Volltext Seite (XML)
pulsnimMchendUl 65. Jahrgang. Donnerstag, 11. Dezember 1913. 2. Beilage zu Nr. 148. OsrtNedss unv Sücdslscdss. — (Eine gute Ernte.) Laut amtlicher Be kanntgabe haben in diesem Jahre die Ernteerträgniffe im Deutschen Reich betragen für Winterweizen 4112 984 Tonnen gegen 3 908 241 Tonnen im Vorjahre; für Sommerweizen 642 972 (452 413), für Winterroggen 12 061248 (11462 516), für Sommerroggen 161146 (1S5 773), für Sommergerste 3 673 253 (3 481974) und für Hafer 9 713 966 (8 620183). — (Unter falscher Flagge?) Ein Fürsor- gezögling ist seinem Lehrherrn davongelaufen. In einem zurückgelafsenen Briefe erklärt er, nach Belgien, Frankreich oder Holland gehen zu wollen, um „jeder zeit in die Fremdenlegion eintreten zu können", und schließt die von außergewöhnlicher geistiger Begabung zeugende Epistel: „Hoch lebe die Fremdenlegion:" Wie kam ter Bursche auf diese Vorliebe? In seinem Be sitze befanden sich 25 10Pfg..Hefte mit dem Titel: „Heinz Brandi, DerFremdenlegionär, Abenteuer, Kämpfe, Leiden und Geheimnisse in der Fremdenlegion." Die Aufmachung ist die von der Schundliteratur her be kannte: Ein gelber Titelbild mit „spannender" Unter- schrift, Hyänen an toten und halbtoten Legionären fressend, als „Buchschmuck" auf der ersten Seite ein blutrünstiger, schaurig, trauriger Inhalt, miserable» Papier, „sensationelle", raffinierte Hrfttitel und Kapi- telüberfchrtften. Die Rückseite enthält zwar eine pa- thetische Verurteilung der Fremdenlegion, aber zugleich eine auf die Lesewut und Abenteuersucht berechnete Aufzählung de» nervenausregenden Inhaltes: „Jeder Band eine sensationelle, hochinteressante und belehrende Lektüre, aber auch zugleich eine Warnung für die deutsche Jugend!" Wie diese angebliche Warnung aus die deutsche Jugend wirkt, zeigt unser Fall. Für den Geschäft»finn spricht die Bemerkung unter dem Strich: .Da» Werk darf in Leihbibliotheken und Lesezirkeln nicht geführt weiden." Da» „Werk" erscheint in einem Dre»dner Verlag. In einer sächsischen Mittel stadt lag da» ganze Schaufenster einer Papierhandlung nahe bei einer großen Fortbildungtschul- voll dieser Hefte; sie gingen reißend ab. Wir können nach oben berichteter Erfahrung nur auf» dringendste vor dieser Literatur warnen, trotz de» patriotischen Aushänge schild«» und bitten besonder» die Erzieher, Eltern, Dienstherren u?d Pfleger der Jugend, ihr Augenmerk darauf zu richten. Großröhr-dorf. (Vorsitzendenwahl.) Am vergangenen Sonnabend fand hier eine Sitzung der neugewählten Vorstandsmitglieder der Allgemeinen Ortskrankenkasse zur Wahl ihre« Vorsitzenden statt. Pnrgeschlagen wurde von den Arbeitgebern der birhe- rtge Vorsitzende, Herr Schneidermeister Wehner, woraus von den gewerkschaftlichen Versicherten Herr Brockmann in Vorschlag gebracht wurde. Eine Entscheidung wurde nicht herbetgeführt; es hat deshalb demnächst eine zweite Wahl stattzufiaden. Dreiden, 9. Dezember. (Eisenbahnwünsche.) BUm Landtag find folgende Petitionen eingegangen: Der Gemeinderat von Ntederhärlich bittet um den Bau einer Zweiglinie der staatlichen Straßenbahn von Deu ben nach Ntederhä»lich, ferner um den Bau einer Eisen- bahn durch dar Seidewitztal bi» Liebstadt. Eine an dere Petition ersucht um den Bau der Pöbeltalbahn für Personen- und Güterverkehr von Schmiedeberg bi» Sayda,um len Bau einer EtsenbohnverbindungKlingen- kmr in sämtlichen Abteilungen . — Aroke 8ortimente — Reklame ^nxebote ÜLU ptkÄts.! 