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MOmMWIMM Hohenstein-Ernstthaler Zettung, Nachrichten und Neueste Nachrichten EZchrlnl ird«, Wochen!«- ««chmtttog» — Fernlpr Nr. N PostlchriNonIo Leipzig S8 4S4 — Gemetndegtrolom» 14. — BanNonlen. Commerz- un» Privat»Bank Zwelgsnll« Hohen» Sein - Ernstthal — Dsnnstitd!« und Nationalbank gmetz» ntrderlassung Hohenstein-Srnftthah — Unverlangt elngejandte Manuskript« iverden nicht zurückgelchickr — Einsendungen ohn« Namensnennung linden keine Ausnahme Bei Klagen, Konkursen, Bergleichen ns» a»»r» der Brutto» betrag in Rechnung gestellt Im Kall« HSHerer Bemalt — Krieg »vei sonstiger irgend «clchn Störung d«4 Betriebes brr Zeitung, b«r Lieseraulen »der »ei BesörderungSrinrich- mngcn — hat der Beziehe, keinen Anspruch aus Lieferung od«r Nachlieserung d«, Zettung »de, aus Rückzahiuna d«S Bezugspreise» Genevalattjetger fiir Hohenstein»Ernstthal mit Hüttengnmd, Obe^ungwttz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, RüLdorf, Langenberg, Meinsdorf, Falken, Langenchursdors, Reichen» bach, Callenberg, Grumbach, Tirschheim, Kuhschnappel, Et. Egidien, Miftenbrand, Grüna. Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Pleißa und Rüßdorf. Dieses Blatt ist da» zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen deS Amtsgerichts, dell Finanzamt» und de» EladtratS zu Hohenstein - Ernstthal, sowie der Behörden der umliegenden Ortschaften behördlicherseits bestimmte Blatt. Druck und Verlag von Dr. Alban Frisch Nr. 5 Der Naum de« Millimeters der einsvaltigen Slnzetgeu» «eile kostet « Psn.. der einspaltigen Reklame,eile 18 Pta. Mir den Nachweis werden 25 Goldpfennige berechnet. Freitag, den 6. Januar L928 Bt»ua»vreiS halbmonatlich 8N Goldvieunig« «iulchltelilich traaerloda. 78. Fatzrg. Sas schwere EMH»ns-MgM inMlm Unser Verliner Wegc-Mitarbeitcr ist mit ats einer der ersten aus dem Schauplatz des bereits gestern von uns gemeldeten Explosionsungliickes eingctrosfcn und schil dert nachstehend seine Eindrücke. Berlin, 5. Januar Ilm '/-l Uhr schellt das Telefon. Man fährt empor, reißt den Hörer von der Gabel, hört von der Pressestelle der Feuerwehr die fliegend durch- gesagte Meldung: Ungeheure Explosionskata- strophe in der Landsberger Allee! Ein rascher Anruf beim Nettungsamt und dem Polizeipräsi dium belehrt, daß alles schon alarmiert und unterwegs ist. Also hin. Man wirft sich ins Auto, rast mit Volldampf nach Berlin d!0. Die Pneumatiks wühlen im ausgeweichten Schnee, meterweit spritzt der Schlamm auf die Bürger steige, als der Wagen im 80-Kilometer-Tempo durch die nächtlich stillen Straßen jagt. Vorbei am gespenstisch dunklen Friedrichshain, die Landsberger Allee herauf. Eine flackernde Feuersäule zeigt den Weg. Schon tauchen die ersten Schutzmannsposten auf, schon hört man das Geranne einer erregten Menschenmasse, die sich hier an der Absperrungskette zusammenge- ballt hat. Die Pressekarte öffnet den Weg, und erschüttert steht man eine Minute später an der Stelle, auf der vor einer halben Stunde noch ein Haus, eine vier Stock hohe Mietskaserne ge standen hat und dis nun ein wirrer Trümmer haufen bedeckt. An der Unglücksstätte Sinnlos ragen Eisenpfeiler gen Himmel, an dem noch stehengebliebenen Block des Hauses hängen die Balkons windschief herab, Schutt und Lehm bröckeln in jeder Minute herunter. Ab und zu ein neuer Krach, wenn eine Decke durch bricht, eine Wand nachgibt. Unter ständiger Lebensgefahr arbeiten die wackeren Feuerwehr leute, die sich Eingang verschafft haben, um zu retten, was noch zu retten ist. Zwar den Brand haben die fünf Löjchzüge, die auf den ersten Alarm sofort herbcigeeilt sind, verhältnismäßig rasch löschen