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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192801027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19280102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19280102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-01
- Tag 1928-01-02
-
Monat
1928-01
-
Jahr
1928
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ver- 19.30 20.15 22.15 im Februar 27.30(27,53), April 27,53 (27,75), Juni 27,5« (27,83). ring eingesteckt. Das linke Ohr ist leer. Neginiontskominandeur sein oder Pro- Vielleicht auch ein Dichter, wie Tatjana Aber das gütige Geschick hatte »hin eine auch in den schwersten Wirtschaftskrisen 18.30 19.00 konnte fessor. sagte. Rente LZ Icicher erbil- 15.00 16.30 18.05 „Sie hat mich geschützt — damals." „Und jetzt?" „Ich würde mich erschießen, wenn ich sie löre — das einzige —" sagte er ernst. „Twesten — keinen Unsinn —" „Nein, nein." — Lucian blickte bestürzt zu Babette empor. Wirklich, sie trug nur einen Ohrring, einen lan gen, hellgrünen, geschliffenen Stein, dessen Mate rial er nicht zu benennen wußte. Das Fehlen des zweiten Ohrgehänges trat um so deutlicher hervor, als dieser grüne, geheimnisvoll flim mernde Stein ihr einziger Schmuck war. Er wandte sich dem Freunde zu und stöhnte leise: „Buck, siehst du es?" „Was?" fragte Robert Buck ruhig. „Daß sie vergessen hat, den zweiten Ohrring einzustecken..." Wer?" "Babette natürlich." Buck antwortete nicht. Sein Blick war wie vorher ernst und aufmerksam auf Dabette Bondy gerichtet. Niemand hätte erraten können, was er dachte oder empfand. * Lucian blickte sich hilfesuchend um. Da sah er an einein der rückwärtigen Pfeiler einen Saaldiener stehen. Er riß ein Blatt aus seinem Notizbuch, schrieb darauf, plötzlich beobachtet von Bucks Blick: „Nimm den grünen Ohrring in der Zwischen pause heraus, bevor du zum zweiten Mal aufs Podium trittst, Babette! Der ganze Saal lacht über dich!" Dann faltete er das Blatt zusammen und gab dem Saaldiener den Auftrag, es Fräulein Bondy im Empfangszimmer während der Pause zu überreichen wie ihre Hände rauh und rissig wurden, ohne daß sie darauf achtete, da sie mit ihrem ganzen Innern dem Wachsen und Treiben, dem quellen den Pflanzen- und Tierleben hingegeben war. Was wußten diese lächelnden, gepuderten Dämchen hier, die über den fehlenden grünen Ohrring witzelten, von der harten, sorgenden Arbeit der Babette! Alle diese weiblichen Augen, die das Fehlen eines nutzlosen, ge schliffenen Steines bemerkt hatten, mären blind gewesen für den metallenen Glanz des niedrig hängenden Sommerhimmels, unter dem Babette unermüdlich in den Pflanzenkulturen ihre Arbeit tat, unempfindlich für den geheimnisvoll glühenden Brand des Bodens unter dem Mit tagshimmel. Buck merkte, daß Lucian immer nervöser wurde; es war ihm eine Qual, die Spötteleien der Damen um ihn herum über den grünen Ohr ring zu vernehmen. Endlich hatte die Sängerin die Natur genug besungen, und Babette trat von neuem an das Vortragspult. Lucian kniff sein Monokel ins Auge, beugte sich vor und starrte sie ungläubig an; obwohl sie seinen Mahnbrief erhalten hatte, hing der Stein des Anstoßes noch immer grün funkelnd vom rechten Ohr herab, Buck sah: Babette war ein wenig bleicher als vorher. Ihre Stimme klang bei den ersten Sätzen ein wenig gepreßt. Sonst aber war sie sicher, heiter und unbefangen. ,Nur ich runger« herum. „Nein lieber Twesten, Sie find einer der wichtigsten Menschen dieser Erde, bi« verstehen nichts