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— 12. Fortsetzung. Elena verlor in diesem Augenblick die Empfindung dafür, daß der Mann dort ihr Pater, daß sie seine Tochter war, so fremd erschien er ihr Nichts an seinem Aeußercn gemahnte daran, niemand hätte ihn für den Pater eines erwachsenen Mädchen halten müssen, altes an ihm war jugendlich geblieben, seine Gestalt, jein schönes Antlitz, das tiefe Schwarz seiner Haare und der wunderbare Glanz seiner nachtdunklen Augen, in denen es bei Nennung von Lokys Namen jo zärtlich ausgeflamml war. Plötzlich stockte Elenas Atem, ein Gedanke war ihr durch den Kopf geschossen Mar es wirklich väterliche Zärtlich keit, die da jo tief in jeinen Augen leuchtete, war es nicht ein anderes Gefühl, das er sich selber nicht eingestand? Das junge Geschöps droben war jchän, bezaubernd schön, und er war einsam —. Elena erbebte Sollte sie es wünschen, dast das kleine Pfädchen das Herz des Liannes gefangengenommen hatte und nicht das des Vaters') Wenn er sie mit der Zärtlich, teil des Mannes liebte, dann konnte sie, Elena, das Herz des Paters noch gewinnen — Aber bei dein Gedanken, daß das fremdartige Geschöpf den Platz ausfüllen sollte, den einst ihre Mutter eingenommen hatte, überlief es sic heiß, und mit mühsam beherrschter aber ruhiger Stimme sagte sie: „Ich freue mich, wenn du an der Kleinen einen Erjag für das gefunden hast, was dir das Schicksal entrissen hat Es wäre mir ein Trost gewesen, wenn ich das früher ge wußt hätte Der Gedanke, daß du in deinem Hause so ganz allein lebtest, hat mich viele Tränen gekostet " „Ei!?" rief Pallestrazzi fast wie belustigt aus. „Wahr haftig? Du hast also um mich Tränen vergossen! — Und konntest trotz der vielen Tränen jo, lange fortbleiben') Hahahaha, das ist doch wirklich köstlich! — Und jetzt, wo du in San Marina deinen Liebsten hast, wo du dich hier verheiraten willst, jetzt entdeckst du auch noch plötzlich deine späte Liebe für mich') Das war nicht nötig, mein liebes Kind, du hättest ruhig kommen und jagen können welche Gründe für dich bestimmend waren, ins Paterhaus zurück zukehren Ich hatte mir vergebens den Kopf darüber zer brochen, was einen jo unerwarteten Umschwung in dir herbeigeiührt haben mochte nun weiß ich es: du willst dich verheiraten und - beruhige dich nur," jagte er iro nisch, „ich werde schon in den nächsten Tagen Gelegenheit nehmen, alles ins reine zu bringen Du kannst danach deine weiteren Gefühle für mich einrichten " Er lachte wieder voll schneidendem Sarkasmus aus, rückte an seinem Hut und ging Elena wollte ihn zurückrufen, etwas jagen, fragen, aber sie war ganz verwirrt von der Unfaßbarkeit seiner letzten Worte Was meinte er, welche Gründe hatten sie heimgesührt, was wollte er in den nächsten Tagen ins reine bringen? (Nachdruck verboten.) Plötzlich stockte ihr der Atem — sie griff sich an die Stirne, als könne sie dadurch die aus sie einstürmenden Gedanken hemmen, dann taumelte sie, lehnte sich an die kalte Wand und preßte ihre Stirn fest dagegen. Seit dem Tobe ihrer Mutter hatte sic kein ähnliches Weh in ihrem Leben empfunden. Ihr Vater hielt sie für fähig, daß sie nur darum gekommen war, um sich eine große Mitgift zu sichern —! So, bleich und verstört, das Gesicht gegen die Wand gedrückt, fand sie Ingenio, der die Marmorstufen vom Park emporcilte. Die Erregung der Erwartung war bei Ingenio so groß, baß er kein Wort hervorbrachte, als er sie gewahrte. Er breitete bloß die Arme aus, und mit einem Aufschluchzen sank Elena hinein Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und schloß die Augen, sie fühlte seine heißen, zitternden Lippen auf ihren Wangen, auf Stirn und Augen, ihre Arme umschlangen seinen Hals, und sie fühlte sich plötzlich wieder stark werden, beschützt durch seine Liebe, gehoben durch die Zuversicht, einen Menschen zu wissen, der ihr ge hörte mit jeder Faser seines Leibes und seiner Seele. Hätte sie im Augenblick nicht die selige, unumstößliche Ge wißheit empfangen, so wäre sie, von der Kälte und Härte ihres Paters, von dem mit so rücksichtsloser Offenheit ge äußerten Verdachte nicdergeschmettcrt, vielleicht zusam- menaebrochen, aber so verflog die Bitterkeit der letzten Stunden: sie zog den Geliebten nach dem Park, weit hin unter bis zu den Felsen, die ins Meer ragten. Dort wuchsen die Feigenbäume und Agaven, dort kletterten glühende Nojen über das Gestein und über die Ballu straden, und dunkle Zedern und Zypressen träumten dort, reglos und kaum gestreift von dem leise säuselnden Abend- windc „Hast du schon mit deinem Vater gesprochen?" flüsterte Ingeio endlich, als der erste Wicderschensrausch vorüber war „Ich habe ihm vor einer Viertelstunde gejagt, daß ich mich mit dir verlobt habe," berichtete Elena befangen. „Aber ich glaube. Ort und Zeit waren nicht richtig ge wühlt — " „Du verschweigst mir etwas!" brach Ingenio aus. „Er ist gegen mich, wie es deine Mutter war" „Gut. nehmen wir es an — ich lasse nie von dir! Ich werde bald volljährig und Herrin meiner Handlungen." El preßte sic an sich aber plötzlich verdüsterten sich seine Augen, er starrte vor sich hin. und das schöne Antlitz mit den dunklen Augen war blaß „Mitunter beschleicht mich ein merkwürdiges Gefühl, eine schwere Ahnung, daß wir einander niemals ange hören werden," murmelte er.