können. Die Einsturzgefahr aber besteht unvermindert fort. In den unmöglichsten Stellungen arbeiten die Männer der Feuerwehr, um den überhängcnden Stuck herunterzuschlagen, der abzubrechen und wie eine Lawine alles mit sich in die Tiefe zu reißen versucht. Zwei tap fere Männer müssen, schwer getroffen, von ihren Kameraden ins Krankenhaus gebracht werden. Opfer der Ausräumungsarbeit, die geleistet wer den mußte, ehe man an die Bergung der Toten und Verwundeten Herangehen konnte. Siebzehn Tote, siebzehn Schwerverletzte lieber 100 Personen haben das Haus be wohnt. Noch ist nicht sicher, wie viele bei der Katastrophe umgekommen sind. Siebzehn Tote, 17 Schwerverletzte sind bisher geborgen worden, aber man muß befürchten, daß noch manche Leiche unter den Trümmern vergraben liegt. Die weit aus größte Mehrzahl der Bewohner hat sich glücklicherweise retten können oder ist von der Feuerwehr befreit worden. Zufälle haben dabei mitgesprochen^ die man in das Reich der Fabel verweisen würde, wenn man sie nicht selbst ge sehen hätte. So verdankt ein Mann sein Leben nur seinem kleinen Terrier, dessen Winseln die Helfer auf die richtige Spur brachte, während sein Herr bereits das Bewußtsein verloren hatte und in der nächsten Minute jämmerlich erstickt wäre. Zwei andere Bewohner haben sich da durch gerttet, daß sie auf einem Balken den Bal kon des Nachbarhauses erreichen konnten und von dort aus den Weg ins Freie fanden. Heimatlos „Ich wollte, ich wäre auch erschlagen wor den," sagt eine Fran in Heller Verzweiflung neben mir. „Was soll man jetzt anfangen? Alle Sachen, die wir hatte«, sind hin, Wohnung haben wir nicht; bis wir die Entschädigung kriegen, sind wir längst verhungert." Was sie sagt, den ken alle die Ueberlebenden. Sie haben nichts gerettet als ihr nacktes Leben. Kleider, Wäsche und Hausrat sind verloren, ihre Wohnung zer stört. Es war für mich das erschütterndste Bild der grausigen Katastrophe, wie diese Unglück lichen immer wieder versuchten, den Polizeikor don zu durchbrechen, um noch einmal in das Haus stürzen und wenigstens das Unentbehr lichste retten zu können. Es durfte nicht sein. Sie wären in den sicheren Tod gegangen. Die Beamten taten ihre Pflicht. Pflicht von Staat und Gemeinde aber ist, dafür zu sorgen, daß die bedauernswerten überlebenden Opfer der Kata strophe keinen Grund haben, Anklage zu er heben: „Hättet Ihr mich doch lieber sterben lassen!" Der Grund? Bevor man sich über die Entschädigungspflicht unterhält, muß natürlich die Ursache der Kata strophe festgestellt werden. Vis jetzt war dies noch nicht der Fall. Es ist auch nur von Inter esse, um ähnliche Unglücksfälle zu verhüten. In diesem Fall wäre es einfach eine Gemeinheit, wenn sich einer hinter dem andern verkriechen und prozessieren würde, während die Heimat losen hungernd auf der Straße liegen. Hier zu helfen, und zwar schleunigst zu Helsen, ist erste Menschcnpflicht. Alles andere kommt nachher. Das ist innerhalb zwei Jahren die zweite Explosionskatastrophe von ungeheuerlichem Aus maß, die wir in Berlin erlebt haben. Nach der ersten hat man behauptet, das sei ein ganz un gewöhnliches Zusammcntresfen unglückseliger Zufälle gewesen, und so etwas könne bei dem Stand unserer Technik „eigentlich" nicht mehr Vorkommen. Man sieht doch, daß es vorkommen kann. Wieder ein „ungewöhnliches Zusammcn tresfen unglückseliger Zufälle"? Ich weiß nicht, aber während ich durch den grauenden Morgen nach Hause fahre, geht mir die Zeile Les Hexen liedes nicht aus dem Sinn: „Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand." An weiteren Meldungen liegen uns noch die algenden vor: Berlin, 5. Januar Gegen 10 Uhr abends wurden bei den wei