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Unterhaltungsbeilage D zum ! Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger Der Seewolf ^onUon. Von Irck (8. Fortsetzung.) Auf der Back fanden wir jedoch drei schlafende ; Matrosen. i Er drehte sie auf den Rücken und blickte ihnen ins I Gesicht. Sie bildeten die Deckwache, die Wache selbst I pflegte man bei gutem Wetter schlafen zu lassen mit Aus- > nähme des Offiziers, des Rudergastes und des Mannes ! im Ausguck. „Wer hat den Ausguck?" fragte der Kapitän. „Ich, Käptn," antwor- » tete Holoyak, einer der Voll- ! matrosen, mit einem leichten I Zittern in der Stimme. „Ich I bin diese Minute einge- > schlafen, Käptn. Es tut mir > leid, Käptn. Es soll nicht I wieder vorkommen." „Hast du irgend etwas ; an Deck gehört?" „Nein, Käptn, ich " Aber Wolf Larsen hatte > sich mit einem unzufriedenen » Knurren abgewandt und der ! Matrose rieb sich die Augen, erstaunt, so leichten Kaufs j davongekommen zu sein, j „Still jetzt!" mahnte mich Wolf Larsen flüsternd, I indem er sich bückte und sich ! anschickte, durch die Luke hin- j unterzusteigen. Ich folgte ihm bebenden I Herzens. Blut war ge- > flossen und Wolf Larsen war nicht selbst auf den Einfall ! gekommen, mit einem Loch im Kopf über Bord zu klettern, j Außerdem fehlte Johansen. Es war das erstemal, daß ich in die Back hinunter- ; stieg, und ich werde nicht sobald den Eindruck vergessen, » den ich empfing, als ich den Fuß auf die Treppe gesetzt I hatte. Direkt in den Schiffsraum eingebaut, hatte die I Back die Form eines Dreiecks, an dessen Schenkeln die ; zwölf Kojen in zwei Reihen übereinander angebracht » waren. Sie war nicht größer als eine kleine Boden- I kammer, und doch mußten zwölf Mann darin essen, I schlafen und atmen. Es roch schal und säuerlich und i im Lichte der trüben, hin und her schwingenden Schisfs- ' lampe sah ich, daß aller verfügbare Platz bis ins kleinste I Eckchen ausgefüllt war mit Seestiefeln, Ölzeug und Klci- I dungsstückcn aller Art. Mit jedem Nollen des Schiffes ! schwang das alles hin und zurück und brachte ein scheu- ! erndes Geräusch hervor, als ob ein Baum sich gegen ein I Dach oder eine Wand rieb. Die Schläfer ließen sich nicht > stören. Es waren ihrer acht. Aber schliefen sie? Oder ! hatten sie geschlafen? Das wollte Wolf Larsen offenbar ! feststellen; er wollte den finden, der sich nur schlafend I stellte oder erst vor kurzem eingeschlafen war. (Nachdruck verboten.) « Er nahm die Lampe aus ihrem schwingenden Halter I und reichte sie mir. Bei den beiden ersten Kojen steuer- j bords begann er. In der oberen lag der Kanake Ooftv- ; Oosty, ein ausgezeichneter Seemann. Er lag auf dem Rücken, schlief fest und atmete so sanft wie eine Frau, l Den einen Arm hatte er unter seinen Kopf gelegt, wäh- ; rend der andere auf der Decke lag. Wolf Larsen faßte ' mit Daumen und Zeigefinger sein Handgelenk und fühlte i ihm den Puls. Da erwachte I der Kanake. Er erwachte ! ebenso leicht wie er schlief, i ohne eine einzige Bewegung i seines Körpers. Nur die Au- gen regten sich. Sie öffneten » sich plötzlich ganz weit, groß ! und schwarz und starrten I uns, ohne zu zwinkern, an. s Wolf Larsen legte ihm zum > Zeichen, daß er schweigen > sollte, den Finger auf den I Mund, und die Augen f schlossen sich wieder. In der unteren Koje lag i Louis, dick, warm und ver- I schwitzt, und schlief einen un- < verstellten, schweren Schlaf. » Als Wolf Larsen sein Hand- ! gelenk faßte, bewegte er sich I unbehaglich und krümmte sei- j neu Körper so, daß er einen » Augenblick nur auf Schultern I und Fersen ruhte. Seine I Lippen bewegten sich und er murmelte rätselhafte Worte. ; Befriedigt schritt Wolf Larsen weiter zu den beiden ; nächsten Kojen an der Steuerbordseite, in denen, wie wir , beim Schein der Lampe sahen, oben Leach und unten I Johnson lagen. Als Wolf Larsen sich zur unteren Koje niederbeugte, ; um Johnson den Puls zu fühlen, sah ich, der ich aufrecht i stand und die Lampe hielt, wie Leach verstohlen den Kopf I hob und über den Rand der Koje herabblickte, um zu , sehen, was vorging. Er mußte wohl die Absicht Wolf ! Larsens durchschaut und erkannt haben, daß eine Ent- I dcckung unumgänglich war, denn im selben Augenblick l wurde mir die Lampe aus der Hand geschleudert und I das Vorderkastell war in Finsternis gehüllt. Gleichzeitig ! mußte er auf Wolf Larsen heruntergesprungcn sein. Das erste nun folgende Geräusch war wie das eines I Kampfes zwischen einem Stier und einem Wolfe. Ich » hörte ein wütendes Gebrüll von Wolf Larsen unk/ ein ! Knurren von Leach, das verzweifelt und haarsträubend I klang. Johnson mußte ihm sofort zu Hilfe gekommen l sein, so daß sein untertäniges, kriecherisches Wesen in den ; letzten Tagen nichts als Verstellung gewesen war. Ich > war so entsetzt über diesen Kampf im Dunkeln, daß ich I „Ich habe nichts gesehen oder gehört, glaubt mir!" sagte ich ruhig.