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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger : 11.04.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841112631-192804110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841112631-19280411
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841112631-19280411
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-04
- Tag 1928-04-11
-
Monat
1928-04
-
Jahr
1928
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Sächsisches Hobenstein-Grnfttbal, 10. April 1828 Pflanzenschutz Daß unser Landschaftsbild mit dem Fort schreiten der Kultur immer mehr verändert wird, sehen wir täglich mit unseren eigenen Augen. Da, wo noch vor wenigen Jahren eine sumpfige, mit sauren Gräsern bestandene Wiese war, hat man durch Entwässerung und Dün gung fruchtbares Land geschaffen; die Altwasser, die den Fluh einsäumten, find mit seiner Regu lierung verschwunden; die geregelte Waldwirt schaft macht aus dem urwüchsigen Wald einen Forst. Mit der Ausnutzung des Bodens wirv vor allem die Pflanzenwelt verändert, teilweise sogar vernichtet. Dian legt Naturschutzgebiete an, um wenigstens auf beschränktem Raum die alle Flora in ihrer Urwüchsigkeit zu erhalten. Fordert die Urbarmachung schon viel, so sündigt der einzelne aber auch noch häufig, indem er Sträuße von Blumen wegschleppt, um sie oft schon nach kurzer Zeit wieder wegzuwerfen. Selbst wenn es sich hier um gewöhnliche Feld- rmd Wiesenblumen handelt, ist ein solches Ee- Lahren, wie Dr. Marzell in seinem Kräuter buch schreibt, durchaus verwerflich und eines anständigen Menschen unwürdig. Und wenn schon ein Sträußchen gepflückt wird, um ein Heim damit zu schmücken, müssen es denn immer die seltenen Blumen sein, die abgeschnitten werden? Sie sind um nichts schöner als die anderen, aber kostbar für den heimischen Pflan zenbestand, der ihrer nur wenige noch hat. Gerade unter unseren wildwachsenden Blumen finden sich schöngeformte und farbenprächtige Arten; jeder geschmackvoll zusammengestellte Feldblumenstrauß lehrt das. Am gefährlichsten sind die Sammler von Kräutern, die schonungs los alles zusammenrupfen, was ihnen erreichbar ist. Dabei kennen sie meist nicht einmal die Sammelzeit und stapeln Mengen auf, die zur Unzeit gesammelt, bald jede Kraft verloren haben. Viel besser erhalten sie, was sie brau chen, gut und billig in den Drogerien und Apotheken, die ihre Heilkräuter aus großen An lagen, die eigens solcher Zucht dienen, beziehen. Nirgends wirkt die Pflanze mit ihren Blumen schöner als an ihrem natürlichen Standort. Man lasse sie stehen und freue sich ihrer wie die vielen anderen, die nach einem kommen! —* Baumblüte im Muldentale. Durch das fast sommerliche Wetter, das in den letzten Tagen herrschte, konnten im Muldental an gut geschützten Hausspalieren die ersten blühenden Pfirsichbäume beobachtet werden. Hoffentlich leiden diese Frühjahrserstlinge nicht durch Nachtfröste. —* Frostschäden an Bäumen und Sträu chern. Nach langer Winterpause treibt es bei einigermaßen günstigem Wetter den Garten freund hinaus, sein Reich zu besichtigen. Leider wird er dieses Jahr häufig die unangenehme Feststellung machen, daß sehr viele Zweige und Triebe an Obst- und Ziergehölzen eine schwärz liche Rinde zeigen, unter welcher bei leichtem Abkratzen mit dem Messer die nachfolgenden Rinden- und Holzgewebeschichten, nicht die ge sunde grüne bezw. weiße, sondern eine bräunliche oder schwarze Färbung zeigen. Die betreffenden Triebe, Zweige oder auch ganzen Pflanzen sind erfroren. In vielen Fällen wird es ja möglich sein, durch