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Besitzungen zu verteidigen, während die Teile des britischen Imperiums über die ganze Erde verstreut sind. Nur für England kann eine Blockade heutzutage tödlich wirken, weil es zu fast achtzig Prozent von überseeischen Nahrungs quellen abhängt. Auch in wirtschaftsstrategi scher Hinsicht haben sich die Dinge gewaltig zu Ungunsten Englands geändert. Der Wettbewerb von Elektrizität und Oel als Kraftquellen hat seinen Kohlenreichtum entwertet. Zudem sind ihm seit Ausbruch des großen Krieges wichtige überseeische Kohlenmärkte an die Vereinigten Staaten und selbst Australien und Südafrika verloren gegangen. Kohle als bequeme Rück fracht für die britische Schiffahrt spielt eine immer geringere Rolle. Einst wurde alles Eisen, das englische Hochöfen verbrauchten, im Lande gewonnen, heute weniger als die Hälfte. Eng lands Wollerzeugung deckt nur mehr 12 Prozent seines industriellen Verbrauchs. Sein ganzer Bedarf an Baumwolle, Seide, Jute und Gummi mutz eingeführt werden. Die überseeischen Län der gehen immer mehr dazu über, die Rohstoffe, die sie innerhalb ihrer Grenzen gewinnen, selbst zu verarbeiten, statt sie wie früher nach England zu schicken, um sie in Fertigfabrikaten teuer zu rückzukaufen. Englands Einfuhr ist seit der Vorkriegszeit gestiegen, die Ausfuhr um 20 Pro zent zurückgegangen. Zn derselben Zeit stieg die Produktion der Vereinigten Staaten um mehr als HO Prozent, die Ausfuhr von Fertigfabrika ten um fast 50 Prozent. England hat aufgehört, für Kriegszeiten eine Znsel zu bedeuten; es mutz aufhören, als solche in Friedenszeiten eine besondere Rolle zu spie len. Kontinentaleuropa mutz seinen gerechten Anteil am Erbe des Entdeckungszeitalters, den England mit zu erschleichen wußte, fordern, sonst läuft es Gefahr, ihn an überseeische Rivalen Englands zu verlieren. Nur wenn ganz Europa die geschichtliche Sendung übernimmt, die Eng land hatte, der es aber nicht mehr gewachsen ist, kann England selbst davor bewahrt werden, vor überseeischen Mächten kapitulieren zu müssen. Kanada, Australien und Neuseeland können nur vom europäischen Kontinent aus genügend rasch bevölkert und entwickelt werden, um nicht über haupt der weißen Raffe größtenteils verloren zu gehen. Nur wenn das Primat des kontinental- europäischen Machtwillens gegenüber dem bri tischen, dessen Vorteil nur Zeitgewinn ist, recht zeitig zur Geltung gebracht wird, kann das Ver hältnis zwischen Weiß und Schwarz in Afrika so geregelt werden, daß Europa als Ganzes nicht um die Früchte seiner Pionierarbeit im Schwar zen Erdteil betrogen wird. Kontinentaleuropa wartet aus eine politische Führung, die den bri tischen Lenkern europäischer Geschicke rechtzeitig die Zügel aus der Hand nimmt, wenn sie ihnen zu entgleiten drohen, um von einer überseeischen Macht ergriffen zu werden. Sklulles aus aller Well Das Monogramm des Geistes Nell Die Seancen bei dem berühmten Grazer Medium Frau Silbert erhalten seit Jahr und Tag ihr charakteristisches Gepräge durch die rät selhafte Tatsache, daß Tabatieren, Uhren, Ringe der Anwesenden, urplötzlich von einer unsicht baren Hand mit der Unterschrift „Nell", die oft sehr deutlich, manchmal nur verschwommen auf der Metallfläch« erscheint, bedacht werden. Nach der festen Ueberzeugung der Frau Silbert und ihrer Anhänger ist Nell der Name des Geistes, der der Urheber der übersinnlichen Begabung des Grazer Mediums ist. Als der Bonner Philosophieprofeffor Verweyen zum erstenmal von den Monogrammen des Kontrollgeistes Nell hörte, äußerte er, obwohl man ihm auf einem Zigarettenetui die Eingravierung Nell zeigte, recht lebhaft seinen Zweifel über die Stichhaltig keit dieser angeblichen Eeistererscheinung. Später