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Nr. 143. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 27. November 1918. Seite 2. gewagt hat, ein zweites Heer nach Frankreich zu senden oder sich mit einer großen Expeditionsarmee am Balkanfeld zuge zu beteiligen. Aber nicht nur in den Handlungen, sondern auch in den Zielen ist der Vierverband nicht einheitlich. Man weiß in Frankreich ganz genau, daß sich Frankreich für die orientalischen Weltmachtspläne Englands und Rußlands aufopfern soll, und der gestürzte, französische Minister Del- casse soll sich energisch gegen französische Truppensendungen auf die Balkanhalbinsel erklärt haben. Noch ein oder zwei Niederlagen der Engländer und Franzosen auf der Balkan halbinsel werden aber den Vierverbandsmächten noch deutlicher zeigen, daß sie mehr als je sich für englische Weltmachts pläne aufopfern sollen. Rußland und Italien zeigen auch schon eine recht auffällige Zurückhaltung zu der von ihnen schon längst erwarteten Beteiligung am Balkaakriege. Wo bleiben da die gegenseitig gemachten Versprechungen und die gegenseitig gehegten Hoffnungen im Vierverbande? Nichts, rein garnichts hat sich erfüllt, sogar die Belgien und Serbien gemachten Versprechungen hat der Vierverband nicht einge löst! Kann ein Bund halten, der nicht wirklich einheitlich handeln und die gesteckten Ziele nicht erreicht? Oder glaubt man, sich und die Bundesgenossen mit den schönen Lügen in London, Paris, Petersburg und Rom gegenseitig aus die Dauer zu trösten und die Versprechungen einlösen zu können? Kein Vernünftiger kann das glauben- Der Vierverband muß sich selbst durch seine inneren Widersprüche und durch seine äußeren Unmöglichkeiten auseinandersetzen. Von den Kriegr-SAnMen 8 ,W.T.-B.) Oberste Heeresleitung 8 ß zeit, Rüste auf Weihnachten. Sonst haben wir wohl an I allerhand Beiwerk unsre Freude gehabt; ein Gemisch von Erbauung und Kinderträumen pflegte in diesen Wochen u L ser Gemütsleben zu bezaubern. Davon kann in dieser eisen harten Zeit nicht die Rede sein; darauf müssen und wollen wir verzichten. Aber gibt es nicht Wirte, die gerade jetzt uns in ihrer ganzen Größe sich zeigen, ewige Dinge, die uns aufrecht erhalten in allem Harten und Schweren dieser Tage, einen Felsen, auf dem wir fest und geborgen stehen im Leben und im Sterben, im Kriege ebenso gut wie im Frieden? »Sei willkommen, o mein Heil, Hosianna, o mein Teil! Richte du auch eine Bahn dir in meinem Herzen an!" — Es ist 1. Advent, es ist Adventszeit. Daß der Herr und König des Advents zu uns kommen kann, dazu bedarf es der Stille, jener Stille, die bei aller äußeren Unruhe dieser Kriegstage die Einkehr bei sich selber nicht versäumt, jener ernsten Selbstbesinnung. Ob es nicht vieles in unserm Her zen und Leben, vieles im Leben der Gemeinde und des Vol kes gibt, was weggeräumt werden mutz, ehe Jesus unser Herr, unser Führer werden kann? Da gilt es ganze. Arbeit zu tun und gründlich auszuräumen; und das ist keine leichte Arbeit. .Die Wahrheit und das Himmelreich, die dulden keine Halben." Entweder — oder! Das wir ganz werden, was wir werden sollen, Menschen des göttlichen Wohlge fallens, daß unser Volk mehr noch die Führerrolle im Reiche Gottes übernehmen könnte, dazu heitze es: In die Stille! — Es ist 1. Advent, es ist Adventszeit. Die Kinder grüßen sie besonders fröhlich. Unsre Kinder, die Jugend unsers.Volkes, die Generation, die diesen Krieg überdauern wird, wird sie einen neuen Avvent, eine neue Zeit über unser Volk heraüf- zusühren imstande sein? Wird die kommende Zeit ein neues, ein durch den Geist Gottes erneuertes Geschlecht finden? Daß die Zukunft unsers Volkes stark werde in dem Stück vor allem, das diese Adventswochen so reich macht, in der Liebe, die die Brücke schlägt von Herz zu Herz, von Stand zu Stand, die das Wohl des Ganzen höher stellt als das eigene Wohlergehen, die Selbstlosigkeit, opferfreudige Hingabe, Unermüdlichkeit aufweist! Doch dazu müssen wir Großen gutes Beispiel den Kleinen geben. Wollen wir nicht alle eintreten in den heiligen Krieg, den die Liebe führt gegen alles Schlechte und Häßliche? Da gilt es erst recht: Allge- gemeine Wehrpflicht! Die Liebe mutz und wird siegen. So. grüßen wir den Adventsherrn, der spricht: „Ich Klopse an zum heiligen Advent und stehe vor der Tür." Jie amtliche» Tagesberichte. Dresden, 26 November, nachmittags 2 Uhr Großes Hauptauartier,26. November 1918. Amtlich wird gemeldet: Westlicher Kriegsschauplatz. An einzelnen Stellen der Front Artilleriekamps. Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Generalfeldmars chal ls v. Hindenburg. Ein Versuch der Russen, die Misse bei Pulpe zu über schreiten, wurde vereitelt. Feindliche Angriffe bei Bersemünde und an der West front vor Dünaburg sind abgeschlagen. Heeresgruppen des Generalfe I dmar - schallsPrinz Leopold v. Bayern und des Generals v. Lin singen. Nichts Neues. Balkan-Kriegsschauplatz. Südwestlich von Sjenica und Mitrowica wurden feind liche Nachhuten, die an diesen Stellen noch vor der Front des Generalfeldmarschalls o. Mackensen hielten, geworfen. (W.T.-B.) Oberste Heeresleitung. Der beiiW Kriegs-Tagesbericht von heute besagt Dresden, 27. November 1915, nachm. V<3 Uhr Großes Hauptguartier, 27. November 1915. Amtlich wird gemeldet: Auf dem westlichen und östlichen Kriegsschauplatz keine wesentlichen Ereignisse. Balkan-Kriegsschauplatz. Oesterreichisch-ungarische Truppen haben das Gelände südwestlich von Mitrowica bis zum Klina - Abschnitt vorn Feinde gesäubert. Die Zahl der bei Mitrowica gemachten Gefangenen erhöht sich um 1700. Westlich von Pristina sind die Höhen auf dem linken Sitnica-Ufer von den deutschen Truppen besetzt Weitere 800 Gefangene fielen in unsere Hand. Südlich der Drenica haben bulgarische Truppen die allgemeine Linie Golas-Jtimlja-Jecarce-Ljubotin überschritten- Sonntagsgedanken. Es ist 1. Advent, kirchliches Neujahr. In allen Kriegs- lä rm hinein erklingt die frohe Botschaft, das alte Evangelium: „ Siehe, dein König kommt zu dir " Wie groß ist der Wech- s el und Wandel in allen irdischen Verhältnissen; wie vieles hat sich gerade im Kriege und durch den Krieg geändert! D er hinter uns liegende Totensonntag hat uns davon in er schütternder Weise gepredigt. Aber die Welt unsers Heiles ist unveränderlich; das Evangelium bleibt trotz des Weltkrie ges das alte. Das ijt der Trost des 1. Advents; darum heißen wir den Neujahrstag der Kirche mit herzlicher Freude willkommen, weil er die alte Botschaft wieder neu werden läßt: Der Herr kommt, will kommen in Herz und Haus, in Gemeinde und Volk! — Es ist 1- Advent, es ist Advents- Vs» der WeWnt. Im Westen hat sich nichts von Bedeutung ereignet. Die französischen Soldaten haben eine Heidenangst vor dem zweiten Winterfeldzuge. Um sie mit dem Gedanken an ihn zu versöhnen, hatte Joffre in der Ankündigung seiner letzten großen Offensive, die gleich allen ihren Vorgängerinnen furchtbar verkrachte, die Zusicherung gegeben, daß die Win- terkämpfe am Deutschen Rhein stattfinden würden. Unsere Truppen an der griechischen Grenze aufzustellen und die Bul garen, die die Serben verfolgen, auf griechischem Gebiet zu einer großen eventuell entscheidenden Schlacht zu zwingen. Rußlands Balkan-Unternehmen. Mailand, 26. November. „Secolo" meldet aus Rom, Sonnino habe vorgestern vormittag auf der Consulta mit dem russischen Botschafter eine lange Unterredung gehabt. Man bringe diese Unterredung in Zusammenhang mit einem bevor stehenden russischen Balkanunternehmen. Es wird bestätigt, daß das Expeditionsheer nunmehr vollzählig sei und daß russische Steitkräfte binnen kurzem die Türken und Bulga ren angreifen würden. General Kuropatkin, der Oberbefehls haber des Expeditionskorps, befindet sich in Taschbuvar, zwischen Ismail und Kilia mit etwa 150000 Mann. Andere 100000 Mann seien in Odessa zusammengezogen. Allgemeiner Rückzug der französischen Truppen. Laut »Berliner Tageblatt" besagt eine Depesche des „Petit Parisien" aus Saloniki, daß die französische Heeres leitung am Mittwoch den allgemeinen Rückzug der