eine geeignete Operation, nämlich einen scharfen Rückschnitt, den Schaden einiger maßen auszußleichen, aber wo die Pflanze er froren ist, heißt es natürlich für Ersatz sorgen. Man soll nun nicht so lanpe warten, bis di^ fortschreitende wärmere Witterung die ange führten Schäden deutlicher zeigt, sondern so bald wie möglich den Fehlbestand aufnehmen und in guten Baumschulen nach geeignetem Ersatz Umschau halten. Es ist deshalb notwendig, den Katalog einer guten leistungsfähigen Baum schule zur Hand zu nehmen und möglichst früh zeitig den Ersatz für die erfrorenen Bäume zu bestellen. Erfahrungsgemäß häufen sich im Frühjahr die Bestellungen in den Baumschulen sehr, auch ist in diesem Frühjahr bei vielen Artikeln mit einer gewissen Warenknappheit zu rechnen: wer also gut bedient sein will, bestelle rechtzeitig. Der Verlauf dieses anhaltenden strengen Winters sollte uns ferner eine Mah nung sein, den Winterschnitt der Bäume und Sträucher nicht zu frühzeitig vorzunehmen, da mit die für die Formenentwicklung notwendigen Knospen nicht ebenfalls erfrieren. —* Was für einen Baum man kaufen soll ist mit drei Worten gesagt: einen jungen, wüch sigen, sortenechten Baum aus reeller Baum schule. Meide Ankäufe von Bäumen und Pflan zen ohne genaue Sortenangabe. Meide Aus verkäufe aus alten Gärten, die „billigen" Bäume aus diesen Eelegenheitskäufen haben meist nur Brennholzwert. Umherziehenden Baumverkäufern weise man die Tür! Habe Ge duld mit deinen Pflanzungen und pflege sie gut, du bist auch nicht in einem Jahre groß und stark geworden! — Kirchberg bei Erlbach, 10. April. Als ein beim Gutsbesitzer Neubert beschäftigter Wirt schaftsgehilfe mit den Pferden aus dem Felde mit Eggen beschäftigt war, gingen plötzlich aus noch unbekannter Ursache die Pferde durch. Dabei kam der junge Mann zu Fall und die Egge ging über ihn hinweg, deren scharfe Zinken ihm den Leib aufrissen. Zn hoffnungslosem Zustande wurde er in das Stollberger Stadt- lrankenhaus eingeliefert. — Leukersdorf, 10. April. Hier konnte ein Schwindlerehepaar festgenommen werden, das vor einigen Wochen Eintrittskarten zu einem Blindenkonzert an den Mann brachte, dessen Ausführung aber bis heute nicht erfolgt ist. — Chemnitz, 10. April. Auf der Dresdner Straße wurde die 65 Jahre alte Geschirrfllhrers- witwe Christiane Lößner von einem Personen kraftwagen angefahrcn und zu Boden geschleu dert. Die alte Frau erlitt so schwere innere Verletzungen, daß sie bald nach ihrer Einlie ferung in das städtische Krankenhaus verstarb. — Chemnitz, 10. April. Beim Kartenspielen gerieten in der Ostvorstadt zwei Bauarbeiter in Streit, wobei der eine dem andern ein schweres Bierglas mit solcher Wucht an den Kopf warf, daß es in Stücke zersprang. Der Getroffene er litt eine schwere Kopfverletzung. Der Vorgang hatte polizeiliches Einschreiten zur Folge. — Flöha, 10. April. Durch Funkcnflug ent stand hier ein Maldbrand, der sich mit unheim licher Schnelligkeit verbreitete. Dank dem energischen Eingreifen der Feuerwehr konnte das Feuer nach mehrstündiger schwerer Arbeit unter drückt werden. — Altmittweida, 10. April. Auf noch un- aeklärte Weise stieben in Altmittweida in d-r Nähe des RitterboieS zwei Motorräder derartig zusammen, dah beide in Trümmer gingen. Zwei Fahrer mutzten schwerverletzt vom Platze ge- tragen werden. An dem Auikommen des einen wird gezweilelt. — Glashütte, 10. April. Wie hier bekannt wird, hat das Ministerium dem seit zwei Jahren mit der Sanierung der Stadt Glashütte beauf tragten ehemaligen Oberregierungsrat Dr. Putzger von der Kreishauptmannschaft Dresden mitgeteilt, daß