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WsnitzerMchendlatt Donnerstag, 11. Dezember 1913. 1. Beilage zu Nr. 148. 65. Jahrgang. OsrMckss unv SScdslsckes. — (Wetterlage.- Ein Im Norden lagerndes Tief erweitert trotz der Bewegung nach Osten andau ernd seinen Wirkungsbereich. Ganz Europa befindet sich daher heute unter depressionalem Einflüsse. Hoher Druck bleibt zunächst noch wirkungslos. Trotz leichter Druckzunahme wird zunächst noch trübrS, milder Wet- ter mit Neigung zu Regen anhalten. Dresden, 10. Dezember. (SOjähriges Militär dienstjubiläum.) Kriegsminister Frhr. v. Hausen, der am 12. d. M. sein SOjähriges Militärdienstjubiläum begeht, wurde am 17. Dezember 1846 zu Dresden als Sohn des 1897 verstorbenen Generalleutnants z. Disp. Frhr. v. Hausen und dessen Frau geb. v. Ammon geboren. Er genoß seine Erzie hung im Elternhause, aus Privatanstalten und im Kadetten korps. Am 12. Dezember 1863 trat er als Portepeesähnrich in das 3. Iägerbataillon ein. Im Jahre 1864 wurde er Se- condelieutnant und 1866 Premierlieutnant. Im Feldzuge 1866 nahm er an der Schlacht von Königgrätz teil. In den Jahren 1867—71 war Frhr. v. Hausen Adjutant des 2. Iä- ger-Batl. Nr. 13 und hat als solcher an dem Kriege 1870/71 teilgenommen und zwar an den Schlachten von St. Privat, Beaumont, Sedan, Villiers und an der Belagerung von Paris. Aus diesem Anlasse wurde ihm das Ritterkreuz 1. Kl. des Albrechtsordens mit Schwertern und das Eiserne Kreuz 2. Kl. verliehen. 1871 wurde er zum Hauptmann und im Jahre 1874 zum Kompagnieches im 2. Jäger-Batl. Nr. 13 befördert. Don 1878 ab tat er beim Generalstabe in ver schiedenen Stellen Dienst. 1881 avancierte e. zum Major und trat 1887 als Oberstleutnant an die Spitze des 1. Iäger- Batls. Nr. 12. 1890 übernahm er als Oberst das Kommando des 2. Grenadier-Regiments Nr. 101. In den Jahren 1892 bis 1895 fungierte er als Chef des Generalstabes und wurde 1893 zum Generalmajor befördert. Von 1895 an gehörte er dem Großen Generalstab an, übernahm 1897 das Kommando der 1. Dwision Nr. 23 und wurde 1900 kommandierender General des 12. Armeekorps. 1901 wurde er zum General der Infanterie befördert. 1902 erfolgte seine Enthebung von der Stellung als kommandierender General und seine Er nennung zum Staats- und Kriegsministcr. 1908 wurde er a la suite des 1. Iäger-Batls. Nr. 12 gestellt und avancierte 1910 zum Generaloberst. Frhr. v. Hausen ist Inhaber der Rautenkrone, des Schwarzen Adlerordens, des St. Hubertus ordens und des Grotzkreuzes des Ordens der Württember- gischcn Krone; außerdem besitzt er die höchsten Orden fast aller deutschen und vieler ausländischen Staaten. Dresden, 11. Dezemver. r t v srm o ro v e r s u w ) Sestern mittag gegen 1 Uhr sprang oberhalb der Kö- nig-Friedrich-August-Brücke in DreSden-A. eine Frau in selbstmörderischer Absicht von der Kaimauer in die Elbe. Von dem in der Nähe liegenden Dampfschiff ,Hohen,ollern" der Sächstsch-Böhmischen-Dampfschiff- sahrt» Gesellschaft wurde rasch entschlossen ein Boot klar gemacht und dessen Besatzung, 2. Steuermann Hohlfeld, 1. Bootsmann Beckert und 2. Bootsmann Rasch, gelang e», die mittlerweile vom Strom durch die Känig-Friedrich-August-Brücke getriebene Lebens müde noch lebend an Land zu bringen, wo sie ihrem herbeigekommenen Mann und einem Poltzeibeamten übergeben wurde. ttus aller >Velt. Berlin, 10. Dezember. (Ein Opfer von Ge sundbetern.) Wir die Nattonal-Zeitung zu dem plötzlich erfolgten Tode der Königlichen Hofschauspiele- rin Nuscha Butze erfährt, ist die Verstorbene da« Opfer von Gesundbetern geworden, die sie in der unsinnig sten Weise behandelten und der Zuckerkranken reinen Zucker zu essen gaben. Wie die Zeitung weiter er- fährt, beabsichtigt der Hausarzt der