französi schen Truppen von Krivolac über Kavadar und Demir Kapua angeordnet habe. Vor ihrem Rückzug zerstörten die Franzosen alles, was sie nicht mitnehmen konnten. — König Nikita siedelt nach Skutari über. Seine Familie wird in Cetinje bleiben. Pasitsch, Hauptanstister des Krieges. Von seinem Kriegsberichterstatter Roda Roda läßt sich mehreren Berliner Morgenblättern zufolge „Az Est" drahten: Bei der Einnahme des Sandschack in Serbien ver blieb - der dortige Rechtsanwalt Radulowic, ein bekannter serbischer Politiker am Orte. Ich machte seine Bekanntschaft und er erklärte, daß er als Nationalliberaler gegen den jetzi gen Krieg war. Der Hauptanstister des Krieges war Pasitsch, Ler wesentlich auch an der Mordtat in Serajewo beteiligt war. Wenn Sie Beweise dafür haben wollen, finden sie die jetzt in dem Belgrader Staatsarchiv. Helden im Westen lächeln bei der Erinnerung jener Ver heißung Joffres. Würde der Krieg mit Worten ausgefoch ten, so wäre Kitchener und Joffre längst Sieger, und das arme Deutschland von der Landkarte gestrichen. Da aber Taten entscheiden, so haben wir berechtigten Grund, der wei teren Entwickelung und dem Ausgange dieses Krieges mit vollem Vertrauen entgegenzusehen. Krise im Kommando der Allierten. Der Londoner „Observer" meldet mit Bewilligung der Zensur, es bestehe eine gewisse Krise im Kommando der Alliierten, deren Behebung durch eine Unterstellung der eng lischen Armee in Frankreich unter den Befehl des französi schen Generals Foch möglich sein werde. Italienischer Kriegsschauplatz. Görz in Flammen Gsenpest, 26 November. Die Italiener beschießen Görz ununterbrochen. Vorgestern gingen zahlreiche Gebäude der Stadt in Flammen auf. Die Wachssabrik Wach, das Priesterseminar, der Bischofspalast und der Dom find abge brannt. Bam Balkan. Der Kampf gegen Montenegro. R. A. Rriegspressequartier, 26. November. Die österreichisch-ungarischen Truppen machten vor einigen Wochen von Trebinje aus einen Vorstoß und warfen die Montene griner aus der Höhenstellung zurück. Als die montenegri nischen Kolonnen jetzt abermals aus dem Bergland vorbra chen, wurden sie von der K. K. Artillerie unter Feuer ge nommen und zersprengt. Gleichzeitig nahmen die österreichisch- ungarischen Grenztruppen aus dem Raum von Foca' die Offensive gegen die Montenegriner, die sich im vorspringen den Grenzzipfel eingenistct hatten, auf und verjagten sie. Südwestlich Sttnica treiben andere österreichische Kolonnen die feindlichen Nachhuten durch das kahle Bergland der Giljeoo Planina vor sich her und haben bereits etwa 10000 Montenegriner gefangen. 6 Mörser, 12 Feldgeschütze, eine Menge Fuhrwerke, 7 Lokomotiven, 130 Wagen Munition und zahlreiches anderes Kriegsmaterial werden als Beute gemeldet. Es ist vornehmlich das Verdienst eines Bataillons des Hermannstädter Infanterieregiments Nr. 31 gewesen, desselben, das sich schon bei der Einnahme von Iwangorod hervorgetan hat. Albanien für Bulgarien. Budapest, 26. November. „A Dillag" weidet: In Südalbanien vereinigten sich die bisher einzeln kämpfenden albanischen Truppen Dschaffer Effendis, Jasar Beis und Soka Efferdis. Sie suchen bei Dibra und Ochrida und am Katschanikpatz Verbindung mit bulgarischen Truppen. — Aus Athen wird gemeldet: In Dalona verkünden die Ita liener das Standrecht. Ermordung eines serbischen Obersten. Einer Meldung des Blattes „A Nap" zufolge erzählte ein früherer serbischer Feldwebel aus dem Prekoborner 1. Landsturm-Regiment, das Oberst Pribitschevitsch komman dierte, daß das Regiment nach dem Kampf mit den Deut schen bei Jatrepas sich zurückgezogen habe. In den späten Abendstunden hätten einige Offiziere die Mannschaften gegen den Obersten ausgereizt, weil er eine „Schwabe aus Ungarn" sei und alles verraten habe, um Serbien zu verderben. 