wurde er eines besseren belehrt, zumal er selbst Gelegenheit hatte, das Entstehen der geheim nisvollen Monogramme zu beobachten. Sein Freund Robertin, der mit Verweyen an der Sitzung teilnahm, hielt einen Ring unter dem Tisch in der Hand. Plötzlich wurde ihm der Ring von unbekannter Hand weggenommen. Frau Silbert saß gegenüber am Tisch. Abends kamen Nobertin und Verweyen wieder in die Wohnung der Frau Silbert. Da fiel der Ring von der Decke herunter; auf der Innenseite war das Wort „Nell" und das Datum eingraviert. Ein Sitzungsteil nehmer, der Arzt Doktor Rotkehl, legte bei einer anderen Seance seinen Ning unter den Tisch und bat um Gravierung. In gleicher Sekunde läu tete draußen die Glocke, und ein Bub brachte dem Arzt Blumen von Bekannten zu Weihnachten. An den Korb war ein kleiner Brief gebunden. Als der Arzt den Brief öffnete, fand er seinen Ring darin. Auf der Innenseite war das Wort „Nell" und das Datum eingraviert. Auch nach Verweyens Ansicht erscheint hierbei eine Täu ¬ schung völlig ausgeschlossen. Als man Frau Sil bert auf ihre medialen Fähigkeiten hin im physikalischen Institut des College in London geprüft hat, war bei diesen Seancen, ohne Wis sen des Mediums, einer der besten und bekann testen englischen Taschenspieler Kaptain Elive Maskelyne zugegen. Dieser hatte mit einigen Herren des Komitees eine hohe Wette abge schlossen, daß er die Tricks des Mediums entlar ven würde. Er mußte aber nachher zugeben, nicht, die mindeste Spur eines Tricks wahrge nommen zu haben, und einräumen, daß das Grazer Medium Wunderdinge vollbringe, die ihr kein Taschenspieler der Welt nachmachen könne. Er hört das Gras wachsen Will man die Klugheit eines Menschen be sonders preisen, sei es ernstlich oder ironisch, so pflegt man ihm nachzusagen, er höre sogar das Gras wachsen. Nun haben amerikanische Inge nieure vor einiger Zeit einen Apparat konstru iert, mit dem man sogar das Wachstum der Bäume genau anzeigt und auf einem berußten Papier, das auf einem sehr langsam rotierenden Zylinder befestigt ist, die einzelnen Phasen die ses Wachstums aufzeichnet. Das Geheimnis des Apparats beruht auf der Tatsache, daß das Wachsen der Bäume mit elektrischen Vorgängen verbunden ist, die auf das feine Meßinstrument einwirken. Wenn man das Instrument mit einem Mikrophon, das den Schall einige hun derttausendmal verstärkt, verbindet, so steht nichts im Wege, den Baum im buchstäblichen Sinne des Wortes wachsen zu hören. Die ersten Beob achtungen wurden an einer Eiche vorgenommen. Es konnte festgestellt werden, daß in dem Wachs tum der Eiche ganz regelmäßige Nuheperioden erfolgen; am regsten war das Wachsen an 40 Frühlingstagen. Der Baum wuchs täglich fast ein Drittel Zoll. Von dem Apparat erhofft man wichtige Aufschlüsse über das bisher ungelöste Rätsel des Wachstums und der Entwicklung der Bäume. Drahtlos telegraphierende Schmetterlinge Der französische Forscher Dr. PH. Thomas hat dieser Tage ein aufsehenerregendes Buch veröffentlicht. Das Werk führt den Titel: „Wie ich die Sprache der Schmetterlinge erforschte". Der Autor, der viel Mühe auf die Lösung der Frage verwendete, wie sich Schmetterlinge unter einander verständigen, vertritt die Ansicht, daß die Schmetterlinge für elektrische Wellen, wie sie in der drahtlosen Telegraphie und Telephonie zur Verwendung kommen, empfindlich seien und ihre Fühler wie Antennen verwenden können. Wie die Sendeapparate der Schmetterlinge be schaffen seien, darüber konnte er trotz vieler Ver suche zu keinem bestimmten Ergebnis gelangen. Philipp Thomas spricht die Vermutung aus, datz die Sinnesapparate bestimmter Gattungen von Schmetterlingen nach demselben Prinzip aufge baut seien, wie die Sende- und Empfangsappa