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Erlehm'S. Von Gustav Christian Nastq, (Nachdruck verboten.) Ls war eine jener endlosen Nächte auf dem Bahnhof Bebra, als ein nachdenklicher Reisender im Wartesaal scheinbar gleichgültig am Tische saß Ihn peitschte die Unruhe und Sorge um einen sterben den Menschen. Sein Zug war aus München gekommen und hatte keinen Anschluß. Drei Stunden Aufenthalt. — Keine Möglichkeit, eher wegzukommen. Er versuchte, im Tagebuch das Versäumte nachzuholen. Die letzten Tage in den Bergen waren von Abjchiedsstim- mung und Abschiedsfeiern erfüllt. Es gab vieles, das er gern für später festgehalten hätte: Menschen, Schicksale, Landschaften, vereinzelte eigene Gedanken. Aber in diesem Milieu? — Müde Reisende, die viel leicht aus Ueberanstrengung eingeschlafen waren, — ge langweilte Kellner, spärliche Beleuchtung — die Feder über kam ein Gähnen, und sie versagte den sonst bereitwillig ge leisteten Dienst. Was tun? — Die Sorge und nagende Angst um den kranken Menschen in Wein ertränken? Es wäre das Bequemste gewesen; aber er spürte Ab neigung gegen jedes Narkotikum. ' Er war kein Tugendbold und neigte nicht dazu, in kritischen Situationen hohe Gefühle zu entwickeln; aber an seinem Herzen fraß die Sorge. Er begann in Gedanken vielerlei Dings und sand nicht den Entschluß, irgendeins zu tun. Fiebernde Unrast und der unentrinnbare Gedanke an jenes Wesen, das in diesen Stunden vielleicht einsam starb. Es war ein Mädchen, eine junge Lehrerin, die sich vor zwei Zähren verlobt hatte und wenige Monate später von unheilbarer Krankheit befallen wurde. Die Stille der Nacht ließ die Erinnerung wieder aus stehen. Er hatte die festlich bewegten Tage miterlebt, war Zeuge des gläubigen, hoffnungsstarken Glücks der jungen Menschen gewesen und hatte nach kurzer Zeit erfahren, daß alles in sich zusammenstürzte, weil Las Mädchen krank war, nach Aussage der Aerzte hoffnungslos. Die jungen Leute gingen auseinander und sahen sich nicht wieder. — Er war der ehrliche Freund beider geweien und hatte von den Ver wandten der Kranken erfahren, das es zu Ende ginge. Wie ein Peitschenschlag hatte ihn die Nachricht in der stillen Bergeinsamkeil getroffen, und er war, so rasch er nur konnte, abgefahren, um das Mädchen, dessen Vertrauter und getreuer Eckchard er gewesen war, noch einmal zu sehen. Seinetwegen! Er war sich Ler Eigenliebe bei diesem scheinbaren Altruismus bewußt und kannte die Krankheit zu gut, um nicht zu wissen, daß der von ihr Befallene kaum ein Verlangen hat, alte Freunde um sich zu sehen, weil er — gottlob — die Gefahr nicht kennt, in der er schwebt. Auf der Reise hatten ihn mancherlei Eindrücke und Menschentypen abgelenkt wie schrille Stimmen, die Len Orgelpunkt seines Empfindens rücksichtslos übertönten; aber in der trostlosen Stille des mitternächtigen Warte saales stieg die Not riesengroß vor ihm aus. Er hatte das Mädchen lieb wie eine Schwester und war durch mancherlei mit ihr zusammengewachsen, Und nun saß er ohnmächtig da und wußte keinen Ausweg. Ein Ekel vor allem, vor sich selber packte ihn. Er war kein unerbitt licher Analytiker und sagte sich ohne jede Beschönigung, daß er bei aller Sorge um das kranke Mädchen als „guter Mensch" seine Rechnung fände. Ein grenzenloser Haß gegen das Unentrinnbare erfüllte ihn, und seine Tagcbuchnotizen kamen ihm eitel, albern und lächerlich vor. Er klappte das Buch, in dem er sonst täglich mit sich ab rechnete, verächtlich und mit einem bitteren Wort gegen sich selber zu und brannte sich die schwerste Zigarre, die er bei sich trug, an. Sie hatte ihm immer ein Gefühl von Heimat gegeben, einen Halt in der schwankenden, fremden Welt; aber heute war sie sinnlos wie jein ichgefälliges Tageduch- geschreibse. — — Warten! — Warten! Und