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II II KKZKZZ-ZRLZ HUZ ruhigen und aufmerksam zu machen, unnötig gewesen war. Die Damen würden die Sache wohl leibst nicht gern an die große Glocke hängen Für Sentas Fehlen würden sie um einen annehmbaren Vorwand nicht verlegen lein Trotzdem er das wußte, schickte er einen Arenbergschen Diener der Gesellschaft nach und ließ sagen, daß Komtesse Senta sich den Fuß verstaucht habe und im Jagdhaus habe Zurückbleiben müssen Er wolle sie nach der Wolfsburg zurückbrmgen, und man möge sein und ihr Fehlen gütigst entschuldigen. Erst als der Diener gegangen war, bestieg er seinen Wa gen und fuhr fort Gräfin Karla und die Rupert erschraken, als ihnen diese Meldung gebracht wurde Zwar hatten sie ange nommen und gewünscht, daß Senta nach der stattgehabten Zurechtweisung nicht wieder zur Gesellschaft zurückkehren würde Für ihre Abwesenheit hatten sie sich bereits einen plausiblen Grund zurechtgelegt, sobald man sie danach fra gen sollte Senta war einfach im Iagbhause verblieben, und man würde sie bei der Rückkehr dort wieder vorfinden So lange aber — und Gräfin Karla wollte dasür sorgen, daß es recht lange dauerte — gehörte Hans Joachim allein ihrer Tochter Asta. Nun machte ihr der Bruder einen Strich durch die Rech nung. Nicht allein, daß er dem Mädchen nachging, er mußte auch noch Hans Joachim entführen, und zwar ge rade in die Arme derjenigen, von der sie ihn hatte fern halten wollen Es kochte in den Adern der Gräfin vor Zorn: zugleich aber beschlich sie eine seltsame Furcht: „Wer weiß, was das exzentrische Mädchen den Heiden Männern gegenüber aussagte!" Trotzdem den beiden Damen bei ihren gegenseitig aus gesprochenen Befürchtungen die Lippen zitterten, meinte die Rupert doch zuletzt: Senta hätte noch nie etwas zu ihrem Oheim geäußert: sie wäre zu stolz, um etwas wieder zuerzählen Und aus dieser edlen Eigenschaft des jungen Mädchens schöpften sie Mut. Unterdes fuhr der Graf in sorgenvollen, bekümmerten Gedanken dem Schlosse zu, und Hans Joachim eilte den von Gottlieb bezeichneten Pfad hinunter, von Hoffnung und Zweifel, Senta zu finden, erfüllt. Was war geschehen, und was bedeutete das merkwürdige Gebaren des alten Dieners? Am Himmel aber zogen sich Wolken düster zusammen, und in der Ferne grollte der Donner. XIV. Senta war, nachdem sie sich von Gottlieb losgerissen hatte, aufs Geratewohl davon gestürmt, den ersten, besten Weg, der den Berg hinunterführte. Ohne Zweck und Ziel rannte sie hinab, als müßte sie nicht allein vor den Men schen, die ihr so Ungeheueres angetan hatten, sondern au h vor sich selber fliehen Sie achtete nicht auf die Gefahren, die der schmale, am Abhang hinlaufende Pfad ihr bot, sie sah nicht die dunklen Wolken, die sich drohend am Himmel zusammenballten, noch fühlte sie den Wind, der ihr Kleid und Haar zauste. Aber ihre Kräfte erlahmten schließlich, Lie Knie fingen ihr an zu zittern von dem schnellen, steilen Abstieg. Dazu fielen die ersten schweren Regentropfen, und Ler erste Blitz zuckte am Horizont auf Atemlos blieb sie stehen, sie konnte nicht weiter. Nir gends ein Schutz — nirgends ein Obdach! Oder doch — war das nicht die Kirchturmspitze der Wolfsburger Kirche? — Sie konnte nicht mehr so weit davon entfernt sein Wenn sie alle ihre Kräfte zusammennahm, würde sie die Kirche noch vor Ausbruch des Gewitters erreichen Daneben freilich lag auch das Pfarrhaus, aber dorthin mochte sie nicht gehen, sie konnte in ihrer jetzigen seelischen Verfassung keinen Menschen sehen So hastete sie Venn weiter vorwärts, und ehe noch das Wetter in seiner vollen Macht losbrach, hatte sie die Kirch« erreicht Unter dem schützenden Dach der Kirchtür blieb sie zögernd mit beklommenem Herzen stehen Durste sie eintreten mit der Schmach auf der Stirn? Auf der Stirn, ja, dort