0^1913/14 IVian verlange dessen kostenlose 2usendunA Proben von Kleiderstoffen sowie von Vieren jeder Frt bereitwilli^st kiodewarenbaus UodörtööiMgM Dresden - postplatr her—Ruppendorf—Dippoldiswalde, um den Bau einer Linie Oschatz—Lampert»walde—Belgern und den Um- bau der Strecke Milkau—Kirchenberg in eine normal- spurige Bahn. Seifhennersdorf. (Kontur».) Ein aufsehenerre- gkndcr Kor.kur» wird hier viel besprochen. ES han delt sich um den K e^schambesitzer und Hotelier Rothe, durch dessen Zahlungseinstellung viele kleine Geschäfts leute geschädigt worden sind. Rothe wollte in einer der letzten Nächte da» gesamte Mobiliar durch zwei Möbelwagen fortschaffen lassen, doch wurde er von seinen Gläubigern hieran gehindert. Zittau. (Oberlausitzer Sängersest.) Der Stadrrat beantragte in der Stadtverordnetensttzung am Freitag di« Uebernahme einer Garantie für dc» Ober- lausttzer Sängerfest. Die innerhalb der Krei»haupt« mannschaft Bautzen bestehende Bereinigung, die über 100 Vereine mit etwa 3700 Sängern umfaßt und in den Zwischenräumen von vier bis sechs Jahren Bun- de»g«sang»fest« veranstaltet, beabsichtigt, im Juni näch- sten Jahre» ein Bundesgesangfest in Zittau abzuhal ten, wo da» letzte derartige Fest im Jahre 1876 ver- anstaltet wurde, Dte Sänger haben bereit» unter sich einen Garantiefond» von 30000 Mark aufgebracht. Da« Stadtverordneten-Kollegium beschloß gemäß dem Anträge de» Stadlrate», einen Garantiefond» bi» zu 15 000 Mark zu übernehmen. Literatur. (Wehrsteuerbeitrag!) Soeben erschien die amtliche Ausgabe des Wehrsteuergesttzes im Königreich Sachsen im Verlage von C Heinrich, Dresden-N., unter dem Titel „Ver ordnung zur Vollziehung des Gesetzes über einen einmaligen außerordentlichen Wchrbeitrag vom 21 November 1918' (Preis broschiert M 1. mit Porto M i.lv). Mit großer Spannung erwartete man die amtlichen Bestimmungen zur Ausführung dieses gänzlich neuen, wichtigen Gesetzes, das in aller Kürze in Wirlsamkeit treten wird. Sie sind in der vorliegenden Aus- gäbe gegeben, die sowohl dem privaten Publikum wie den mit der Vollziehung des Gesetzes betrauten Behörden volle Klar heit und Aufschluß bringen dürste. Die Anschaffung des Büchleins ist demnach allen Beteiligten wärmstens zu empfehlen. Mrcven-Nacdrlcvten. Pulsnitz. Sonntag, den 14. Dezember, 3. Advent: >/,9 Uhr Beichte und heiliges Abendmahl > NMar Köbler 9 „ Predigtgottesdienst (Kol. 1, 12-15) f Lieder: Nr 23 1-4, 156 1-3, 32 1-4, 27 1, 4. Sprüche: Nr 4, 7. 5 „ Predigtgottesdienst (Haggai 2, 9), anschließend Beichte und heiliges Abendmahl. Pastor Stange. 8 „ Jünglings- und Männerverein im Jugendheim. Bibelstunden werden abgehalten: Dienstag, den 16. Dezember, abends 8 Uhr im Konfir- mandenztmmer. Dienstag, den 16. Dezember, abends 8 Uhr in der Schule zu Obersteina. Donnerstag, den 18. Dezember, abends 8 Uhr in der Schule zu Friedersdorf. Srotznaundork. Freitag, den 12. Dezember: Uhr abends Bibelstunde im Pfarrhause. Obergorsdork. Sonntag, den 14. Dezember, 3. Advent: '/,9 Uhr Beichte und heiliges Abendmahl. 