sich sein Staatskommissariat er ledigt habe. Glashütte ist angewiesen worden, sich nunmehr mit seinen Gläubigern auseinan derzusetzen. Stadtrat und Kollegium haben durch die Maßnahme ihre volle Entschließungs freiheit wieder erhalten. — Leipzig, 10. April. Am Dienstag vormittag wurde die 63 Jahre alte Eroßschläch- tersehefrau Schlichting in ihrem Bette tot aus gefunden. Hausbewohnern war anfgesallcn, daß der Fernfprechapparat in der Wohnung läutere, sich aber niemand meldete. Sie verständigten die Polizei, die die Wohnung öffnen ließ und Frau Schlichting tot im Bette vorfand. Unter dem schweren Verdacht des Gattenmordes wurde ihr Ehemann, der 63 Jahre alte Großschlächtcr Willi Schlichting, in Haft genommen. Ob der Verdacht zutrifst, muß jedoch erst die Unter suchung der Leiche im Institut für gerichtliche Medizin ergeben. Schlichting wurde auch des halb in Haft behalten, weil er sich mit Selbst mordgedanken trug. — Böhlen, 10. April. In der Kohlenmahl- aulage des Braunkohlen- und Großkraftwerkes Böhlen fand am Dienstag früh 7 Uhr bei der Aufnahme des Betriebes eine Verpuffung in einer der sechs Mühlen statt, wodurch leichter Gebäudeschaden entstand. Ein Mann trug Wunden durch Elassplitter und zwei leichte Brandwunden davon. Weiterer Personenscha den ist glücklicher Weise nicht entstanden. Der Sachschaden ist verhältnismäßig gering, so daß der Betrieb der Mahlanlage nicht unterbrochen ist. — Dresden, 9. April. Auf der letzten Tagung des Verbandes sächsischer Polizeibeamter ist es zu lebhaften Zusammenstößen innerhalb der ein zelnen Sparten gekommen. Offenbar als Aus wirkung dieser Differenzen ist jetzt ein Verband der sächsischen Schutzpolizei ins Leben gerufen worden. Der Verband geht aus der vormaligen Landcsfachgruppe „Landespolizei" im Verband sächsischer Polizeibeamter hervor und umfaßt olle im Dienst der Schutzpolizei stehenden Voll zugs-, Verwaltungs- und technische Beamten, einschließlich der Polizeioffiziere. Zu Vorsitzen den sind bestellt worden Verwaltungsassistent Stephan, Dresden-A. 16, als stellvertretender Vorsitzender Polizciwachtmeister Böhm und Polizeihauptmann Völkering, beide in Dresden. — Dresden, >0. April. In Brackwitz waren einige kleine Kinder unbemerkt aut die Deichsel eines Anbänaers geklettert, der sich an einem Znamoturwnaen be-and. Beim Absvrinaen blieb die sechsjährige Tvchler des Arbeiter« Andraczek mit den Haaren am linken Vorderrad de« zweiten Wagens hänaen, wurde überfahren und so schwer verletzt, daß der Tod aus der Stelle eintrar. Rundfunk-Ecke Donnerstag, 12. April Leipzig Welle 365,8 — Dresden Welle 275,2 1V.N0: Börse. — 10.65: Werkebrstunk. Wetterbericht. — 16.26: Taaesmonramm. — 10.25: Timcsimckrjchtem — 11.45: Wetterbericht. Wassersiandsmelduuae». — 12.00: Mittagsmujik. — 12.50: Werbcnachiicinen. — 12.55: Aeltangabe. — 18.15: Takusuachrichten Börse. — 18.25: Wcrbenachrichien. — 14.45, >5.86, 16.00, 16.08: Bors,, «onnabenü nur 15.40. — 16.50 bezw. 17.15: Werbeuuch- richteu. — 17.55 bezw. 18.00: Börse tauber Souuabcuün 20.05: Werbeuacdrichteu iDieuötaa 10.051. 15.45: Vücherbesprechungen der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. — 16.30: Konzert. Dresdener Funkkapelle. — 18.05: Nechtsfunk. —- 18.20: Sozialversicherungsrundfunk. — 18.30: Spanisch für Fortgeschrittene. — 19.00: Aus dem Gebiete Ler Wirtschaft. Wilhelm Sachs-Dresden: Wirtschaftsrundschau Dresden. — 19.30: Geh. Negierungsrat von Polzcnz-Dresden: Kleingar ten. — 20.00: Wettervoraussage und Zeitangabe. 