Künstlerin gegen diese gefährliche Sekte mit einer Anzeige bet der Staats anwaltschaft vorzugehen. Straßburg, 10. Dezember. (Aufklärung der Verschwindens von Oberst Reuters Bur- schen.) Wie seinerzeit gemeldet wurde, verschwand plötzlich der Bursche des Obersten von Reuter, MuSke- tier Ficht, ohne daß selbst seiner Mutter über den Grund seine» Verschwinden» Au»kunft gegeben wurde. Die Bürgerzeitung teilt nunmehr mit, daß Ficht vor- gestern von einem Standgericht in Zedern abgeurteilt wurde. Er hat in einem Zaberner Geschäft seinen Privatmeinung über den Fall Forstner freien Ausdruck gegeben, wurde denunziert und ist jetzt zu 5 Wochen Arrest verurteilt worden. Zwei Wochen für erlittene Untersuchungrhaft wurden abgerechnet. Cln sozialvemokraliscker Sriedboksskandal. v. k. K. In Lütgendortmund wurde vor einigen Tagen der Knappschaftsälteste Böhnke auf dem evangelischen Fried- Hofe beerdigt. Der Trauerzug, etwa 600—800 Personen, führte, in seiner Mitte einen Kranz mit großer, roter Schleife. Als die Polizei vorschriftsgemäß die Schleife entfernen wollte, kam es zu einem wüsten Handgemenge, bei dem die Beamten von mehreren hundert Personen in den Rinnstein und gegen einen Ziegelhaufen gedrängt wurden. Mit einstündiger Verspätung kam der Leichenzug auf dem Friedhöfe an. Kaum hatte der Geistliche den Bibeltert für die Leichenrede verlesen, als ein Kranzträger neben ihn trat und den Kranz mit Widmungs- worten niederlegte. Der Pfarre verbat sich die Siörung — ohne Erfolg Wie auf Kommando wurde er durch einen zwei- ten Kranzträger unterbrochen. Als ihm von einem dritten das gleiche geschah, trat der Geistliche v 'M Trabe zurück. Schmäh« Worte wie „Pfui" und „Wir brauchen keinen Pfaffen" schall ten hinter ihm her. Nachdem er der schluchzenden Witwe und Tochter des Verstorbenen sein Beileid ausgesprochen, verließ der Pfarrer das Trab, auf dem nun noch eine ganze Reihe von Kranzträgern Kränze niederlegten, zum Teil mit provizie- renden Worten, wie: „Auf Nimmerwiedersehen!" So erzieht die sozialdemokratische Agitation die Massen, daß sie vor der Verletzung der Gefühle Leidiragender und vor öffentlicher Be- schimpfung amtierender Pfarrer nicht mehr zurückschreckt. Hof fentlich wird an Gerichtsstelle noch ein weiteres Wörtchen mit den Akteuren dieses Skandals geredet werden. Wir leben noch nicht 'M Zukunftsstaat, sodaß der Frieden der Gräber und heilige Handlungen ungestraft gestört werden dürften. Sturm und Sockwafsvr. Ein Wirbelsturm im Erzgebirge und dem Duppauer Land hat 40 Häuser abgedeckt und ganze Waldpartien nie dergemacht. In Kanden sind zwei Häuser eingestürzt, wo bei zwei Holzfäller ums Leben kamen. Im Erzgebirge ist Schneeschmelze eingetreten und herrscht Hochwassergefahr. — Die ganze Insel Sizilien wird seit einigen Tagen von einem heftigen Sturm durchtobt. Aus dem Innern werden starke Schneefälle gemeldet, die stellenweise über das Land eine meterhohe Schneedecke ausbreiten. Mehrere Ortschaften sind vollständig eingeschneit und vom Verkehr ahgeschnitten. Die wärmeren Küstenstriche der Insel sind jedoch von dem Wet tersturz verschont geblieben. — Infolge des plötzlich einge tretenen milden Wetters und Schneeschmelze im Gebirge ist der Rhein und seine Nebenflüsse im bedrohlichen Steigen be griffen. Innerhalb 24 Stunden wird von Kehl ein Steigen um einen Meter gemeldet und von Mannheim um 60 Zenti meter. Auch der Mittelrhein stieg bei Mainz und Bingen um 30 Zentimeter, ebenso am Unterlauf. ' Mnnmgsbild ausÄnAciM Sitzung vom 9. Dezember 1913. Wiederum ungeheurer Andrang zum Bau am Königs platze, erwartete man doch nicht blos die Kanzlerrcde über die auswärtige Lage, sondern man erwartete auch Zwischenfälle von der äußersten Linken, die dem Kanzler bei