den Ohren klangen. Das ist nun bald dreißig Jahre her. .All>e^t^Paul wgp eben für die Dresdner Hofbühne erledigt und fand anderwärts ein Feld künstlerischer Betäti gung. Bald hatte man ihn vergessen und nur jetzt, als sein Tod bekannt wurde, erinnerten sich diejenigen seiner, die ihn einst vergötterten. „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze!" Ein Wort voller Wahrheit und Tragik. Die beiden Staatstheater — Oper und Schauspiel — haben inzwischen ihre Vorstel lungen auch wieder ausgenommen und die nach Dresden kommenden Fremden brauchen die Höchstleistungen darstellerischer und gesanglicher Kunst nicht mehr zu entbehren. Mit neuen Kräften sind die Herrschaften der Oper und des Schauspiels aus ihren Sommerfrischen zurückge kehrt und haben an ihren gewohnten Wirkungs stätten die Vühnenluft wieder eingesogen. Sie dünkt dem kunstbegeisterten Jünger Thaliens schöner und reiner (?!) als die herrlichste Cee- und Eebirgsluft. Hat man erst wieder die Schminke in Gesicht, dann stellt sich die Begeiste rung für das Wirken auf den weltbedeutenden Brettern ganz von selbst ein. Allerdings gibts auch ohne Spielfreudigkeit und ohne Begeiste rung keinen Erfolg. Wie der Bühnenkünstler, so hat auch sein „Kollege von der Fakultät", der Artist, vollstän dige geistige Konzentration aus feine Leistung nötig. Gerade jetzt hat man in Dresden Ge legenheit, einige artistische Darbietungen zu be wundern, die Rekorde auf den betreffenden Ge bieten darstellen. Man muß nur das ewig auf der Wanderschaft lebende Völkchen der Leute vom Zirkus und Variete kennen, um vor diesen Künstlern Achtung und Respekt zu bekommen. Sie sind, abgesehen von den Komikern und Sou bretten, fast alle durch eine harte Lebensschule gegangen. Meistens waren die Eltern im glei chen Beruf tätig und die Kinder wurden bereits im zartesten Alter für das Metier vorbereitet. Dazu kommt, daß der körperlich tätige Artist auf viele Freuden des Lebens wie Alkoholgcnuß und üppige Ernährung verzichten muß. Der Körper muß von allen Exzessen freigehalten werden und die Nerven dürfen niemals versagen. Ein paar Beispiele. Im Vergnügungseck der Jahresschau tritt zurzeit täglich zweimal ein italienischer Ar tist auf, der keineswegs mit Unrecht die Bezeich nung „Verächter des Todes" führt. Costica Florescou, ein kleiner schwarzhaariger, gut gebauter Mann, riskiert tatsächlich mit jedem Auftreten das Leben. Mitten auf dem Platz er hebt sich ein aus zwei aufeinander gefügten Baumstämmen bestehender 40 Meter hoher Mast. Also Kirchturmhöhc! Florescou besteigt zu nächst eine etwa 20 Meter hohe, seitlich stehende Steilleiter, nimmt dort einen Eummiknebel in sein jedenfalls tadelloses Gebiß und, nur an den Zähnen hängend, schwebt er in riesigem Bogen hoch über die Zuschauermcnge hinweg. Dann wird er an einem Seil bis zu einem Querbalken gezogen und von hier aus klettert er bis zur Spitze des 40 Meter hohen Mastes empor. Dort begibt er sich in den Handstand und macht dann noch, nur mjt.einepl Fuß in einer Schlaufe hän ¬ gend, die unglaublichsten „Kunststückchcn", bei denen manchem Zuschauer Hören und Sehen ver geht. Mit dem Kopfe nach unten, gleitet der Verwegene dann den Mast hinab. Und dies alles geht ohne ein Sicherheitsnetz vor sich! Ver liert dieser Artist nur für den Bruchteil einer Sekunde die Nerven, ists um ihn geschehen, denn der Absturz bedeutet hier den sicheren Tod. Man könnte hier zu der Frage kommen: warum spielt der Mann auf solche Weise mit seinem Leben? Die Antwort: Artistenlos. Nur Gipfelleistung bedeutet den großen Erfolg und die Bewunde-^ rung der Menge, die nach solchen Dingen ver langt. Das Zentraltheater in der Wai senhausstraße dient unter der Direktion Artur Oser wieder einmal für kurze Zeit seiner ur sprünglichen Bestimmung als Varietebühne. Das Programm ist erstklassig. Im Vorjahre war zur gleichen Zeit der bildhübsche Italiener Rastelli hier, ein Jongleur mit fabelhaften Leistungen. Sein Fach vertritt jetzt Altmeister Salerno. Er vollführt da eine ebenso amüsante wie stau nenswerte Kaffeehausszens und es ist gar nicht möglich, seine Tricks hier aufzuzählen. Aber wer macht es ihm nach, mit einem Messer, einer Gabel und einer Apfelsine zu jonglieren, dabei im Werfen dieser Dinge die saftige Frucht zu zerschneiden und deren beide Hälften aufzuspie- ßen? Nur zu diesem einen „Kunststück" gehört eine jahrelange Uebung und täglich mehrstündi ges Probieren. Dann tritt ein Hundedresseur auf. Zwei Terrier stellen Plastiken und zwar Jagdszenen mit einer unglaublichen Ruhebehcrr- schung. Aufsehen erregt aber geradezu der Ter rier „Togo", ein gutgenährter Bursche, der den Zahlenraum von 1—15 in allen Rechnungs-' arten beherrscht. Das gelehrige Tier wird mit ten im Publikum placiert, sein Herr steht weit weg davon, dreht ihm den Rücken zu und kann also keinerlei Zeichen geben. „Togo" empfängt seine Aufgaben unmittelbar von den Zuschauern. Wird ihm von einem Herrn oder einer Dame beispielsweise zugerufen 6Z-5, so antwortet das Tier nach kurzem Ueberlegen mit elfmaligem „einsilbigen" Vellen. Hier steht man geradezu vor einem Rätsel. Dann gehört weiter ein Imitator des weltbekannten Filmschauspielers Chaplin zum Programm, der, verbunden mit einer unwiderstehlichen Komik in einer gut auf gemachten Zirkusszenc außergewöhnliche turne rische Leistungen vollbringt. Aber Auftreten und Darbietungsweise sind derart, daß man glaubt, den wirklichen Chaplin vor sich zu haben. Endlich noch die drei weltberühmten spanischen Clowns Andreus, Karrikaturen, die tollen Blödsinn vollführen, der aber eine Reihe artisti scher Meisterleistungen in drastischem Gewände darstellt. Schade, daß das alte gute Artistentum so in den Hintergrund gedrängt worden ist. Zirkus und gutes Variete boten bessere Volks-. Unterhaltung als zuweilen das, was man gegen wärtig unter diesem Titel dem Publikum vor-, setzt. Emil
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