als schön zu leben, ohne darauf stolz zu sein. Sie sind ein Dichter, der nur nicht so eitel ist, seine Meinung über seine Erlebnisse mitzu teilen." „Gnädige Frau, liebe Frau Tatjana — ich bin Ihnen dankbar für diese Worte. Heute dür fen Sie sie mir sagen." „Warum — heute?" „Ja, heute ...Er fühlte es plötzlich ganz klar: wir sehen uns zum letzten Male. Er hielt es nicht aus. Er mußte diesem etwas großen, und doch edel blühenden Mund küssen, einmal über diese zartgelbe Haut streicheln und dann ganz nahe die schwarzen Augen brennen fühlen. Ein mal, nur ein einziges Mal. Das Gelächter nebenan schreckte ihn auf: es durfte nicht sein. Also wollte er nicht mehr zu- rückkehren. Er zog seine Zigarettendose, bot Tat jana an und nahm selbst. „Die steckte ich Ihnen in die Tasche über Ihrem Herzen, als Sie gegen den russischen Feind zo gen, ich Verräterin meines Volkes!" lachte Tat jana. Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt. Leipziger Fuukorchester. Emma Schmidt-Dresden: Was Frauen von der Heimarbeit wissen müssen. Spanisch für Anfänger. Das junge Deutschland. Dr. Schneyer: Die Kulturbewegung der deutschen Jugend. Priv.-Doz. Dr. Wilh. Friedmann von der Leipziger Unversität: Som Benelli (zu nachfolgendem Hörspiel). Hörspiel: „Das Mahl der Spötter". Von Sem Benelli. Spielleit.: Jul: Witte. Tanzlehrkursus. Tanzmusik. Sie tranken Tee. Dann hieß es bald ausein- andevgehen. Also: Lebe wohl Tatjana, mein schwärzer ferner Vogel. Ich habe dich nie ge küßt. Ich habe dich mehr als meine Mutter ge liebt. Laut sagte er: „Auf Wiedersehen Leim Morgenritt" und ging. Gar viele Frauen hatte er im Arme gehalten. Er hätte englischer Lord werden können oder Erbe einer riesigen Weinkellerei am Rhein, Cprrnmtz. Die letzte Boise des Jahres war Einklang mit den auswärtigen Börsenplätzen von Anfang'bis zu Ende aus einen recht festen und zu versichtlichen Ton gestimmt. Auf allen Marktgebie ten machte sich eine stärkere Nachfrage bemerkbar, die aber infolge der Zurückhaltung der Abgebcr nur zu anziehenden Kursen befriedigt werden konnte. Stei gerungen bis zu 2^/- Prozent waren an der Tages ordnung und sie erreichten ihr höchstes Ausmaß mit v Prozent, lleber die Einzelheiten des Verkehrs ist Jetzt fiel ihm des Doktors Fläschchen mit den Beruhigungstropfen «in: „Einschlafen, ein« schlafen!" Er entkorkte die Flasche, schon der Duft um nebelte seinen Sinm. Tatjana, nicht wahr, so ist es am besten? Ich grüße dich, von fern, von so fern. Er trank .... Nur Tatjana halt« das Geräusch des Falles gehört. „Tatjana," rief er, ,chas wollte ich dir nicht antun. Leise, leis« wollte ich fortgehen." Tatjana rief: „Einen Arzt holen." Tatjana: schrie: „Twesten!" Tatjana streichelt« sein Haar. Da starb er lächelnd, als wenn ihm dieses Streicheln schon den offenen Himmel bedeutete. Die jungen Menschen waren verstummt und umstanden ratlos die beiden. „Mutter, hast du ihn auch geliebt?" fragte Kyrill, ihr ältester Sohn. „Ja, Junge, so wie er, von fern," antwortete sie einfach und sah ihm in die Augen. „Meine arme Mama," sagte Kyrill. Die Söhne hoben ihre stumm weinende Mutter empor und führten sie fort. Berlin. Die Börse eröffnete nicht einheitlich, im Grunds aber behauptet. Die Spekulation nahm zum Iahresschlub verschiedentlich Realisationen vor, die Anfangs etwas auf die Tendenz drückten, weil die Provinz Zurückhaltung bekundete. Der Zahltag nahm, soweit sich bisher übersehen lieb, einen glat ten Verlauf. Allerdings trat am Geldmarkt sehr starker Bedarf nach täglichen