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Adern vor Empörung, aber sie schwieg. Sie wußte, daß ihre Empörung zum Ausdruck kommen würde, wenn sie sprach, und sie war zu stolz, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und sich in irgend einer Weise mißfällig über die Dame zu äußern, in der Onkel Maximilian allem Anschein nach eine Vollkommenheit sah. Graf Wolfsburg nahm ihr Schweigen für Trotz. „Du scheinst deine Stellung der Dame gegenüber, die ich dir zur Gesellschafterin und Erzieherin gab, ein wenig zu verkennen, mein Kind," fuhr er nach kurzer Pause fort. „Ich wollte, daß du in ihr in jeder Weise eine Respekts person siehst. Du bist noch zu jung, um selbständig deine eigenen Wege zu gehen, und bedarfst der Beratung und Führung einer älteren, erfahrenen Dame. Der hochacht bare Charakter Fräulein von Ruperts, ihre dir stets freund lich und hilfsbereit entgegenkommende Art läßt mich den Gedanken an eine persönliche Abneigung deinerseits voll ständig abweisen Deine kindische Auflehnung suche ich viel mehr in dem Umstande, daß ich überhaupt einen anderen Willen über dich setzte und dich daher in deiner wohl bis her geübten gänzlichen Willensfreiheit beschränkte. Unter den obwaltenden Umständen ist es jedoch geboten, dich einer Dame anzuvertrauen, und wenn es nicht Fräulein von Rupert wäre, müßte es eben eine andere sein Ich denke, du bist nicht allein klug genug, das einzusehen, sondern müßtest auch die Bemühungen einer solchen Dame um dich dankbar anerkennen." Er hielt eine Weile inne und wartete, ob Senta nicht irgend etwas zu ihrer Entschuldigung und Rechtfertigung vorbringen würde. Sie aber saß mit gesenkten Augenlidern blaß und stumm vor ihm. Ihr hartnäckiges, trotziges Schweigen reizte ihn und brachte ihn endlich in die abhanden gekommene und doch erwünschte zornige Stimmung zurück. „Wenn du aber meinst, mich durch dein widerspenstiges Betragen zu zwingen, dich von der Wolfsburg fortzuschicken, so hast du dich geirrt — kurz und gut — ich habe den Un frieden und die Klagen über dich satt. Senta zuckte zusammen, und ihr Gesicht wurde leichen blaß. „Selbstverständlich werde ich alles aufbieten, um Fräu lein von Rupert, die für meinen Haushalt unersetzlich ist, zum Bleiben zu bewegen," sprach er weiter. „Da der Grund ihrer Unzufriedenheit mit ihrer Stellung hier sowie zu ihrer heutigen Entlassungsforderung in dir ruht, so ist es allein an dir die Hand zur Versöhnung zu bieten. Ich hoffe darum, daß du meinen Wünschen in dieser Beziehung Rechnung tragen und dich bemühen wirst, dich der Dame in Zukunft unterzuordnen, und wünsche, daß du sie noch heute um Verzeihung bittest." .Ah!« Nun kam doch ein Laut über Sentas Lippen; er verriet ein heftiges Erschrecken, mit Empörung und Abwehr gemischt. Hatte schon die Strafrede des Oheims sie bis aufs äußerste gedemütigt und verletzt, so setzte dieses letzte Ver langen allem die Krone auf. Sich freiwillig zu einem Unrecht zu bekennen, ist für ein stolzes Gemüt ohnehin schwer, aber die Liebe zu der betreffenden Person hilft den Stolz überwinden. Aber hier war keine Liebe. Senta brauchte sich nur das fahle, hoch mütige und spöttische Gesicht Fräulein von Ruperts vorzu stellen, um ihr eine Abbitte als unausführbar erscheinen zu lassen. Hätte sie Vertrauen zu ihrem Onkel gehabt, wurde sie ihm ihre Gefühle klargelegt und ihn gebeten haben, eine andere Dame, die sie lieb haben konnte, zu nehmen; sie würde ihm gesagt haben, daß es ihr höchstes Ideal sei, sich einer solchen Dame unterzuordnen, sich von ihr leiten- zu lasten. Nur Fräulein von Rupert durfte es nicht sein. Doch sie besaß dieses Vertrauen, das nur aus Zunei gung geboren wird, nicht; seine heutige Art hatte sie zu dem scheu und trotzig gemacht Das Rot der Scham brannte auf ihren Wangen über des Oheims Ansinnen und über ihr eigenes Ohnmachtsgefühl, sich nicht wehren zu können. Graf Wolfsburg hatte keinen Blick von ihr gelassen. Er hatte das Aufzucken und trotzige Aufbegehren gesehen, aber er las auch den heißen Kamps, der sich so deutlich auf der reinen, weißen Stirn, auf den schönen Zügen abspiegelte. Da stand er auf und reichte ihr die Hand. „Ich