jeder Gele genheit angeblich Schwierigkeiten bereiten wolle, um ihn schließlich zum Rückzüge zu zwingen, nachdem er das Miß trauensvotum des Parlaments kurzerhand ignoriert habe. Der eigentlichen Etatserörterung gingen noch Anfragen voran, von denen einige in einem anderen Momente sicherlich weit größere Bedeutung gefunden hätten. Dies gilt besondexs von der nationalliberälen Anfrage über englische Petroleum konzessionen in Kleinasien, die lediglich in englischen Interessen ausgegeben werden sollten. Herr v. Jagow konnte hier er freulicherweise eine befriedigende Antwort erteilen, indem er kund gab, daß auch Deutschland seinerseits Verhandlungen angeknüpft habe, die ein befriedigendes Resultat versprächen. Ebenso konnte der Staatsminister mitteilen, daß bei dem Mongoleivertrage das deutsche Meistbegünstigungsrecht ge wahrt sei. Noch einige kleinere Anträge und sofort erhob sich bei Eröffnung der Etatslegung der Reichskanzler, um das seit langem erwartete Expos« über dir auswärtige Lage zu geben. Große Offenbarungen konnte er natürlich nicht bringen, es kam vor allem aus das „Wie" an. Er begann begreiflicherweise mit den Balkanwirren und betonte hierbei das Zusammengehen mit Oesterreich und Italien, aber auch Lie Mitwirkung im Konzert der Großmächte. Auch Ruß land erhielt eine gute Note, indem seine Haltung als eine maßvolle bezeichnet wurde, Selbst für Frankreich siel so ne benbei ein Lob ab. Einen breiten Raum nahmen seine Dar legungen über unser Verhältnis zu England ein, und auch hier konnte der Reichskanzler nur gutes berichten. Die Be ziehungen beider Länder würden dauernd in ruhige Bahnen geleitet, wie sie früher bestanden und man habe Verhand lungen angeknüpst, um wirtschaftlichen Gegensätzen, speziell in Afrika oorzubeugen. Eine Benachteiligung Dritter soll, wie der Reichskanzler unterstrich, dabei ausgeschlossen sein. Der Reichskanzler rechnet auf beiderseitiges Vertrauen, damit man auf der begonnenen Grundlage weiter bauen könne. Zum Schluß betonte der Kanzler noch, daß Deutschland selbst verständlich im Hinblick auf seine kontinentale Lage alles tun müsse, um seine Machtstellung ausrecht zu erhalten. Als erster Redner aus dem Hause folgte der Sozialist Scheide mann, und kundige Tebcmer wollten wissen, daß es jetzt zu Sturmszenen kommen würde. Gewiß griff der Redner den Reichskanzler scharf an, der es wage, nach dem Mißtrauens votum noch vor dem Hause zu erscheinen, obwohl er sich sa gen müsse, daß es mit seiner Autorität dahin sei, und es fehlte auch nicht an lebhaften Zwischenrufen der Genossen, aber Lärmszenen bleiben gleichwohl aus und die bürgerlichen Par teien bewahrten strenge Zurückhaltung. Die Berufung Scheide manns, der natürlich auch auf die Vorfälle von Zabern ein ging, ries den Reichskanzler erneut aus den Plan, und in seiner zweiten Rede, legte er seinen Standpunkt über die Frage der Anträge zu Interpellationen dar. Er betonte, daß es sich hierbei eigentlich um gar nichts Neues handele, wie das sei nerzeit auch von sozialdemokratischer Seite der Bearbeitung der Geschäftsordnung erklärt worden sei, man habe mit der artigen Anträgen den Interpellationen nur einen Schluß ge ben wollen, um sie nicht ausgehen zu lassen, wie das Horn berger Schießen. Er stehe auf dem Standpunkte, daß die heutigen verfassungsrechtlichen Grenzen des Reichstages nicht verändert würden und er würde allen Bestrebungen, die Rechte des Kaisers zu verkürzen unbeugsamen Widerstand entgegen setzen. Das deutsche Volk wolle nicht, daß die kaiserliche Ge walt unter sozialdemokratischen Zwang gestellt würde. Auf die Aufforderung Scheidemanns, dem Reichskanzler den Etat zu verweigern, will auch das Zentrum miteinaehen. Herr Spahn erklärte, der Etat werde