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Dieses Blatt ist da» zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen des Amtsgerichts, de» Finanzamt» und de» Stadtrat» zu Hohenstein-Ernstthal, sowie der Behörden der umliegenden Ortschaften behördlicherseits bestimmte Blatt. Druck und Verlag von Dr. Alban Frisch. ! 78. gahrg. Donnerstag, den 19. Juli 1928 1 iAH«» I Der Raum des Millimeter» der «intvalttaen Än,eigen. Z»!,. Io s I -eile kostet i> Pla., der etnloaltiacn Reklame,eile 18 Pta. I Für den Nachweis werden Lb GoldpseniHge berechnet. HM WM rode verurteilt Die Schlubverhandlung des Prozesses „Sie friedfertige Welt" Bou uulerem Berliner vertret«» Berlin, 19. Juli Amerika, genauer gesagt, Kellogg, hat einen großen Erfolg zu verzeichnen. Nach zuerst hef tigem Widerstreben und den seltsamsten Ein wänden ist durch leisen oder schärferen Druck, durch diplomatische Unterhandlungen und öf fentliche Diskussionen schließlich eine Ueber einstimmung in der Frage der Kriegsächtung erzielt worden. Wie man weiß, hat Deutschland vorbehaltlos dem Kel logg-Vorschlag zugostimmt, es ist eine zustim- nrende Antwort Frankreichs eingegangen, Bel gien hat sich für Lie Annahme des Vorschlages ausgesprochen. Aus Ler englischen Note sind Einschränkungen nicht zu entnehmen. Es ist in zwischen auch bekannt geworden, Laß Italien und Japan vorbehaltlos ihre Genehmigung erteilen werden. Der Kelloggpakt könnte demnach von den zunächst interessierten Großmächten ratifi ziert und demnach die Kriegsächtung als eine international« Abmachung an - gesehen werden. Soweit ist es jedoch noch nicht, denn Ame rika plant nunniehr, die Verhandlungen mit den kleinen Mächten aufzunehmen und auch ihre Zustimmung einzuholen, Lie anerkannten Verträge ratifiziert zu heften und einer gro ßen Konferenz sämtlicher Mächte das Endprotokoll vorzulegen, um dadurch den Weltfrieden zu sichern. Nachdem die größten Schwierigkeiten überwunden sind, liegt außer Zweifel, daß im Herbst allerspätestens als die Errungenschaft Ler ganzen kultivierten Welt der Kriegsächtungspakt gilt, der Lurch eingehende Bestimmungen jeden Krieg und jede Kriegsnei gung verhindern muß. Die Welt hat dann offi ziell mit diesem Pakt den Krieg abgeschafft. Es wird sich freilich erst später zeigen, ob die Mächte, die sich für die Kriegsächtung erklärt haben, tatsächlich den großen Glauben an der Wirkung und Durchsetzung Les Vertrages be sitzen. Hat sich Amerika bisher bemüht, und ist erst-aus diesen Fehlschlägen zu dem Kellogg pakt gekommen, eine Abrüstung der Weltmächte zu erreichen, so müßte als Folge der anerkann ten Kriegsächtung eine gründliche Selbstab rüstung aller Mächte einsetzen. Denn wozu starke Armeen, wozu die gewaltige Ausgabe für Geschütze und Munition, wenn ein einfacher Pakt die Versicherung ewigen Friedens gibt? Logischerweise dürften Verhandlungen über eine Abrüstung garnicht mehr möglich sein. Sie wä ren die Konsequenz aus der Ueberzeugung, Laß eine friedfertige Welt kein Heer und kern Kriegs material braucht. Eines nur ist bis heute unverständlich: Man hat in Genf, besonders auf Betreiben Deutsch lands, lange und unter großen Schwierigkeiten über die Friedensficherung verhandelt, während gleichzeitig das diplomatische Gespräch um den Kslloggpakt lief und bereits von mehreren Staa ten unumwundene Zustimmung bekannt gegeben war. Sind die in Genf beratenen Anträge und Vorlagen nicht durch den Kelloggpatt überholt? Der Laie muß notgedrungen Liese Frage stel len, die vielleicht durch einen Juristen und einen Kenner der einschlägigen Bestimmungen beantwortet werden kann. Hinzu kommt, daß auch die Aufgabe des Völkerbundes durch den Kelloggpakt hart gestreift wird und cs bisher nur durch redaktionelle Biegungen mög lich war, Widersprüche zwischen dem Kelloggpakt und den Völkerbundbestimmungen auszuschalten. Man wird annehmen mässen, Laß, trotzdem es Aufgabe des Völkerbundes sein muß, den Kel loggpakt anzuerkennen und wenn auch nicht, da Amerika dem Völkerbund ferngeblieben ist, dem Völkevbundsstatut einzuverlciben, man bereit ist, doch wenigstens eine Spitzengarantierung vor- Die letzten Vernehmungen In der Mittwoch-Sitzung wurde als erster Zeuge der Eendarmeriewachtmeister Georg Schmidt aus Untersiemau vernommen, der seinen Zusammenstoß mit Hein schilderte. Bei der