Geldern hervor, insbe sondere seitens mitlerer und kleinerer Firmen. Für Gelder über den Ultimo wurden 8 bis ti) Prozent verlangt, je nach der Länge der Ausleihungen (Zwi schen 2. und 10. Januar). Auf der anderen Seite glaubte man aber zuversichtlich an eine Erleichte rung der Zinssätze im nächsten Monat, zumal nach der französischen Diskontermäbigung ein Schritt in England erwartet wurde und eine Buck, der so aufmerksam dem Vortrage ge folgt, achtete nicht im geringsten auf die Sän gerin, sie trug mit gekünstelter Empfindung Lie der vor, welche die Natur besangen. Was wußte diese Dame von Natur! Was wußte sie von der Wiese, vom Wald, von der Geburt der Blume! Ein Satz aus dem Vortrag Babettes war wert voller als der ganze Liederschatz, den die Sän gerin schmetternd auf den Saal loslieh, denn jeder Satz war erlebt. Er, Robert, konnte das folgende» p» berichten: Am Mafchinenmarkt) machte sich für viele Werte Interesse bemerkbar. Die gröbten Gewinne des Tage» hatten hier zu verzeich nen Reinecker (-t 2), Hermann und Alfred Escher und Werkzeugmaschinenfabrik Union (4- je 3), Enüch- tel (-i- 3'/,), Carl Hamel und Wandererwerke (4- je 5'/-), Maschinenfabrik Kappel (mangels Abgeber mutzte der Kurs nach einer Steigerung von 7 Pro zent gestrichen werden) und David Richter (4- g). Etwas niedriger wurden in dieser Gruppe nur Dres dener Schnellpressen. Bankaktien waren scharf umworben und wurden — vielfach umsatzlos — bis zu 4'/- Prozent höher. Bet den sonstigen In on st ricwerten und Textilaktien ging es wesentlich ruhiger zu. Die Kursveränderungen er reichten in diesen beiden Gruppen mit 2 Prozent ihr höchstes Ausmab. Fonds lagen sehr ruhig. Im Freiverkehr herrschte ebenfalls eine freundliche Stimmung. Wo Abschlüsse zustande kamen, so er folgten diese zumeist auf einer leicht erhöhten Grund-, läge. In Buck stieg eine große Freude auf. Er be griff vollkommen die Kühnheit, die freie Natür lichkeit der Seele, die dazu gehörte, um sich — jetzt vollkommen des Mangels, des Fehler», des peinlichen Defektes bewußt — heiter und unbe fangen vor die Augen dieser hundert lächelnden, witzelnden Weibchen zu stellen. Er liebte diesen «us ,„»».» Trotz, der sich nicht scheute, dem Gelächter stand bestätigen, denn er hatte in» vorigen Jahre i»'zu halten. Buck schaute nach Lucian, in der Annahme, bei ihm die gleiche Beglückung über den fröh lichen Mut der Babette zu finden. Aber der Freund saß gekränkt und erregt da und war der erste, der am Schlüsse den Saal verließ. „Buck, ich bitte dich um einen Dienst", sagte Lucian, „es ist mir unmöglich, jetzt Babette zu begegnen. Sie bat sich blamiert und damit mich. Laß sie wissen, daß ich mich erst fassen und be ruhigen muss. Ich will mit mir zu Rate gehen. Morgen vielleicht habe ich mich wieder so in der Gewalt, um ernsthaft und ruhig mit ihr reden zu können." Als Buck Babette diese Worte berichtete, schwieg sie eine kurze Zeit. Ihre Züge spiegelten einen inneren Kampf wieder. Dann sprach sie still, aber ernst und fest: „So sagen Sie Ihrem Freund daß ich noch heute nacht heimgereist bin, lieber Buck. Ich glaube, Lucian und ich haben uns geirrt. Wir gehören nicht zusammen, denn er kann meine Art nicht achten, und ich verstehe die seine nicht." Sie nahm den grünen Ohrring aus dem rechten Ohr, hielt ihn in der Hand fläche, sah ihn sinnend an und fügte hinzu: „Nun hat es dieser schöne, schimmernde Stein zuwege gebracht, daß Lucian und ich uns tren nen und nie wieder lehen. Merkt man ihm seine Tücke