rate des Radio, sie seien jedoch viel tausendmal feiner als jene. Ehandis falsche Todcsprophezeiung? Es ging vor einiger Zeit durch die ganz« Weltpresse die Nachricht, daß der berühmte Füh rer der indischen Freiheitsbewegung, Ghandi, in dessen Person seine Landsleute einen Propheten, gewissermaßen eine Verkörperung Buddhas ver ehren, im Kreise seiner Anhänger seinen Tod auf den 12. März vorausgesagt haben soll. Man hatte diesem Datum in begreiflicher Spannung entgegengesehen, zumal Ghandi sich bereits wie derholt als richtiger Prophet und Hellseher er wiesen hat. Nun ist der Tag längst verstrichen, ohne daß die Todesahnung des Inders sich be wahrheitet Hütte. Er liegt nach neuesten Mel dungen noch immer krank darnieder, in seinem Befinden soll jedoch seither eine Besserung ein getreten sein. Ein Kenner der indischen Ver hältnisse macht darauf aufmerksam, daß die an gebliche Todesprophezeiung wohl von einem gro ßen Londoner Blatt veröffentlicht und von dort aus den Weg in die europäischen Blätter gefun den, jedoch von keiner einzigen der großen eng lischen Zeitungen in Indien registriert worden war. Es sei daher durchaus nicht ausgeschlossen, daß eine solche Voraussage von Ghandi gar nicht gemacht worden sei. Ein deutscher Astrologe hat übrigens dieser Tage das Horoskop Ehandis ge stellt, das auf ein« sehr lange Lebensdauer des Inders deuten soll. GeWWMeS 11000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt die Continental. Diese sind zum überwiegenden Teil er fahrene Spezialisten. Ihnen stehen Rohstoffe bester Qualität zur Verfügung. Sorgfältig erprobte Eummimischungen und bewährte Fabrikationsmetho den bürgen für vorbildliche Herstellung der Conti nental-Produkte. Es ist daher nichts weiter als ein logischer Schluß, wenn die Käufer ihr Zutrauen auch dem neuesten Reisenprodukt der größten deutschen Eummifabrik, dem „Continental 1028" in gesteiger tem Maße schenken. Um Heimat Md ZOM Roman von Max Treu (Nachdruck verboten.) „Ich möchte von dir wissen, mein lieber lieber Junge, was du in deinen freien Stunden treibst und mit wem du Unigang hast! Hast du besonders gute Freunde?" Friedel nickte eifrig. »Ja, H- is Werther, du kennst ihn ja, Vater! Sein Vater ist Apotheker in der Stadt. — Wir sind Banknachbarn in der Klasse!" „Ich kenn« ihn, er ist ein guter Junge. Wer ist noch dein Freund?" „Der Rudolf Holle hier aus dem Dorf! Du weißt doch, wir fahren täglich zusammen in die Stadt zur Schul« — er ist aber eine Klasse über mir." Ein Blitz in den Augen des Vaters ließ ihn verstummen. „Dieser Verkehr muß ein Ende haben, Friedel! Ich will von dem Vengel nichts wissen!" Ein Schatten huschte über die Stirn des Knaben. „Warum denn nicht, Vater?" „Darauf will ich dir die Antwort nicht schul dig bleiben obwohl ich von meinen Kindern wortlosen und fragelosen Gehorsam verlange! Von dir besonders! Du bist Sekundaner und weißt, datz in der Familie wie im Staate die allererste Bedingung für jedes Gedeihen Gehor sam und Unterordnung heitzt! Rudolf Holle hab ich gestern abend um 9 Uhr mit Lisbeth zusammen erwischt, und wie ich gehört habe, haben diese Zusammenkünfte während meiner Abwesenheit oft stattgefunden. Das hört auf, und den Vengel, der mir in solcher Weis« in den Frieden meines Hauses gebrochen ist, kannst und darfst du nicht zum Freunde halten! Für Liebeleien mit halbwüchsigen Jungen mutz dir deine Schwester zu gut sein !" „Rudolf ist aber ein patenter Kerl!" Trotzig klangen die Worte Siegfrieds. „Ob er patent ist oder nicht,, und was du darunter verstehst, kümmert mich nicht! Mich kümmert nur das Wohl meiner Kinder! Und dieses verlangt, datz ich sie von einem Umgang fernhalte, der verderblich für sie ist! Darum bleibst du