20.15: Volkstümliches Konzert. — 21.30: Aus der Weltliteratur. Voltaire. Sprecher: Alfred Schlageter. — 22.30: Funkpranger. — 22.40: Pressebericht und Sportfunk. Deutsche Welle 1250 10.15: Rede des Staatsministers Dr. Becker anläßlich des Internationalen Lehrerkongresfes. — 14.00: Praktische Alltagsphysik. — 14.30: Kin derstunde. — Reifen und Abenteuer: Flink der Gepard. — 15.00: Die Arbeit der städtischen Hausfrau auf der Ausstellung „Die Ernährung". — 15.35: Wetter- und Börsenbericht. — 15.40: Rezepte neuzeitlicher Ernährung. — 16.09: Er ziehungsberatung. — 16.30: Räum und Zeit. — 17.00: Nachmittagskonzert, Berlin. — 18.00: D-as neue Mieterschutzgesetz. — 18.30: Spanisch für Fortgeschrittene. — 18.55: Die Kartoffel auf den leichten Sandböden Norddeuiichlands im Jahre 1928. — 19.20: Albrecht Schäffer: „Heliand." — 19.45: Schweizer Dichter: Konrad Ferdinand Meyer. — 20.30: Sinfouiekouzert. Dirig. Bruno Seidler-Winkler. Solist: Prof. Jof. Wolfthal (Violine), Berliner Funkorchester. Werke von Jof. Joachim, Rich. Strauß. — Anschließend: Pressenachrichten. — 22.30: Tanzmusik. -w rttNllWnDNMMst SandvaÄ Lrtozla-Liirdrnau «cwlunt knavo 6:5 <4 : B ac«c» »rickcu Lid. Die Gäste aus der Messestadt bietten, was von thuc» oerwrccheu war, uud ibr Sica ist verdien» und dem Lviclvcrtauf entsprechend, Es war kdittich, igejem slot- ten, fast überschnellen Sütel bei nutcr Ballbebandlunz und einzigen StcllunaSttnct znznseben. Der arobe Eiser und das slotte unablänliche Aachse en brachte tönen den -ica, obwohl sie oster die jlorverkratt reichlich aebrauch- tcn. «riesen daacgen hatte nnr eiuiae anle Minnien, bet dem die Mannschaft mit vollem Eiier dabei war. Recht unangenehm siel auf, das, so wenig nach dem Ball ge. lansen wurde und der Gcwicr dann immer einen Moment eher da war. Lrvhüem war Hohenstein-Ernst thal den Gästen jederzeit ein gleichwertiger Gegner, nud cs ist ihnen eiu Sica über die Gabe benimmt mvalich. Die ersten Minuten sehen orieten soiort im Anariss, und schon sitzt der sZührnngstreüer. Die Gäste tauen sich da- veii nicht einichitchtern, sondern legen ein rasendes Tempo vor. und bald ist ihnen der Ausgleich gelungen. Erst nach längerem wechielvollen .üamvi tann Uricirn in der 14. Minute die aüörung wieder übernehmen, die jedoch Lindenau lurz daraus wieder aufhvlen tann. Tickt wem. Sie die Gewichtszunahme und das allgemeine Wohlbefinden Ihres Kindes beobachten können, nachdem Sie ihm Levubai dis Pol.r.?iä!>r-Zivie- HULLEN, bark regelniäßia zuteil werden ließen. Verkaufsstellen: Hobenllein-Er.: Al red Bobne, F. A-JUche, Konsum-Verein. Bberluimwiln M. Seidel A. Vorwerk Gersdorf: Fr. Oehler, A. Orgie. M. Landrock, Herm. Muller. Herm. Vergelt, Ri. Wachter, Ai. Herold. Rüsdori: Paul Barth Bernsdon: Ella Vogel, G. Kühnert Reichenbach: Crack Schramm' M ZMöMsKH Skizze von Alfred Prember (Vonn) Obwohl die Uhr schon auf ein halb vier wies, faß der Prokurist Müller noch an seinem Schreib tisch, und vertiefte sich mit kunstvoll verborgener Ungeduld in die Geheimnisse der bereits ge leerten Unterschriftsmappe. Einige Räume weiter klapperte sogar noch eine Schreibmaschine, in der Buchhalterei ging der Handlungsgehilfe Oskar Besinnlich gequält hin und her, irgendwo trieben die Stifte gedämpften Unsinn. Das Wochenende war in Gefahr. Im Allerheiligsten schien der Chef, Herr Alfred Baumann, noch keine Lust zu haben, den erlösenden Griff nach Hut und Stock zu tun. Er brütete über dem Jubiläumsfeste. Der Tag des fünfzigjährigen Bestehens der Firma sollte in der kommenden Woche feierlich begangen werden. Seit 14 Tagen sprach Herr Baumann von nichts anderem. Endlich öffnete sich die Tür des Privat kontors, und der