vielleicht an? Wie unschuldig liegt er da..." Nach Jahr und Tag, als Babette die Braut von Robert geworden, fragte sie: „Wie kam es, daß du mich nicht verurteiltest, als du sähest, daß ich so zerstreut, so nachlästig sein konnte, mich mit einem Schmuckstück, von dem di > Hälfte fehlte, vor die Leute zu stellen?" „Ich wußte, Babette, daß so etwas nur einem Menschen geschehen kann, der gewohnt ist, seinen Tag nach großen Gesichtspunkten, nach dem Schwung eines starkes Gefühls einzurichten. Ihm vermag in seiner Ekstase eine kleine Lächer lichkeit oder Ungeschicklichkeit zuzustoßen. Nur der ist frei davon, der nicht» als seine kleinen Ziel« und leeren Nichtigkeiten im Kopfe bat.. Nundfunk-ESs Dienstag, 3. Januar Leipzig Welle 365,8 — Dresden Welle 275,2 10.00: Bvne Muvcr Sönnavcnw. — 10.00: Pcrtcnr LageSwichcichlcn — Ic.4S: L»cttcr0cncl>t. WusscnwnüS- epciierliccichl — 10.20: l'incmnvgrumm. — w.2ü: mcNunncn. — 12.00: Mtliaeöinusik. — 12 50: Picklame (auver Moulay). — 12.55: «cuaimabe. — 10.15: LaecS- naÄrichlcu. ivocse. — 10.25: Mcklamc Unwcr Momaa« 14.45. 15.80. 10.00 und 10.08: Bürik, Eonnadcud nur 15.40. — 17.15: Ncklamc iautzcr Muuinn, Dieustay und Mittwoch). — 17.55 Oczw. 18.00: Büric lailber Evilu» alieuS). — 20.05: lyescimituwc Mitteilungen — 22.00: PreileOecicht Svorttunk ligung der internationalen Geldsätze auf den deut schen Geldmarkt ebenfalls einwirken mühte. Der Pri vatdiskont soll nach Ansicht mahgebender Finanz- krcise voraussichtlich schon in den ersten Januar tagen wieder herabgesetzt werben können. Aus die sen llebcrlcgungcn heraus und unter Berücksichti gung des freundlichen Monatsberichtes der Dresdner Bank wurde die Tendenz im Verlauf einheitlich fester. Die Führung hatten dabei Freigabewerte und Sic- msnsaktien. Am Devisenmarkt war das Geschäft bei unbedeutenden Schwankungen der Wechselkurse ruhig. Im Usancchandel notierte Kabel Neuyerk- Berlin 4,1885, London-Berlin 20,4512, Kabel Neu york-London '4,8826. Berliner Produkienbörte vom 31. Dezember. Das Vroduktenyeschäft lieh sich heute sehr schwer an. Das AnSland brachte bei vereinzelt nach- aiebigeren Forderungen keine große Anregung. Andererseits übten aber die voll erledigten Dezem berabwickelnngen vier einen gewissen Kurs- druck ans. Dezcmberrogaen konnte sich znm ersten Kurs nicht behaupten Auch Weizen etwas unter gestrigem Schluß Futtergetreide verhältnismäßig ruhig und der Tendenz für Brotgetreide wohl im allgemeinen folgend. Weizen mark. 234—236, Rogaen mark. 237 bis 240. Sommergerste 220—265, Wintergerste neu . Hafer mark 201—211, Mais 215 bis 217,Weizenmehi30.75—34 00 Roggen mehl 31,50 bis 84.00, Weizenkleie 15,00-15,10, Roggentleie 15,00-15,10, Biktoriaerbsen 51,00-57,00, kleine Speiseerblen 32,00—35.00, Futtererbien 21,00 bis 22,00, Peluschken 20,00-21,00. Ackerbohnen 20.(0-21.00, Wicken 21.00-24.00. Lnomen, blaue 14,00-14,75. Lupinen, gelbe 15,70 bi» (6,10, Serradella —, Rapskuchen 19.60 bis 19.80, Leinkuchen 22.40—22,6 >, Trocke«- ichnitzel 12,20—12,40. Toya-Schrot 21,20—21,80, Kartoffelflocken 24.00—24.20. Leipziger Produktenbörse vom 30.Dezember. Weizen 240—2->8, Rogaen 248-256, Sommer- uerite 235—280, Wintergerste 235—256, Hale» 205-228, Mais 222-226, Raps 310-355, Biktoriaerbsen 400—500. Bremer Baumwollbörse vom 31. Dezember, abends 7 Uhr. O.sijleue Notierung. Mt0bl>na Universal Standard L8 °°°> ioko 21,92 (21,21) Lollarcents für ein »na!. Mund. Aiexaudria, 31. Dezbr. Baumwolle. Sake- laridis per November —(—.