der Mensch, zu dem es ihn zog, quälte sich vielleicht mit erlöschendem Herzen, indes er hier saß und sein Ich analysierte. Vielleicht lag das Mädchen schon erlöst in ihren weißen Kisten. Er hatte mit Freunden oft darüber gesprochen, Laß es zarteste Schwingungen geben sollte von Mensch zu Mensch, weit über räumliche Entfernungen Dann war seine Ant wort immer ein Kopfschütteln gewesen, und auch jetzt spürte er nichts als die brennende, glühende Angst um den Men schen, den er lieb hatte wie ein anvertrautes Kind. Was sind Beschreibungen im Vergleich zu dem, was sich in kürzester Zeit in einem Herzen ereignen kann! All dies durchbrauste ihn gleichzeitig wie ein gewaltiger Sturm, und er hatte nur noch ein Gefühl: Hinaus! Mechanisch winkte er dem Kellner, zahlte seine Taste Kaffee, griff nach seinem Koffer und trat auf den Bahnsteig. Das gewohnte Bild. Elektrische Lampen, ein Gewirr von Schienensträngen, GLterzüge, die donnernd in endloser Reihe durch die Station fuhren, vereinzelte Beamte, die ihre Signale gaben, gellender Pfiff der Lokomotiven. — Er stand still und betrachtete das Bild, das sich ihm schon aus vielen Bahnhöfen geboten hatte. Was ging diesen Organismus von Stahl, Eisen, Willen und Notwendigkeit das Schicksal des einzelnen Menschen an, jenes Menschen, der von wenigen gekannt irgendwo auf der Welt sein Leid zu Ende trug? Nichts! Maschinen stampften und die Räder Ler Waggons don nerten über die Schienen — Signallampen flammten auf, rot und grün, aus den Dienstzimmern das Geraste! von Telephonen, die Welt nahm ihren Lauf, und er war nicht berufen, ihr in den Arm zu fallen. Er setzte den Koffer nieder. Es war noch überreichlich Zeit bis zur Abfahrt seines Zuges. Langsam, wie von schwerer Last gedrückt, ging er den langen Bahnsteig entlang. Die Lichter wurden spärlicher, und zu seinen Hüupten brannten die Sterne. Weit draußen machte er Halt. Ueber der Welt, die ihn erdrücken wollte, wölbte sich der Himmel. Und dann geschah ein Seltsames: er sah sich wieder in schmutziger Uniform in einem Schützengraben an der West front. Es war derselbe Himmel, und wie in jene: schwer sten Nacht, die den treuesten Kameraden von seiner Sette riß, überkam ihn das Gefühl tiefster Geborgenheit im All, das ihn mütterlich umfing und tröstete über den Verlust. Wie damals flammte in seiner Seele das alte Wort wie eine Offenbarung auf, daß kein Sperling vom Dache fällt ohne unsern Vater vom Himmel. Ihn quälten keine Bogenlampen mehr, und das Don nern Ler durchfahrenden Züge berührte ihn so wenig wie damals das Krachen der berstenden Granaten. Er wußte wieder, daß alles Lebendige in eines Vaters Hand ruht, und als er in grauer Morgenfrühe in der Nebenbahn da- oonfuhr, war es ihm, als ob der Achsenstoß ihn an jenes Wort Conrad Ferdinand Meyers über das Samenkorn er innern sollte: — Und keines fällt aus Gottes Welt Und jedes fällt, wie's Gott gefällt. — Der WihbolS. Sie soll es nicht erfahren: „Fahren Sie mich — hup — nach Hause!" — „Und wo wohnt der Herr'!'" — „Ganz — hup — ganz gleichgültig!" — „Aber ich mutz doch wißen, wo der Herr wohnt!" — „Nein, zum — hup — Kuckuck! Meine — hup — Frau darf nichts davon erfahren!" Er kennt sie: „Na, jetzt muß ich mich aber sputen! Meine Frau wartet auf mich um 3 Uhr am Blücherplatz!" — „Mensch, es ist Loch schon 5 Uhr!" — „Za, dann komme ich gerade recht." Die klugen Elefanten. „Weißt du, daß man jährlich 500 Elefanten zum Herstellen von Billardkugeln braucht?^ — „Da kannst Lu sehen, was das für kluge -t-iere find, daß sie sogar solch schwierige Arbeit verrichten können!" Nicht mehr so taub. „Na, Frau Anderson, können Sie jetzt bester hören, nachdem Zhre Taubheit operiert worden ist?" — „Doch, ich habe jetzt von meinem Sohn in Amerika etwas gehört!"