Chef — erfreulicher Weise in Hut und Mantel — trat an den Tisch seines Stellvertreters. Aber er trug einen geheimnis voll leuchtenden Stoß bliitenweißer Umschläge in der Hand. „Ich habe mich doch entschlossen, unsere besten Kunden zu dem Feste Heranzuziehen", sagte er, während er die Umschläge auf den Tisch des Prokuristen niederlegte. „Hier sind 30 Einladungskarten, schon von mir unterschrie ben... selbstverständlich nur Kunden, an denen uns etwas liegen muß, Berlin und Umgegend.. Sie kennen ja die Leute, Herr Müller, ich über laste Ihnen die Auswahl. Wichtige Sache, Sie verstehen... wenn Sie die Umschläge selber schreiben... sieht es besser aus..." „Ich bin im Bilde, Herr Baumann, vollstän dig", entgegnete Herr Müller mit Diensteifer und öffnete seinem Chef die Tür zum Flur, „ich werde bestens dafür Sorge tragen... Dann fiel er stöhnend auf seinen Stuhl. Dir Firma Alfred Baumann L Sohn besaß etwa 10 000 Kunden, davon 4000 in Berlin. Die 30 würdigsten — Herr Müller ahnte Verwick lungen, Neid, Zank und Abschwenken zur Kon kurrenz. Er wischte sich den Angstschweiß ab uud trat ans offene Fenster. Draußen hielt eben das Auto des Fabri kanten Theodor Schwerdtlein. Dieser hatte eine Vergangenheit, ein Wochenendhaus, eine Toch ter Josefa und die besten Absichten mit Herrn Müller. Weshalb Fräulein Josefa mit dem be zauberndsten Lächeln ihrer 35 Lenze hinauf winkte. Herr Müller dachte an die Zukunft, wobei die 10 000 Kunden in den Hintergrund glitten, grüßte heraus freundlich und rief: „Bin in einer Minute unten!" Dann entnahm er dem Schrank die Kunden liste, häufte die Umschläge darauf und ging hinüber zur Buchhalterei, wo Oskar Besinnlich schon zum sechsten Male sein Schreibgerät zum Wegschließen ordnete. „30 Einladungen für die Kundschaft", ord nete der Prokurist etwas hastig un, „setzen Sie die Adressen drauf. Natürlich nur unsere besten Kunden. Die Briefe wüsten heute noch abgehen. Ich verlasse mich bei der Auswahl der Gäste auf Ihr Taktgefühl." Dann verließ er fluchtartig den Naum und setzte sich gleich darauf zu Fräulein Josefa in den Hintergrund des Wägens. Diese Fahrt endete mit einer Verlobung. Oskar Besinnlich erholte sich langsam von dem ehrenvollen Auftrag. Er sah nach der Uhr. 4,10 Uhr. Seit 4 Uhr wartete Lotte an der Normaluhr. Sie kam zwar immer 10 Minuten zu spät, aber er hatte bis dahin eine Viertel stunde zu gehen. Er wog die gewichtige Kundenliste in seiner Hand, erhob sich und ging in das anstoßende Zimmer. Dort hockte der älteste Stift, über lieferungsgemäß Herr der Portokasse. „Da Heinrich", sagte er mit Vorgesctzien- kiirze, „30 Adressen orauf schreiben, sofort weg- schicren." „Als Drucksache?" fragte Heinrich mit auf keimendem Interesse. „Als Briefe, du Schafskopf!" sprach Oskar, nahm seinen Hut und stürzte davon. Heinrich besah die Liste mit der Pfiffigkeit seiner hoffnungsvollen 17. Dann ergriff er das Portobuch und schrieb mit fester Hand auf die nächste Zeile: „30 Einladungen ä 15 Pfg. 4,50 Mark." Er entnahm der Kaste 30 Briefmarken zu fünf Pfennig und drei Mark in bar, worauf er sie sorgfältig verschloß. Nachdem er das Geld in seiner Westentasche geborgen, pfiff er. Es öff nete sich die Tür, und herein trat Fritz Sper ling, der jüngste Stift. „Hier", sagte Heinrich, „Adressen drauf schrei ben, Drucksache, hier die Marken, wegschicken, dann kannste türmen." Fritz stand allein. „30 Umschläge —" mur melte er. „10 000 Kunden. Das geht nicht." Der Buchstabe A zeigte in musterhafter alphabetischer Ordnung 260 Namen. Fritz über legte nur flüchtig. Dann nahm er die Liste A aus der Mappe, steckte sie in die Vrusttasche, die Umschläge in die Frühstücksmappe, die Marken in die Westentasche uud trat den Heimweg an. „Arbeit für die Göre", sprach er verächtlich. Eine Stunde später saß die 12jährige Trude Sperling in ibrer Schularbeitsccke, wischte eine Träne ab, steckte den Finger in den Mund und schlug die Liste A auf. Da stand unter Nummer 1: „Naron, Adam, Krojanke. 