—), Januar 34.58 !34,8i)), März 35.02 (35.3o). Mai 35.28 (35,70). Oberäqyptoche Ashmvuni Dezember—,— Ner gMs GMW ° Skizze von Harry Wien Der Vortragssaal, in dem Babette Bondy reden sollte, war dicht vom Publikum besetz:. Unter den Menschen saß Albrecht Lucian mit seinem Freunde Robert Buck, seinen Schwestern und seinen Kusinen. Er hatte die Verwandten veranlaßt, mit ihm den Vortrag zu besuchen. Sie sollten sich Babette erst einmal vorurteils los ansehen; jene Babette, die er heiraten wollte. Ein Frauenklub hatte sie eingeladeu, einen Vortrag über ihre Arbeit, ihre Erfolge, die Sorgen und Freuden ihres schönen Berufes, der Blumenzucht, zu halten. Albrecht und Babette wollten nun die Gelegenheit benutzen ihre Verlobung, von der bisher nur Buck etwas gewußt, der Familie und der Öffentlichkeit be kannt zu geben. Babette erschien am Vortrngspult, groß und schlicht. Eie trug ein hochgeschlossenes dunkles Seidenkleid. Ihr Gesicht war nicht schön, nur frisch und heiter, wie die Gesichter von Menschen, deren Herz voll Frieden ist. Ihr braunes Haar lag glatt zuriickgestrichcn, ließ die Ohren frei und enthüllte die weiße, runde, etwas zu große Stirn. Babette sprach so einfach und ungekünstelt, wie sie selbst war. Eie hatte eine warme, schöne Stimme, die angenehm in die Ohren klang. Plötzlich bemerkte Lucian, daß seine Kusine Tilde, die neben ihm saß, leise lachte. Er sah, daß auch ihre Nachbarin lächelte, ebenso seine Schwester Hansine. Er wandle sich um und bemerkte, daß alle diese Frauen lächelten. Einige vermochten sogar ein Kichern nicht zu unterdrücken. Lucian fühlte sein Blut heiß und erregt in die Schläfe steigen. Er sah seinen Freund Buck an, aber der saß ernst und stumm da, aufmerksam den Ausführungen der Rednerin lauschend. Da wandte sich Lucian seiner Kusine zu und flüsterte: „Warum lacht ihr denn alle?" Tilde sah ihn mit ihren übermütig funkeln de» blaue» Augen belustigt an. „Siehst du e» Königswusterhausen, Welle 1250 12.00 Französisch für Schüler. 14.30: Kinder stunde. Mein Schimmel „Euto" und ich in Wild west. — 13.00: Familie und Sitte. — 15.35: Wetter- und Börsenbericht. — 16.00: Be rufsberatung. Fragen der Berufswahl. — 16.30: Die deutsche Anekdote als Kulturspiegel. — 17.00 Nachmittagskonzert aus Leipzig. — 18.00: Grundlagen des techn. Zahlen- und Tabellenrech- ircns (Anfängereinführungskursus für Facharbei ter uiü> für Werkmeister.) — 18.30: Spanisch für Anfänger. — 18.55: Die Geschichte des deutschen Liberalismus bis zum Weltkriege. — 20.30: Die Geschichte der Zentrumszmrtei bis zum Welt kriege. — 20.30: Klassischer Gespcnsterabeyd. — Ansthl. Pressenachrichten. Vs« dse VSkfr M Ztzarettenoose Skizze von Alfred H «in Der Arzt sagt«: „Erst vierzig, und schon di«- fts Herzleiden. Der Krieg? Hm. Sie sind Junggeselle? Ich darf offen sein. Sicher auch Offizier. Sie vertragen die Wahrheit? Es kann j^den Tag zu Ende gehen. Vielleicht auch «rst nach Jahren — möglich! Aber wie gesagt, seien Si« anf der Hut! Schonen Sie sich. Ich weiß, diese Mahnung nützt nichts, Sie rauchen doch und trin ken lieber ein Glas Sekt zum letztem Male als gar nicht. Und immer noch verliebt!" Joachim von Twesten lächelte verbindlich. Er «rahm eine Zigarette aus der silbernen Dose und dachte wie immer, wenn er das Kleinod betrach- chebe: Tatjanas liebes Geschenk. Da wurde sein Gesicht traurig. In dem Deckel der Dose erschien jihm das Bild Frau Tatjanas; er nahm Abschied von ihr. Vom Arzt ging er gleich ins RussencafS. Wi-cUeicht traf er sie dort Aber sie war nicht da. Er