dem Rudolf fern!" „Aber wir fahren doch zusammen mit der Bahn zur Schule in die Stadt." „Das kann ich nicht ändern! Pferd und Wagen kann ich nicht entbehren, sonst würde ich dich damit hinfahren lassen! So mutz es bei ^>er Eisenbahnsahrt bleiben! Aber du sollst dich "n Rudolf nicht freundlich anschlietzcn — mehr als die Bahnfahrt hast du nicht mit ihm gemein —" Friede! warf den Kopf in den Nacken. „Wir haben doch mehr gemein!" „Möchtest du mir sagen, was das ist?" „In zwei Jahren geht Rudolf zur Universi tät, und er ist schon jetzt gekeilt für eine Ner- biudung " „Darüber wird noch manches Wasser die Warthe hinabfließen! Und was hat das mit dir zu tun?" Und wieder flog der Kopf trotzig in den Nacken. „Rudolf hat mich auch für die Verbindung gekeilt!" „So! Das ist mir ganz neu! Vorläufig, mein Junge, bist du in Untersekunda und hast dich uni Julius Cäsar und Virgil, um Arithme tik und deutsche Aufsätze zu kümmern, aber nicht um studentische Verbindungen! Hast du dein Abiturientenexamen und willst studieren, und sind wir bis dahin nicht ganz verelendet, daß ich dir die Mittel dazu gewähren kann, dann wird es mir gleichgültig sein, ob du als Student eine schwarze oder weiße oder grüne oder rote Mütze aufsetzest! Bis dahin hast du an andere Dinge zu denken, verstanden ? Und nachdem du mir erklärt hast, datz Rudolf dich gekeilt habe, so wirst du ihm erst recht fern bleiben — ich wünsche deinen Umgang mit ihm nicht! Da nach hast du dich zu richten!" „Es hat doch noch niemand etwas dagegen gesagt!" Scharf und schneidend fiel Hallstedt ein: „Ich sag« «s dir, und das hat dir zu ge nügen! Ich bin dein Vater, der es gut mir dir meint. Aber vergitz nicht, datz ich auch noch etwas anderes bin, Herr im Hause, und mein Gebot gilt! So, nun geh, und tue, was ich dir befohlen habe!" Friedel entfernte sich. Mit Krachen warf er die Tür ins Schloß. Im Nu war Hallstedt auf gesprungen und eilte ihm nach. „Friedel!" „Vater!" Es war der gleiche Ton der beiden: scharf und kalt. Und zwischen den beiden sprang et was Hartes, Feindseliges. Einen Augenblick standen sie Auge in Auge. Dann hatte Hallstedt ich gefaßt. „Die Tür", sagt« er ruhig, „fiel mit Krachen ins Schloß. Selbstverständlich nicht absichtlich — es geschah aus Unachtsamkeit. Aber auch die- es ist ein Fehler, den wir ablegen müssen. Darum wirst du die Tür nochmals zumachen — leise, wi« es sich gehört!" Einen Augenblick schien es, als wollte der Knabe sich weigern. Aber «in Blick in das Ge sicht des Vaters ließ ihn erkennen, daß es nicht geraten war, ihn zu reizen. So faßte er die Tür und legte sie ganz leise ins Schloß. Der Vater nickte nur. In den Augen des Sohnes loderte aber ein drohendes Leuchten. 4. Kapitel Der November hatte noch einmal alle Lichter des Sommers aufgesetzt. Hell uyd warm lag der Sonnenschein über den stillen Feldern und durch die Luft ging ein warmes Klingeln, als wollte es von kommenden besseren Zeiten kün den. Vierzehn Tage war Hallstedt nun in der Heimat und mit eiserner Faust und eisernem Willen hatte er Ordnung geschafft. Unermüdlich war er mit dem treuen Christ auf allen Aeckern und Feldern, in allen Ställen und Scheunen, in allen Ecken und Winkeln des Gutes herum- gcgangen und herumgekrochen, um sich selbst ein Bild von dem Stand der Ding« zu verschaffen. Das Ergebnis war trostlos: man mußte völ lig von neuem wieder anfangen. Aber wie und womit? Alle Barmittel waren erschöpft; was noch davon da gewesen — und ganz unbeträcht lich war es nicht — hatte Frau Vera erhoben und bei ihrer Flucht mitgenommen. Wer gab ihm nun das Kapital,, das nötig war, um den Wiederaufbau zu beginnen? Woher die Mittel schaffen für Neuanschaffungen an Geräten und Maschinen, an Vieh und