teren Aufräumungsarbeiten auf der Trümmer- stätte des Grundstücks Landsberger Allee 116 noch zwei weitereTote — ein Mann und eine Frau — geborgen, so daß jetzt die Zahl der zutage geförderten Leichen 14 beträgt. Dazu kommt der abgerissene Arm, zu dem noch der Körper fehlt, jo daß die Gesamtzahl der Totenauf 15 gestiegen ist. Die Aufräumungs arbeiten werden von Feuerwehr und Schutzpoli zei beim Schein der Azetylenlampen energisch fortgesetzt. Berlin, 5. Januar Die 9jährige Tochter Gerda des Gastwirts- chepaares Scheithauer, die — wie durch ein Wunder — wenn auch schwerverletzt mit dem Leben davongekommen war, ist nun doch ihren schweren Verletzungen im Krankenhaus am Friedrichshain erlegen. Außerdem ist noch in der 10. Abendstunde die L e i ch e des 12 Jahre alten Knaben Heinz Lorey geborgen wor den. Insgesamt ist damit die Z a h l der Toten aus 17 gestiegen . Zehn davon sind identifiziert. Fünf Erwachsene und ein Kind sind noch nicht rekognosziert. Der Abtransport der Schuttmassen wird die ganz« Nacht hindurch fortgesetzt werden. Nach wie vor find Feuer wehrleute und Mannschaften der Schutzpolizei in großer Zahl bei Fackel und Azetylenlicht mit den Ausrüumungsarbeiten beschäftigt. Was ist explodiert: Ammoniak, Benzin oder Leuchtgas? Berlin, 5. Januar Der Verliner Oberbranddirektor Gem pp teilt mit: Die Ursache des nächtlichen Explo sionsunglückes in der Landsberger Allee konnte noch nicht geklärt werden. Drei verschie dene Gefahrenquellen befanden sich in dem vierstöckigen Gebäude: in der Mitte des Hauses eine Ammoniak-Kühlanlage, hinten ein Benzindepot, in dem mehrere tausend Liter Benzin lagerten, und dazu kommt noch Leuchtgas. Eines von den dreien muß schuld an der Explosion gewesen sein, ob Leucyr- gas, Ammoniak oder Benzin, das wird hoffent- lich die Untersuchung ergeben. Das Beileid des Reichspräsidenten Berlin, 5. Januar Der Reichspräsident hat dem Ober bürgermeister von Berlin seine herzliche Teil nahme an dem schweren Explosionsunglück in der Landsberger Allee ausgesprochen und ihn gebeten, diese auch den Hinterbliebenen der Todesopfer und Verletzten zu übermitteln. Zwischen den zuständigen Stellen, städtischen Behörden, Polizei und Feuerwehr, haben Ver handlungen über die Unterbringung der durch die Katastrophe obdachlos Gewor denen stattgefunden. Die Wohnungsämter ind angewiesen, Notwohnungen bereitzustellen. Das Bezirksamt hat einen Aufruf um Geld- und Sachspenden für die so grauenhaft um Hab und Gut gekommenen Bewohner des Hauses er lassen. Aus eigenen Mitteln hat das Bezirks amt 5000 Mark zur Verfügung gestellt. Bür germeister Scholz vom Zentralmagistrat hat die Verpflichtung übernommen, beim Magistrat und der Wohlfahrtsdeputation weitere Mittel zu be antragen, und stellte sür die erste Hilfe 25000 Mark in Aussicht. Ein Sabotageakt? Berlin, 6. Januar Wie der „Berliner Mittag" zu der Explo siv n s k a t a st r o p h e in der Landsberger Allee aus Kreisen des Großfleischereigewerbes erfah ren haben will, nimmt man dort an, daß es sich' um einen Sabotageakt handelt, der mit der augenblicklichen Lohnbewegung der Schlächter in Verbindung steht. Bevor die polizeiliche Untersuchung über die Katastrophe nicht abgeschlossen ist, könne man jedoch nichts bestimmtes sagen. Re-araltansplcinc md kein Ende Ein Entwurf des Bankiers Baruch Neuyork, 5. Januar „Herald Tribune" veröffentlicht heute ein Washingtoner Meldung, Lie — wie ausdrücklich unterstrichen wird — angeblich den Hintergrund zu Parker Gilberts Forderung auf Festsetzung der Reparationsend summe bildet. Wenn diese Meldung zutrifft, ist ihre Bedeutung nicht von der Hand zu wei sen. „Herald Tribune" will die Informationen aus