Schießerei wurde weder Hein noch Schmidt verletzt. Nach der Aussage des Zeugen Schmidt bestreitet der Angeklagte Hein, daß er den ersten Schuß abgegeben habe. Zeuge Schmidt bleibt aber dabei, daß Hein zuerst geschossen habe. Dann wird der Untersuchungsrichter, Land gerichtsrat P f iß n« r-Koburg vernommen. Er gibt an, Hein sei immer ruhig gewesen und habe klare, bestimmte Angaben gemacht. Er habe nie gesagt, daß er sich an Einzelheiten nicht erinnern könne. Ms Motiv erklärte Hein, in allen Fällen habe er nur die Hindernisse beseiti gen wollen, Lie seiner Flucht entgegenstanden, und habe sich keine Gedanken über die Folgen gemacht. Hein hab^ auch nicht in Abrede ge tollt, daß er di« Absicht hatte, bei Verfolgungen von seiner Waffe Gebrauch zu machen. Hein ist voll verantwortlich Es folgte die Vernehmnng des psychiatrischen Sachverständigen über den Geisteszustand des Angeklagten Hein, Medizinalrates Dr. H a r- tig-Koburg, der ausführt, Hein war arbeit sam und allgemein beliebt. Sobald Lärm in Jena erschien, änderte sich das ganze Wesen des Hein. Lärm ist affektlabil. Er ist ein fanati scher Hasser der Polizei. Es ist möglich, daß er auf Hein einen unheilvollen Ein fluß ausgeübt hat. Er ist kein Trinker und kein Raucher, sondern Sportliebhaber. Er hat sich von Lärm beeinflussen lasten. Hein hat mir gesagt, so fährt der Sachverständige fort, daß er bittere Reue über seine Taten empfinde. Ein krankhafter Affekt liegt bei Hein nicht vor. Ich schließe bei Hein Geisteskrank heit, krankhafte Affekte und Haftpsychose aus. Ich schließ« die Voraussetzungen des 8 51 in vol lem Umfange aus. Die Plädoyers Nach der Mittagspause ergriff Erster Staats anwalt Dr. Leimer das Wort zu seinem Plä doyer. Er kam zu dem Ergebnis, daß bei den Taten des Angeklagten nur vorsätzliche Tötung, mit Ueberlegung ausgeführt, in Frage komme. Von Totschlag könne nach dem Verlauf der Hauptverhandlung keine Rede sein. Der Vor satz könne nicht bestritten werden. Wer von elf Schüssen elfmal treffe und auf Len llmfallenden und auf den bereits am Boden Kauernden noch einen Schuß abgebe, der wolle nicht verletzen, sondern töten. Der Angeklagte hab« sich nicht des Totschlags schuldig gemacht, sondern des überlegten Mordes und, soweit die Schüsse nicht zum Tode führten, des Mord- v er suchs, Lärm und Hein hätten auch ge sagt, sie würden jeden Beamten niederschießen, der sie festnehmen wolle. Trotz des späteren Ab leugnens sei diese Aeußerung erwiesen Die Sachverständigengutachten hätten ergeben, daß er Lieser Ueberlegung durchaus fähig gewesen sei. Selbst wenn er verführt wäre zu seinen Taten, so könne dies ihn doch vor der Strafe nicht schützen, die bei Mord nicht gemildert wer den könne. Der Staatsanwalt stellte dann den folgenden Strafantrag: Dreifache Todesstrafe gegen Hein beantragt Koburg, 18. Juli Im Hein-Prozeß beantragte am Mittwoch nachmittag der Erste Staatsanwalt nach länge rem Plädoyer gegen den Raubmörder Hein wegen Mordes in drei Fällen dreimal die Todesstrafe, wegen Mordversuchs in zwei Fällen eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren, ferner Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebensdauer. Justizrat Dr. Fränkel-Berlin, der Ver teidiger Heins, bestritt in seinem Plädoyer jede Ueberlegung des Angeklagten im Jenaer Falle. Der Angeklagte habe nur seine Selbsterhaltung im Auge gehabt. Aehn- lich liege der Fall in Plauen. Der Fall Unter siemau könne noch weniger als Mord bezeichnet werden. Es könne sich hier, wie vielleicht auch in den anderen Fällen, um eine vorsätzliche Tötung handeln, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen, da zweifellos eine an dauernde Verfolgung stattgefunden habe. Es wäre ein gefährlicher Justizirrtum, wenn man die Mordfrage bejahen würde. Der Angeklagte sei von tiefer Neue erfüllt. Als darauf der Angeklagte Hein aufgefor dert wurde, sein letztes Wort zu sprechen, sagte er in stockender Weise: „Aus den Verhandlun gen sehe ich erst richtig, was ich ge macht habe. Es ist mir vorher nicht richtig bewußt gewesen. Ich weiß heute noch nicht, wie ich zum Verbrecher geworden bin. Weiter weiß ich nichts zu sagen." Darauf zog sich das Gericht zur Beratung zu rück. Nach zwei Stunden wurde das Urteil ver kündet: Sas «rtr« Koburg, 18. Juli Nach zweistündiger Beratung verkündete das Gericht