1917 -f- 18.—" Dem Eingeweihten sagte diese Zeile folgen des: Herr Ädain Aaron aus Krojanke ist »m Jahre 1917 mit der Firma in Geschäftsverbin dung getreten, aus der ein Prozeß und eine un einbringliche Forderung von 18 Reichsmark ent standen. Es ist ein für alle Mal verboten, die sem Menschen jemals eine Preisliste oder sonst ein Lebenszeichen zu schicken. Trude Sperling war nicht eingeweiht. Sie ergriff den Federhalter und den ersten Umschlag und schrieb mit exakten, unpersönlichen Kinder- buchstabcn links oben in die Ecke: „Drucksache" und in die Mitte: „An Aaron, Adam, Kro janke." Wo man die Straße und die Hausnummer hinzusetzen pflegt, da stand gleich darauf ge wissenhaft: „1917 -j- 18.—" Unter Seufzen und Stöhnen schrieb sie so die Adressen 1 bis 30. Dann leckte sie sorgfältig die Umschläge zu, und da ihr Bruder Fritz vergeßen hatte, ihr die Marken auszuhändigen, warf sie die ganze Post mit erleichtertem Herzen unfran kiert in den Briefkasten. Dann lief sie zu den Spielgefährten. „Besorgt?" fragte am Montag Morgen Heinrich seinen jüngsten Nachfolger. Verächt ¬ liches Kopfnicken als Antwort. Aehnliche Aus kunft erhielt der Handlungsgehilfe Oskar Be sinnlich als nächste Instanz, um sie in bedeutend manierlicher Form an den Herrn Prokuristen weiterzuleiten und dafür eine Zigarette in Empfang zu nehmen. Herrn Baumann wurde eine Viertelstunde später in verbindlichster Form eröffnet, daß alles auf das Beste besorgt sei und daß die Auswahl der geladenen Gäste sicher seine Zustimmung finden würde. Diese Mitteilung brachte Herrn Müller eine echte Havanna ein. Das Fest kam und ging vorüber wie alle Feste. Als besondere Jubiläumsfreude erhielt Her: Baumann siebzehn unbestellbare und acht ver weigerte verschlossene Drucksachen mit ange messenem Strafporto. Die Seele des Prokuristen zitterte in einer Art Götterdämmerung. Etwas später erschien freundlich lächelnd Herr Adam Aaron aus Krojanke. Er schlug vor, die strittigen 18 Mark zuzüglich 20 Pfennig Straf porto durch eine Warenlieferung aus der Welt zu schaffen, und wurde in höchster Freude durch Herrn Baumann persönlich hinausgeleitct. Eine halbe Stunde später war der Prokurist Müller fristlos entlassen; seine soeben veröffentlichte Verlobung mit Fräulein Schwerdtlein wurde drei Tage später ebenso öffentlich widerrufen. Bei dem Versuch, 30 Freimarken zu füns Pfennig zu verwerten, fiel der Lehrling Fritz Sperling auf und wurde dem Jugendgericht, im Anschluß daran dem Schuhmach/rmeifter Knie riemen zugcführt. Der Portokagenjüngling erlebte die Katastrophe nicht, weil er sich an Schlagsahne den Magen verdorven hatte und 14 Tage arbeitsunfähig war. Der Han>K ngs- gehilfe Oskar Besinnlich grübelte so hingcbend darüber nach, daß er seine Lotte gcraoe noch mit einem Kollegen hatte in die Linie 17 eiusteigen sehen, daß ihm Herr Baumann in gerechte Auf wallung eine vollwer..ge Knallzigarre verab folgte, und Herr Baumann- selbst erlut gegen Schluß des Festes einen leichten Schlaganfall, der in seinen letzten Auswirkungen die Ueber- nahme der Firma durch das Bankhaus Samuel Maier herbeiführte. Sonst hatte diese Episode keine nennens werten Folgen.
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