30 Sol daten seien zur Wohnung Pribitschevitschs geeilt und hätten durch ein Fenster auf den Oberst eine Salve abgegeben. Das Regiment habe nach dem Mord die Waffen sortgeworfen und sei nach Nisch marschiert. Griechische Auffassung über die Balkanlage. Aonstantinopel, 26. November. Der „Tanin" mel det aus Saloniki: Maßgebende griechische Kreise haben solgende Auffassung über die Vierverbandsaktion: Der Vier verband sieht ein, daß jede Hilfe für Serbien vergebens ist. Die Armeeleitung des Vierverbandes plane, die ausgeruhten Wien, 26. November. (v.T'-L.) Amtlich wird oer'awbact: Russischer Rriegsschaupla«. Keine besonderen Ereignisse. Italienischer Ar.egsschauplat Die Lage im Görzischen hat sich nia,t geändert. Die heftigen Kämpfe dauern fort. Wiederholte Angriffe des Feindes gegen den Abschnitt von Oslavija scheiterten. Am Nsrdhang des Monte San Michele war das Gefecht nachts noch im Gange. Ein Angriff aus den Gipfel dieses Berges wurde durch unser Feuer erstickt. Vorstöße gegen den Raum von San Martino wurden abgeschlagen. Je deutlicher die Italiener die Nutzlosigkeit auch ihrer jüngsten Offensive er kennen müssen, desto häufiger fallen schwere Bomben und Brandgranaten in die Stadt Görz, die nun planmäßig in Trümmer geschossen wird. Täglich steigt die Zahl der ab gebrannten und zerstörten Häuser und Kirchen. Der bis herige Schaden an Baulichkeiten ist mit 25 Millionen Kro nen zu bewerten, jener an Privateigentum, Kunstwerken und Sammlungen überhaupt nicht abzuschätzen. Südöstlicher Ariegsschauplatz. Die an der oberen Drina kämpfenden k. u. k. Trup pen drängten den Feind über den Goles und Kozara-Sattel zurück und nahmen Cajnice. Auch auf der Giljeva Planina, südwestlich von Sjenica, wurden die Montenegriner von un seren Bataillonen geworfen. Südlich von Novipazar erstei gen unsere Kolonnen die Mokra Planina. Südwestlich von Mitrowica vertrieben wir eine serbische Nachhut. Das Am selfeld ist völlig im Besitz der Verbündeten. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes, von Ho!efer, Feldmarschalleutnant. Jas Wichtigste. Südwestlich von Mitrowitza vertrieben k. u. k. Truppen eine serbische Nachhut; das Amselfeld ist völlig im Besitz der Verbündeten. Die an der oberen Drina kämpfenden k. u. k Truppen drängten die Montenegriner Über den Kozara-Sattel zu rück und nahmen Cajnice. Die planmäßige Beschießung der Stadt Görz wurde von den Italienern fortgesetzt; der Schaden allein an Baulichkei ten beträgt bisher 25 Millionen Kronen. Die bulgarische Regierung hat bei den neutralen Staaten gegen die Verwendung von Dumdum-Geschossen durch englische und französische Truppen protestiert. Die österreichisch-ungarischen Truppen haben bet Jjenica die montenegrinische Grenze überschritten. Die erbitterten Kämpfe zwischen der Wipvachmündung und San Martino dauern ohne Erfolg für die Italiener Tag und Nacht fort. In Ungarn sind 91 Ortschaften und mehr als 5000 Häuser und Nebengebäude durch den russischen Einbruch zer stört worden. Die serbische Regierung setzt ihre Flucht nach Skutari fort. -Der russische Finanzminister beabsichtig, für 12 Millionen Rubel russische Scheidemünze in Japan münzen zu lassen. Oertliches und Sächsisches. Pulsnitz. (Kinderbesuch im Lazarett.) Am vergangenen Mittwoch stattete die erste Mädchenklasse unsrer Schule unter Führung des Herrn Oberlehrer Engel dem Lazarett im Sladtkrankenhause einen Besuch ab. Die Mädchenschar führte sich durch gut gelungenen Vortrag ei niger Lieder vorteilhaft ein. Der gute Eindruck steigerte sich aber bei unsren Feldgrauen noch wesentlich, als die jungen Sängerinnen dann daran gingen, die reichlich mitgebrachten Liebesgaben (Obst, Pfefferkuchen, Schokolade, Sardinen und was sonst alles unsere Krieger erfreuen konnte) eigenhändig zu verteilen. Nach Besichtigung des Lazaretts zog die Schar wieder ab mit fröhlichen Gesichtern, dre bewiesen, daß das Geben ebensoviel Freude in ihnen ausgelöst hatte, als sie bei den Empfängern in dankbarer Erinnerung bleiben werd m- Pulsnitz. (Zeitiger Winter!) Der 25. No vember brachte dem ganzen Lande ausgebreitete und ergibige Schneefälle, die im Erzgebirge eine Schneedecke von '/« " hervorriefen. Die Temperatur ging bei uns auf 5 Grad und am Fichtelberg aus 10 Grad herab. Wir haben daher eine