stand sie geschrieben, aber ihre Seele blieb unberührt davon, die häßlichen, schmähen den Worte hatten sie nur gestreift, wie Staub waren sie darüber hingeflogen, ohne ihr etwas anzuhaben Sie richtete sich bei solchen Gedanken unwillkürlich auf: das Gefühl der Unschuld und Reinheit gab ihr neuen Mut Leise, aber sicher trat sie durch die Tür in die Kirche. Wie stiller Friede wehte es ihr daraus entgegen. Sie setzte sich auf eine Bank gegenüber Lem Herren- stuhl, darin sie vor nicht zu langer Zeit mit ihrem Oheim gesessen Und da kam plötzlich ein heißes Weh über sie Sie achtete nicht darauf, daß draußen die Natur in drohenden Worten redete, sie sah den Blitz nicht der zuweilen den Raum bei Kirche erleuchtete sie iah und fühlte nur ihre eigene Hilflosigkeit, ihr Unvermögen sich vor den Menschen und deren Bosheit zu retten Wohin'' Nirgends Rettung! Verließ sie die Kirche, jo war sie wieder vogelfrei und den Pfeilen Tante Karlas ausgesetzt „Mein Gott, zeige mir einen Ausweg!" Sie rang mit sich, und die Tränen fielen wie glühende Tropfen auf ihren Wangen herab Ein fester Schritt, besten Klang von dem Steinboden emporstieg und an den dunklen Wölbungen des Gottes hauses dumpf widerhallte, ließ sie plötzlich erschreckt empor sehen Vor ihr stand Johannes Degenhart. „Komtesse — Sie hier — in diesem Wetter?" fragte er und sah mindestens ebenso bestürzt und erschrocken aus wie sie. „Ich — ich suchte Schutz vor — dem Wetter," antwortete sie mit gepreßter Stimme. „Und — warum kamen Sie da nicht in das Pfarr haus — zu — uns?" „Die — die Kirche lag mir näher — das Wetter brach los —" „So kamen Sie nicht von der Wolfsburg?" „Nein — ich komme von Morstein —" „Von Morstein? Allein? — Man sagte mir, Laß heute ein Fest von Ler Gräfin Arenberg dort veranstaltet wer den sollte." „So ist es — das Fest — fand auch statt." „Sie waren nicht mit dabei?" „Doch — aber —" „Das drohende Wetter machte ihm ein frühes Ende?" „Nein — wie ich fortging — war noch Heller Sonnen schein — mir ist es wenigstens so — ich kann mich auch - irren — ich weiß nicht mehr genau —" „Senta — was ist Ihnen, was ist geschehen?" fragte Johannes, von ihren wirren Reden und dem Anblick ihrer rotumränderten Augen ganz außer Fassung gedacht. „Nichts — nur, daß ich — nicht mehr zurückkehren möchte, daß ich — wünschte — ich —" Ein dröhnender Donnerschlag, der von einem grellen Blitzstrahl begleitet wurde, ließ Senta zusammenfahren und innehalten. Johannes ergriff ihre Hand: „Fürchten Sie sich?" „Nein — ich fühle mich hier geborgen und beschützt Nur draußen — wo es kalte, lieblose Menschen gibt — war ich — schutzlos?" „Wer hat Ihnen etwas getan?" fragte er und hielt ihre Hand noch immer fest umschlossen Eine dunkle Glut stieg in ihre Wangen, aber sie sah zu ihm aus voll Vertrauen. „Herr Professor — können Beleidigungen und Schmähungen uns etwas anhaben, wenn wir uns un schuldig fühlen?" „Niemals, sie fallen nur auf den Beleidiger zurück Doch wer hat es gewagt, Sie zu beleidigen? Ich wollte den — ich — Er zog ihre Hand an seine Brust und preßte sie an sein laut schlagendes Herz. „Haben Sie Vertrauen zu mir, nennen Sie mir den — Schuldigen." „Es war — Tante Karla." ,> „Wie? Gräfin Arenberg?" Sema nickte „Sie haßt mich von Anfang an, ich weiß nicht, warum, aber heute — heute — hat sie mich tödlich verletzt " Iohannes Degenhart war zu wenig in die Verhältnisse eingeweiht und ahnte darum weder von Gräfin Arenbergs Plänen noch von ihren Intrigen Er hatte seltsamerweise einen ganz anderen Verdacht gehabt und fragte sich nun erstaunt und vorwurfsvoll mit welchem Recht? „Kränkungen sind wie ipitze Pfeile, Vie in unser Fletsch eindringen unv es oerwunven," erwiderte er mit weicher Stimme „Doch ziehen wir sie heraus — versuchen wir, dem Schuldigen — zu vergeben." (Fortsetzung folgte pnv