bewilligt für das deutsche Volk. Die Vorfälle in Zabern sanden seine Billigung nicht. Im übrigen zollte er der Balkanpolitik des Reichskanzlers und seiner Festigungsbestrebungen des Dreibundes, sowie der Abwicklung mit England volle Anerkennung. Zum Schluß sprach er auch von den Härten des Iesuitengesetzes. Nach chm ergriff der Führer der nationalliberalen Partei Abg. Bassermann das Wort. In einer glänzenden politischen Uebersicht ging er aus alle Fraqen ein, dte Deutschland in seiner inneren und auswärtigen Politik beschäftige, mit ge wohnter Eleganz streifte er San Franzisko, die deutschen Handelsbeziehungen zum fernen Osten, begrüßte die Revision des Besoldungsgesetzes und ähnliche beamtensreundliche Maß nahmen. In der vielumstrittenen Frage des Arbeitswilligen- schutzes vertrat er die Anschauung, daß eine scharfe Anwen dung der bestehenden Gesetze genüge und eine Beschneidung des Koalitionsrechtes der Arbeiter nicht notwendig, ja sogar zu bekämpfen sei. Zum Schluffe berührte er noch, wie zu er warten die Vorfälle in Zabern. Aus diesen Ausführungen ging hervor, daß es die nationalliberale Partei für eine Be einträchtigung der Würde des Reichstages ansah, daß erst nach den Debatten im Reichstage ausführliche Darlegungen in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung die Vorgänge in ihrem wirklichen Sachverhalt erkennen ließen. Auch Basser mann führte an, daß eine Versetzung des Leutnants v. Forst ner genügt hätte, die ganze Entwicklung der Dinge zu ver hindern. Im übrigen aber hoffe er, daß der Schaden im Elsaß dadurch wieder wettgemacht werde, daß die Elsässer gesehen hätten, daß sie, wo es um ihr Recht ging, das ganze deutsche Volk aus ihrer Seite hatten. Mit Bassermann war die Rednerliste erschöpft und nur Scheidemann ergriff noch zu einer kurzen Bemerkung das Wort. Zu weiteren Ent gegnungen kam er nicht. Das Haus vertagte sich aus Mitt woch, wo neben kleinen Vorlagen und der Weiterberatung des Etats wieder einmal Wahlprüsungen an erster Stelle ste hen, an denen, wie man der Zwischenbemerkung des Polen Seyda entnehmen kann, ein Interesse hat. Um 6°/« Uhr wurde es still im Wallotbau. Sitzung vom 10. Dezember 1913. Obwohl der Reichskanzler mit dem ganzen Stabe von Staatssekretären zugegen ist, scheint das Interesse an der Etatsdebatte bereits im Abflauen begriffen zu sein, nachdem Herr von Bethmann Hollweg gestern sowohl über die äußere Politik wie auch über die Taaessrage Zabern gesprochen hatte. Bevor man heute in der Etatsberatung sortfuhr, be schäftigte man sich überdies mit einigen anderen Dingen, so mit dem Wahlrecht bei Neuwahlen. Die Prüfungskommis sion hatte nämlich erklärt, daß die eingetragenen Wähler bei einer Nachwahl auch dann wahlberechtigt sind, wenn sie in zwischen verzogen sind. Dieser Kommissionsbeschluß stieß bei der Rechten und bei einem Teil der Nationalliberalen auf Widerstand, auch ein Regierungsvertreter sprach sich dagegen aus, gleichwohl wurde der Kommissionsvorschlag angenom men. Nicht uninteressant war ein sich anschließender Antrag von 200 Abgeordneten aller Parteien, trotz des ablehnenden Regierungsstandpunktes 2 Millionen für eine Beteiligung Deutschlands an der Weltausstellung in San Francisko zu bewilligen. Nur Abgeordneter Arendt sprach dagegen, worauf der Antrag an die Budgetkommission verwiesen wurde. Dann ging es wieder zum Etat. Den Reigen der Redner eröffnete heute der Konservative Graf Westarp. Er ging zunächst der Form halber etwas auf den Etat ein, um dann dem Reichs kanzler zu seinen Darlegungen über die auswärtige Politik zuzustimmen. Auch im Falle Zabern steht er zur Regierung, weniger zum Reichskanzler, als zu den Darlegungen des Kriegsministers. Der Herr Graf sprach mit viel Tempera