trank Kaffee: Gift für fein Herz. Mauchte die zehnte Zigarette: Gift für sein Herz Er betrachtete das Medizinfläschchen, das ihm der Sanitätsrat mitgegeben, und hörte noch: „Nur drei Tropfen!" Also: auch — Gift ... Er dachte an Tatjana: süßestes Gift . .." Während des Feldzuges wurde er auf ihrem Gute einquartiert. Ihr Mann, ein Deutjchrusse,. war der fröhlichste Gastfreund, Besitzer erlesenster Tropfen, von zwei rassigen Jungen und einer Prächtigen Frau. Tatjanas von schmalem Brauen uberstrichene schwarze Augen glänzten so sonder- dar wenn sich die langbowimperten Lider Ho den' Er liebte sie in dem Augenblick, als er sie znm ersten Male sah. Man ritt zn zweit aus, damals in Rußland, und jetzt, wo sie vor den Bolschewisten geflüchtet waren, um sich in Berlin eine neue Existenz zu schaffen, auch hier im Tiergarten. Nie hatten sie von Liebe gesprochen, und doch wußte er, daß auch sie ihn liebte. „Ich muß zu ihr, vielleicht ist es das letzte Mal!" Er nahm einen Wagen und fuhr zur Grunewaldvilla hinaus. Dar Herbst lag golden über Len Garten, alles war fast unwirklich mild und verschwommen in der Abenddämmerung. Es nebelte leicht. Ein erster Stern stand am Him- »nel. „Ein Tag zum Jn-Schönheit-Sterben," flü stert« es aus ihm heraus. Das Mädchen nahm thm verliebt lächelnd Hut und Mantel ab und meldet ihn der gnädigen Frau mit beglückter Stiimne. Was die bloß alle an mir gefressen haben? Gewiß, ich sehe ganz rassig aus. Aber di« «ine ... Da erhob sie sich. Ferne zwischen sich und ihm. Und doch klang alles zusammen in jubelnder Harmonie: „Meine Jungen habe ihre Damen aus der Reitschule da — ja, ja, früh übt sich . . ." Joachim lächelte. „O könnte ich's auch noch einmal so anfangen." Tatjana sagte: „Alter Narr, was sind das für Codanken. Ei« sind mein Freund." Joachim spann den Gedanken weiter, aber sprach ihn nicht aus: Jung Tatjana in der Reit schule kennen lernen... Doch dann erinnerte er sich ihres letzten warmen Wortes: Sic sind mein Freund, — und er sah sie nach den abwesenden Blicken mit inniger Kameradschaft an. „Johann ist wieder in irgendeiner Sitzung der Deutschruffischen Handelsgesellschaft." denn nicht? Die Bondy hat ja nur einen Ohr- dem Blumenlande der Babette draußen in der c--» " Einsamkeit gewohnt und gesehen, wie die frühe Sonne sie in die Pflanzungen trieb, wie sie noch der Abend bei der Pflege iyrer Schützlinge sanv, gelassen und er lebt« nur das Leben hin. Nur war es bald zu Ende. Wie jeder Raucher bei einer unbehaglichen Anwandlung griff er nach seiner Zigarettendose. Die Tasche war leer. Eine wild« tiefe beunruhi gende Sehnsucht ergriff ihn nach denn Kleinod. Er machte kehrt, lief zurück und stand bald atem- keuchend vor der Billa. Da durchblitzte ihn der Gedanke: Wenn ich jetzt Tatjana in dem Tcezimmer antreff«, küsse ich sie. Er stellte sich vor, wie ji«, von ihm träu mend, auf dein Diwan lag. Leise wollte er hinein, sie überraschen. Nicht sich melden lassen. Er sprang Lbe-r die Brüstung der Loggia, hinter der das Tcezinuner lag. Er öffnete sacht die Türe und lauschte im Dunkel, Vielleicht hat sie di« Lampe gelöscht, um ungestört zu träumen. Aus dem Nebenraum klang noch immer Ge lächter. Er machte Licht. Leer. Aus dem Zimmer der Jugend klang Tatjanas Lachen. Da lag einsam, unberührt, ungesehen seine Zigarettendose. Er ergriff sie und preßte sie ans Herz. „Vorbei, Vorbei!" flüsterte er. „Ewig alles vorbei. Jetzt noch zurückgehen? Lüohm? Ins Nirgendwo?"
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