9 - Predigtgottesdienst. 11 - Kindergottesdienst. Zugsnvveranstaltungen In Pulsnitz. Das Jugendheim ist geöffnet am 14. Dezember: 4-6 Uhr, Leitung: Herr Schöne. 6-8 „ „ „ Paufler. 8—10 „ Jünglingsverein. Heimat! Orginal-Roman von A. Marby. 4) (Nachdruckverboten.) Vor einem palastartigen Gebäude in einer die geräusch volle Köuigsstratze durchschneidenben stilleren Straße hemmte er seine Schritte. Sein Blick suchte die Hausnummer; erst nachdem er sich überzeugt, daß er nicht fehlging, berührten des Einlaßbeaehrenden Finger den elektrischen Knopf an der Seitenwand, die.breite schwere Haustür öffnete sich lautlos, ein geräumiger, Heller Hausflur nahm den Herrn aus, der nun rasch auf eine der in die inneren Räume führenden Tü ren zuschritt, auf der ein Schild mit goldener Schrift den Namen „Justizrat Kaltenbach" trug. Hinter dieser Tür be fanden sich die Büros des berühmten Rechtsgelehrten. Ein großes, einfach ausgestattetes Vorzimmer nahm zunächst den neuen Ankömmling auf. Einzeln und in klei nen Gruppen saßen und standen — hochelegant-, aber auch schlichtgekleidete — Männer und Frauen umher, teils schwei gend, teils in mühsam bekämpfter heftiger Rede und Gegen rede. Eben erst hatte der im Zimmer anwesende Diener durch sein Dazwischentreten ein tätliches Auseinandergeraten der feindlichen Parteien — was in den Vorzimmern vielgesuch ter Rechtsanwälte nicht zu den Ausnahmefällen gehört — verhindern müssen. Noch ein wenig ärgerlich über solche Unvernunft schritt der grauhaarige Diener dem neuen Klienten entgegen, der seiner üblichen Frvge mit den Worten zuvorkam: „Ich wünsche Herrn Justizrat Kaltenbach zu sprechen". „Herr Justizrat sind augenblicklich stark in Anspruch genommen", lautete die Antwort kurz, doch höflich. „Nun, ich habe Zeit, warte gern hier eine Weile. Doch bitte" — der Sprecher entnahm einer Tasche seine Karte — „melden Sie mich immerhin Ihrem Herrn". Des Fremden stattliche Erscheinung, der ruhige be stimmte Ton der tiefen Stimme mit dem leichten fremdlän dischen Klang bewog den alten Diener, mit der Karte durch eine lautlos in ihren Angeln sich bewegende Flügeltür in den Nebenraum zu treten, das sogen, große Büro, wo der Büro vorsteher als gebietende Macht über die ihm unterstellten Schreiber herrschte, auch die sich befehdenden Parteien hier empfing. Klienten, die eine besonders heikle Klagesache mit dem berühmten Justizrat persönlich zu besprechen wünschten, wurden in des Genannten Privatarbeitszimmer geführt. Die große Schreibstube, in der eben der Bürovorsteher sich in hitzigem Gespräch mit einem sichtlich erregten Klage antragsteller befand, rasch durchschreitend, trat der Diener nach kurzem, lautem Anklopfen, ohne aus ein „Herein" zu warten, in das „Allerheiligste" des Chefs, der schreibend an seinem Pulte saß. Außer dem leise kritzelnden Geräusch der eilig übers Papier gleitenden Feder unterbrach kein Laut die tiefe Stille. „Was gibts?" fragte Justizrat Kaltenbach, ohne auf zublicken, im Ton den