bestunterrichleten Washingtoner Senatskrei sen erhalten haben. Der Washingtoner Negie rung sei vor einiger Zeit eiü vollkommen neuer Neparations- und Schulden plan zugegangen, den der bekannte Bankier Baruch ausgearbeitet habe, der bei den Ne parationsverhandlungen und bei den Versailler Friedensverhandlungen eine führende Nolle ge spielt hat. Baruch habe in seinem Plan ven Versuch unternommen, ein« Verbindung zwischen Repa- rations- und Cchuldenfrage herzustellen, ohne daß aber die amerikanische Regierung bei der künftigen Zurückerstattung der interalliierte« Schulen gebunden sei. Baruchs Plan sei zwar von der Washingtoner Negierung -urückgestellt worden, aber Gilberts Anregung auf Fixierung der Reparationsend, s u m m e sei auf Baruchs Plan zurückzu. führen. Der Plan Baruchs geht davon aus, daß Deutschland niemals imstande sei, die im Mai 1921 festgesetzten Summen auf zubringen. Daher müsse man versuchen, von Deutschland die Summe zu erhalten, die es zu bezahlen imstande sei. Deswegen solle eine endgültige Summe errechnet wer» den. Nach der Meinung Baruchs könnten sofort deutsche Bons im Werte zwischen 2 und 4 Milli arden Dollar auf den internationalen Markt ge bracht werden. Der weitere Bonsbetrag, der 6 oder 10 Milliarden Dollar nicht überschreit«« dürfe, sollte in Roserve gehalten werden. Es müsse eine neue Neparationskom» Mission geschaffen werden, in der ein ameri kanisches Mitglied sitze. Die Auflegung der rest lichen Bons sollte zu einem Zeitpunkt erfolgen, den die noue Reparationskommission für richtig halte. Die Ausgabe der Bons könnte auf einer Basis von 5 und 6 Prozent erfolgen, vielleicht sogar zu einem niedrigeren Zinsfuß. „Journal of Commcrce" veröffentlicht eine Washingtoner Meldung, die die Herald-Meldung in gewisser Hinsicht bestätigt, obwohl Baruchs Name nicht genannt wird. „Journal of Eom- merce" erklärt vielmehr, daß bei dem neu erwo genen Neparationsplan hauptsächlich Parker Gilbert die treibende Kraft gewesen sei. Präsident Eoolidge hak'« entschieden, daß dieser Plan zur genauen Ueberprüfung dem Staats departement zu übermitteln sei. Das Staats departement erhielt außerdem den Auftrag, even tuelle politische Schritte bei den betei ligten Mächten vorzubereiten. Parker Gilbert besprach den Plan bei seiner jetzigen Reise in Washington. Es sei aber entschieden worden, daß Schritte erst nach den Wahlen unter nommen werden sollen. Nach den französischen Wahlen solle der Plan einer neuen Repara - tionskonferenz unterbreitet werden, an der alle interessierten Mächte teilnehmen sollem Der neue Plan gipfelt in folgenden Haupt punkten: 1. Festsetzung der Neparatio ns- s u in m e, die weit unter der früher festgelegten Rcparationssumme liegen soll. 2. Verkauf größerer Beträge deut» scher Bons, die vor allem Frankreich zu gute kommen sollen. 3. Streichung der englischen Anspruch« gegenüber Deutschland. 4. Ausgabe weiterer deutscher Bons, durch die Frankreich das notwendig« Geld erhalten soll, um seine Schulden an Amerika zu regeln. Der ganze Plan sei so gehalten, daß die po litischen Reibungen auf ein Minimum herabge drückt würden. England müsse das größte Opfer bringen. Auch Frankreich und die übrigen Alli ierten müßten das Opfer bringen, ihre Forde rungen gegenüber Deutschland stark herabzu» setzen. Der Plan sieht außerdem die Ab schaffung des Transfer-Komitees vor. Mellon bestätigt Neuyork, 5. Jan. Nach Meldungen aus Washington hat Schatz- sekretär Mellon offiziell erklärt, daß mit Parker Gilbert die Neparationslage ausführlich besprochen worden sei. Es werde außerdem allgemein zugegeben, daß eine Entscheidung irgendeiner Art bezüglich der Festsetzung eines genauen Repara^,