kann mich doch auf dich verlasten, nicht wahr, mein Kind? — Es liegt mir viel daran, daß Fräulein von Ru pert bleibt, da einen Ersatz zu finden, besonders in so kurzer Zeit, sehr schwer ist. Also — du wirst die Sache in Ord nung bringen?" Wie elektrisiert sprang sie auf. Das waren ganz andere Worte, bas war ein ganz anderer Tonfall als der bisher vernommene. Dieser plötzliche Umschlag machte sie ganz ver wirrt. Kaum wissend, was sie tat, legte sie ihre Hand in die seine. „Ja, Onkel Maximilian." Er hielt ihre Hand sekundenlang mit leichtem Druck um schlossen, dann gab er sie frei. Senta stammelte irgendeinen Gruß und eilte hinaus im Sturmschritt, an dem ihr verdutzt nachschauenden Gottlieb vorüber, durch die Gänge, bis sie endlich hochaufatmend vor der Tür des Zimmers stehen blieb, das Fräulein von Ru pert bewohnte. Mit einem schnellen Entschluß, als fürchte sie, wankend zu werden, klopfte sie an und trat ein. Fräulein von Rupert saß am Fenster und hob bei Sentas Eintritt ein wenig den Kopf. Ein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Züge, als sie das blassem Gesicht, die verlegene Haltung ihres Schütz lings sah. Also hatte es doch ein Donnerwetter gegeben; es war auch die höchste Zeit gewesen. Sie war auch fest entschlossen, ihr jetzt in keiner Weise entgegenzukommen. Sie wußte ja, wozu Senta zu ihr kam, und sie wollte den Triumph ganz auskosten. „Wo kommen Sie her, Senta?" fragte sie, sich unwis send stellend. „Von Onkel Maximilian," gab sie kurz zur Antwort. „Nun — und?« fragte sie lauernd und setzte sich in ihren Stuhl zurück, während Senta vor ihr stehen mußte. „Mein Oheim wünscht — daß ich Sie — um Verzeihung bitte — ich — ich tue es hiermit" „Ah — eine seltsame Abbittte in der Tat! Ihr Ton verrät durchaus nichts von Reue. — Glauben Sie, daß ich mich mit dieser Abbitte zufriedengeben könnte?" Senta wandte den Blick nach der anderen Richtung. Die Hausdame sollte nicht sehen, welchen heißen Kampf sie kämpfte. „Ich verlasse mich auf dich, du wirst die Sache in Ordnung bringen." Das tönte ihr in den Ohren. Und da gegen bäumte sich ihr Stolz gegen eine Demütigung vor dieser Person auf. Sie schwieg beklommen, und ihr Herz schlug hörbar. „Meinen Sie," fuhr Fräulein von Rupert fort, „daß ich nach dieser Abbitte meinen Entschluß ändern und noch länger bei Ihnen bleiben würde? Hahaha, mein Kind — ich brächte ohnedies ein Opfer, wenn ich es täte, denn es ist wahrlich kein Vergnügen, sich mit Ihnen herumzuärgern, und ich war es bisher gewöhnt, mit von Haus aus wohl erzogenen Kindern, denen es schon im Blute lag, was sie ihrem Stande schuldig sind, zu verkehren." Eine flammende Röte ergoß sich in Sentas Gesicht bei dieser versteckten Beleidigung, die sie weniger verstand als empfand Mit einem Male kam ihr ein kühner Gedanke. „Wenn das Opfer, das Sie bringen wollen, so groß ist, dann wird Onkel Maximilian es entschieden nicht anneh men wollen und sich doch entschließen — eine andere Dame zu engagieren." „Ah so wäre es Ihr Wunsch, daß ich ginge Ihre Absicht, mich von hier fortzutreiben? — Sie haben sich gewaltig getäuscht, mein Kind — so leichten Kaufes sollen Sie mich nicht los werden. Ich weiß wohl, daß ich Ihnen hier im Wege bin, daß Sie lieber Ihre eigenen Wege unbeachtet gehen möchten. Doch, ich glaube es dem Herrn Grafen, der meine Verdienste zu schützen weiß, jetzt erst recht schuldig zu sein, daß ich bleibe. — Ich — hahaha — nehme also Ihre Abbitte als genoßen an und halte somit diese Angelegenheit für erledigt. Nur noch einer Auf klärung, die Sie mir heute morgen verweigerten, bedarf es: Welche Antwort gaben ^Sie dem Herrn Grafen auf seine Frage nach Ihrem seit vierzehn Tagen öfteren heim lichen Verschwinden?" Senta war von der Wirkung ihrer Worte auf Fräulein von Rupert noch so verdutzt, daß sie den Sinn dieser letzten Frage erst nach Sekunden begriff. „Onkel Maximilian hat mich nicht danach gefragt.« „Nicht danach gefragt? Aber das ist doch unmöglich « „Es ist Tatsache, und nun — kann ich mich wohl zurück ziehen?" Ehe die aufgeregte Dame noch eine Erwiderung fand, war Senta schon zum Zimmer hinaus. (Forrs. jolgt.) land Gel eg durch zu br Vater