Unwillens. „Sie wissen doch, Hasse, ich will nicht gestört sein". „Herr Justizrat verzeihen! Dem fremden Herrn, der Sie zu sprechen wünscht, schien daran gelegen, daß ich seine Karte sofort Herrn Justizrat überbringe!" entschuldigte sich der Diener. „Wird wohl nicht so große Eile haben, mutz sich ge dulden", versetzte Kaltenoach, noch ärgerlich über die Stö rung. „Eckart", las er gleichgültig, „mir ganz unbekannt". Im Begriff, die Visitenkarte in eine aus dem Schreib tisch stehende bronzene Schale zu werfen, haftete sein flüch tig über die Karte streifender Blick aus dem in der rechten Ecke gedruckten Wort „Newyork". Der Justizrat schnellte von seinem Sitz empor. Mit dem Ausdruck höchster Ueberraschung in den Augen und Mienen stietz er hastig hervor: „Hasse!" Der Gerufene kehrte von der Türschwelle rasch zu sei nem Herrn zurück. „Herr Justizrat befehlen?" „Wie sieht oer Mann aus, der Ihnen die Karte gab?" fragte Kaltenbach gespannt. „Vornehm, Herr Justizrat! Möchte mir zu sagen er lauben, wie — wie ein Gutsbesitzer", lautete der prompte Bescheid. „So — hm!" Ein kurzes Zögern, dann fuhr der Rechts gelehrte in befehlendem Tone fort: „Führen Sie den Herrn gleich her! Solange er bei mir ist, bin ich für niemand zu sprechen, hören Sie Hasse? für niemanden! Sagen Sie das auch dem Referendar!" Die letzte Weisung galt dem Bürovorsteher, der nach glänzend bestandenem Referendar-Examen widriger Fami lienverhältnisse wegen sein weiteres Äechtsstudium hatte aus- qeben müssen, und nun schon seit vielen Jahren die gut aus kömmliche, verantwortliche Vertrauensstellung im Büro des vielgesuchten Notars, Justizrat Kaltenbach, bekleidete. Kaum allein, bemühte sich der Justizrat seiner ihn be herrschenden Auflegung Herr zu werden. Gewohnheitsae- mätz fuhr seine Hand durch den weißen Haarbusch, der über seiner hohen Stirn einer Löwenmähne gleich emporstarrte und strich dann ein paarmal über Stirn und Augen. „Also doch noch?" murmelte er halblaut — „ob wirk lich „er" selbst? Aber freilich, der Name sagts — und sieht vornehm aus? Hm! also kein herabgekommenes, verlotter tes Subjekt, das. ." Nein! Dem glich die hohe Mannesgestalt, die eben im Türrahmen sichtbar wurde, in der Tat nicht. Beim er sten Blick, der forschend des Fremden äußere Erscheinung überflog, sagte dem Äechtsgelehrten sein bewährter juristischer Scharfsinn, datz ihm ein „Gentleman" gegenüberstand. Sich erhebend und rasch auf den Ankömmling zuschrei tend, ries er mit einem.Gemisch von Zurückhaltung und freu diger Bewegung: „Willkommen, herzlich willkommen, Herr Baron von Eckartsburg". In den Augen und Mienen des Genannten malte sich leichte Verwunderung. Doch ohne Zögern legte er feine Rechte in die des Ju stizrats sich ihm entgegenstreckenden Hände und fragte selt sam bewegt: „Sie wissen bereits? Sie kennen mich?" „Noch weitz ich nichts, als datz ich Sie leibhaftig vor mir sehe! Der aus ihrer Karte abgekürzte Name „Eckart" verriet mir sofort die Wahrheit, hätte ich aber noch daran gezweifelt, so schließt auch Ihre Erscheinung in ihrer frap panten Aehnlichkeit mit Ihrem leider allzufrüh verstorbenen Vater eine Täuschung vollkommen aus".