Saatgut? Noch eine Hypothek auf das Gut nehmen? Niemand würde sie ihm gewähren. Freunde? Wo waren hier Freund«, da alles ringsum von der hereingebrochenen polnisch«n Flut überschwemmt war? Im Reiche, ja, da war wohl der eine oder der ander«, der in normalen Zeiten hilf reich beizuspringen bereit gewesen wäre. Aber jetzt — wem konnte und durfte man es jetzt zumuten, sein Geld im wahrsten Sinne des Wortes in polnische Wirtschaft zu stecken? Und mutzte er nicht damit rechnen, daß ihm auch noch di« bereits auf dem Gute stehende Hypothek gekündigt würde? lieber all geschah es, so hörte er, wo Deutsche saßen. Es war klar, man wollte die Deutschen auskaufen, billig das Ihre in polnische Hände bringen — und welches Mittel wäre dazu geeigneter gewesen, als sie durch Kündigung der Hypotheken in unabsehbare und unüberwindlich« finanzielle Schwierigkeiten zu stürzen? War es nicht vielleicht am besten, man ließ den ganzen Kram zum Teufel fahren, verkaufte alles um ein Spottgeld und über- redelte ins Reich? Was hatte man denn hier noch zu suchen, wo deutsche Art und deutsches Wesen so jämmerlich zugrunde gingen? Was bedeutete der einzelne in dem großen Zusammen bruch deutscher Kultur und Zivilisation? „Viel!" Lant hatte Hallstedt dies Wort herausge- toßcn. Und noch einmal wiederholte er es: „Viel!" Ja, viel! Denn wenn jeder einzelne fahnen flüchtig werden wollte, wo blieb da das Deutsch tum? Wenn nicht jeder einzelne Deutsche fest stand in der stürmenden Brandung, dann aller dings mußt« bald der letzte Rest deutschen Wesens und deutscher Sitte hinweggespült sein von diesen Fluren, die doch nur mit deutschem Fleiß und deutscher Arbeit aus grenzenloser, jahrhundertlangsr Verwildung zu höchster Blüte omporgebracht worden waren. Mühelos war den Polen uraltes deutsches Kulturgebiet durch den Fricdeusvertrag zugefallen — sollte ihnen der Besitz noch müheloser gemacht werden da durch, daß nun auch jeder einzelne Deutsch« schleunigst das Land verließ? Und war es denn wirklich so verlockend, die alte väterliche Scholle hier aufzugeben und hinüber zu ziehen, dahin, wo der deutsche Reichsadler flatterte? Lag auch nicht dort alles in Schutt und Trümmer? Ging nicht dort auch alles zugrunde unter der zu nehmenden Arbeitsunlust, unter unerhörter Teuerung, unter Unruhen und Blutvergießen, unter Raub und Plünderung jeder Art? Nein, nein! Es gab nur eins: ausharren auf Ler Scholle, ausharren bis zum letzten Atem zug! Und ging es eines Tages wirklich nicht mehr — nun dann war es noch immer Zeit, selbst zu gehen zu gehen — wohin? In irgendein ander Land — und zu allerletzt war auch noch eins da, aus dem es kein« Wieder kehr mehr gab Er atmete tief und schwer. War dieses Land nicht vielleicht das be gehrenswerteste heute? Was bot denn di« Erde noch? Schutt und Trümmer, Leichen und Blut, Mord und Raub — das war die Signatur d«r Zeit. Gehörte wirklich besonders viel Ent schlußkraft dazu, dieses Paradies für immer zu verlassen? Das Rasseln eines Wagens, der vor dem Hause vorfuhr, scheucht« Hallstedt aus seinem Brüten auf. Ein großer, hochgewachsener Mann entstieg dem Gefährt, sprach ein paar polnische Worte mit dein Kutscher und ging dann auf das Haus zu. Gleich darauf klopfte es an der Tür. „Herein!" Der Fremde trat ein. „Habe ich die Ehre, Herrn Hallstedt zu spre chen?" fragte er in fließendem Deutsch. ,^Der bin ich! Was steht zu Diensten und wen habe ich die Ehre, vor mir zu sehen?" „Mein Name ist von Czarwinski — ich bin das, was sie früher unter preußischer Herrschaft Larchrat nannten. Sie gehören zu meinem Be zirk. Ich hört«, daß Sie aus der Kriegsgefangen schaft zurückgekehrt wären, und ich hatte den Wunsch, Sie persönlich kennen zu lernen." fFortsetzung folgt.)