ment, und einmal entfuhr ihm sogar unter großer Heiterkeit des Hauses ein an dieser Stelle wenig angebrachtes „Him meldonnerwetter", weil er von der äußersten Linken unter brochen wurde. Seine Darlegungen über die Wehrbeiträge riefen den Staatssekretär Kühn zu einer kurzen Antwort auf den Plan, woraus die Fortschrittler mit ihrer Etatsrede herankamen, seit Jahren gehalten von Herrn Wiemer, der mit der ihm eigenen Gründlichkeit aus die verschiedensten Fragen einging. Insbesondere ging er mit dem Kanzler scharf ins Gericht, weil dieser so wenig Gewicht auf das Mißtrauensvotum gelegt habe. Auf eine Anfrage des Red ners über die Verlegung der beiden Bataillone von Zabern bemerkte der Kriegsminister, daß diese erfolgt sei, weitere Konflikte zu verhüten. Der Pole Morawski brachte die üb lichen Beschwerden seiner Landsleute vor und ging auch auf die Iesuitensrage ein. Freiherr von Gamp von der Reichs partei befaßte sich zunächst in der Hauptsache mit Fragen wirtschaftlichen Charakters, insonderheit mit den Kohlenprei sen. Nach dem Reichspartciler v. Gamp nahm der Reichs kanzler v. Bethmann Hollweg das Wort und bemerkte, daß gegen Auswüchse des Koalitionswesens nicht eingeschritten werden kann durch Ausnahmegesetze, sondern nur auf der Grundlage des gemeinen Rechts und daß dabei Eingriffe in die Koalitionsfreiheit nicht erfolgen dürfen. Hierfür ern tete er den Beifall der Sozialdemokraten. — Zur braunschwei gischen Frage übergehend betonte der Reichskanzler, daß der Bundesrat in keiner Weise umgesallen ist. Zum Schluß noch auf die Zabern-Angelegenheit zurückkommend, bemerkte der Reichskanzler: Ich habe schon erklärt, daß ich nach den widersprechenden Berichten mit Sicherheit nicht entscheiden kann, wo Recht und Unrecht liegt. Ich bedaure, daß bei diesem unsicheren Stande hier schon ganz kategorisch geurteilt wird. Ich muß mir daher Reserve auserlegen. — Morgen wird man sich über den Etat weiter unterhalten. Säcbfrscker LanOtag. Dresden, 9. Dezember. (Zweite Kammer.) Am Regierungstische Finanzminister v. Seydewitz. Auf der Ta gesordnung über Kapitel 3 des Etats Kalkwerke betreffend. Abg. Däbritz (Kons.) erstattet den Bericht der Finanzdepu tation A und beantragt, das Kapitel nach der Vorlage zu genehmigen. Nach längerer Debatte wird das Kapitel ein stimmig nach dem Anträge der Deputation genehmigt. Zum Etatskapitel 17 des Landes, Lotterie betreffend, erstattet den Bericht Abg. Döhler (Ntl.) Er beantragt, das Kapitel nach der Vorlage zu genehmigen, wenngleich sich der Staatsver trag bezüglich der Lotterie erst als nachteilig erwiesen habe. Aba. Singer (Ntl.): Er teile das Bedenken der Linken be züglich der Staatslotterie. Der finanzielle Erfolg könne ihn nicht befridigen. Auch werde der Partikularismüs durch die Lotterie gefördert, wie die Vorgänge in Bayern bewiesen. Man sollte die Staatslotterie ganz abschaffen. Nach kurzen Bemerkungen des Berichterstatters wird das Kapitel gegen die Stimmen der Sozialdemokraten sowie der Abgeordneten Singer und Zöphel (Natl.) angenommen, Es folgt die Schlutz- beratung über Kapitel 25 und 26 die Verzinsung und Til gung der Staatsschulden betreffend. Abgeordneter Anders er stattet den Deputattonsbericht und beantragt die Genehmig ung der beiden Kapitel nach der Vorlage. Inzwischen ist ein fortschrittlicher Antrag eingegangen, die Beschlußfassung über die Kapitel 25 und 26 solange auszusetzen, bis durch die Weiterberatung des Etats völlige Klarstellung über die Ge samteinstellung geschaffen sei. An der weiteren Debatte, die sich vornehmlich um die Frage dreht, ob es zweckmäßig sei, in der Schuldentilgung über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinauszugehen, beteiligen sich noch die Abg. Kleinhempel