im Hein-Prozeß gegen 9 Uhr folgendes Urteil: Der Angeklagte Hein wird wegen Mordes in zwei Fällen zweimal zum Tode und wegen Totschlags, Totschlagsversuchs und Mordversuchs in je einem Fall zu zusammen fünfzehn Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verur teilt . Die Kosten de, Verfahrens trägt der Ver urteilte, die ihm gehörenden Pistolen, Munition usw. werde» eingezogen. * Hein nahm das Todesurteil aufrecht stehend entgegen, ohne eine Spur von Er regung zu zeigen. Der Verteidiger, Justizrat Fränkel, wird beim Reichsgericht Revision gegen das Urteil einlegen. Zur Kellogg-Note Keine uneingeschränkte Annahme London, 18. Juli Die britische Antwortnote aus die Vorschläge Kelloggs wurde sofort an das Washingtoner Staatsdepartement gekabelt. Die Note ist, wie weiter bekannt wird, ein verhält nismäßig kurzes Schriftstück. Sie wird am Freitag in Form eines Weißbuches veröffent licht werden. Dem Geist nach liegt der Inhalt der Note zwischen der uneingeschränk ten Annahme der durch die deutsche Regie, rung und der der französischen Antwort beigefügten Erklärungen. Di« Note stellt Großbritanniens Recht auf Intervention tu allen Gegenden fest, wo dem britischen Welt reich Gefahren drohen könnten, vertritt jedoch die Ansicht, daß der vorgeschlagene Pakt In kei nem Gegensatz zum Locarno-Vertrag und dem Völkerbundsstatut stehe. Die Note, Lie den Re gierungen der Dominions und der Regierung Indiens zugegangen ist, wurde von diesen nicht beanstandet. Die Regierungen der Dominions und Indiens werden nun jede für sich ihre Ant wort dem amerikanischen Staatsdepartement zu stellen. Die Antwort Polens Warschnu, 18. Juli In der heute überreichten polnischen Ant wortnote auf den Paktvorschlag Kelloggs nimmt die polnische Regierung den Text des Pak tes an und erklärt sich bereit, ihn zu unter zeichnen. Aus der in der amerikanischen Note vom 23. Juni enthaltenen Interpretation ent nehme die polnische Regierung folgende Feststel lungen: 1. Der Pakt schränkt das Recht auf Verteidigung in keiner Weise ein. 2. Jedem Staat, der den Pakt unterschreibt und der die Verwirklichung seiner internationalen Interessen durch die Entfesselung eines Krieges herbeiführen sollte, können die sich aus dem Pakt ergebenden Begünstigungen entzogen werden. 3. Zwischen den Bestimmungen des amerikanischen Antikriegspaktes und den Verpflichtungen, die der Völkerbundspakt enthält, besteht keinerlei Widerspruch. Die Sowjetregierung und der Antikriegspatt Paris, 18. Juli Wie der „Chicago Tribune" aus Washington gemeldet wird, ist man der Ansicht, daß, obwohl das Staatsdepartement den Sowjetregierung nicht anerkannt hat, ein Weg gefunden werde« könne, die Sowjetregierung an der Unterzeichnung des Kelloggschen AntikeiegsPaktes zu beteiligen, wenn di« Frage der Ein ladung der nicht zu den ursprünglichen Signa tarmächten gehörenden Mächte aktuell wird. Auch die Tschechoslowakei nimmt den Kclogg- pakt an Berlin, 19. Juli Außenminister Dr. Benesch erstattete am Mittwoch im Ministerrat Bericht über den Stand der Verhandlungen über den Kelloggpatt. Benesch unterrichtete das Kabinett über die ge plante Antwort der Tschechoslowakei, die er Freitag überreichen werde. Sie werde im we sentlichen mit den Antworten Englands, Frank reichs und Deutschlands überein st im men. EGMimdSKRHMMMMW London, 18. Juli Außenminister Chamberlain erklärte am Mittwoch nachmittag im Unterhaus, der deutsche Reichskanzler habe äine Forderung bezüglich der Räumung de« Rheinländer erhoben. Der Reichskanzler habe kürzlich die Ansicht -um Aus druck gebrach^ daß mrter den gegeMwärttgen Um ¬ zunehmen. Es wäre Aufgabe des Völker bundes gewesen und es liegt auch teilweise be reits Hinweis darauf in seinen Statuten, sämt liche Mitglieder einem Kriege fern zu halten und ein Abkommen durchzusetzen, das das Aus sehen des Kelloggpaktes hätte haben müssen. D«r Völkerbund hat aber nichtdie Kraft gesunden, über die mühsam erreichten Kr iegsbestiznMuugem des Statutes hinauszugehen. Er wäre jedenfalls auch nicht so schnell zum Ziele gekommen wie jetzt Amerika. Deutlicher Be weis dafür, daß da« amerikanische Kapital einen bedeutend größeren Einfluß besitzt als der Völ kerbund, daß nur diese Kapitalmacht es letzten En des erreicht, widerstrebende Mächte zur Aner kennung des Kelloggpaktes zu bsrvfljen.